Das Oktoberfest „zieht” an. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Wer etwas auf sich hält, zeigt sich in Tracht. In allen erdenklichen Farben, Kombinationen und Darstellungen sind Dirndl und Lederhosen mittlerweile erhältlich und haben längst die Grenze zwischen Tracht und Landhausmode verwischt - nicht immer im Sinne des Erfinders. Dass die „echte” Tracht nicht in den Hintergrund oder gar in Vergessenheit gerät, ist dem stetigen Engagement und der Hingabe der Menschen zu verdanken, die ihre Zeit dem Brauchtum widmen - sei es in Vereinen oder durch die Liebe zur Tradition. Zwei von ihnen sind das Brautpaar Angelika Wehres und Ulrich Eder-Fontes aus Laim.
Angelika Wehres, gebürtige Sendlingerin, entdeckte aufgrund eines Nähkurses bei der VHS ihre Liebe zur „gehobenen” Tracht. Der eigentlich von ihr bevorzugte Schneiderkurs war ausgebucht und es gab nur noch die Möglichkeit, einen anderen Nähkurs zu besuchen. Der „Spenzer”, ein Gwand mit aufwendiger Ausschmückung am Kragen, war Thema dieses Kurses und mit Dozentin Roswitha Thomalla, Mitglied im „Heimat- und Brauchtumsverein Lechler München e.V.”, konnte auf die Erfahrung einer kompetenten Lehrerin zugegriffen werden. Doch leider „trauten” sich nur wenige Damen an dieses besondere Projekt und so kam der Kurs nicht zustande. Angelika Wehres wollte sich damit nicht zufrieden geben – war sie doch bereits von der Pracht und Wandelbarkeit des Kleidungsstückes in Begeisterung versetzt. Kurzerhand wurde sie ebenfalls Mitglied bei den Lechler und konnte, zusammen mit Roswitha Thomalla, die Damen im Verein für einen privaten Nähkurs mobilisieren. Von da ab war es für Angelika Wehres Normalität, gepaart mit Leidenschaft, Tracht zu tragen - im Alltag wie an Feiertagen. „Die Tracht gehört für mich einfach dazu. Sie ist sehr praktisch, kleidsam und, je nach Stoff, zum Beispiel auch wärmend. Ich trage sie fast immer”, erzählt die Office Managerin.
In Tracht ging es auch auf die Wiesn, vor zehn Jahren. Prächtig hat sie damals ausgesehen, die Angelika, und so wird Rechtsanwalt Ulrich Eder-Fontes auf sie aufmerksam und man kommt ins Gespräch – aus der Freundschaft wird schließlich Liebe. Ulrich Eder-Fontes, schon immer Freund von Trachten, tritt daraufhin dem selben Verein wie seine Frau bei. Beiden ist die Brauchtumspflege und -erhaltung ein wichtiges Anliegen. Und ihre Trachten tragen sie mit Stolz. Angelika Wehres: „Wir erregen viel Aufsehen und werden oft angesprochen. Die Leut' fragen, ob sie den Stoff anfassen oder ein Foto machen dürfen.” Viele ihrer Trachten sind in Handarbeit erstellt, auch von ihr selbst. Bei der Herstellung etwa eines „Münchner Spenzergwands” (Ursprung ca. 1780) fallen allein für den opulenten Kragen an die 100 Arbeitsstunden an, die langwierige und oftmals schwierige Materialbeschaffung ist da noch gar nicht mitgerechnet. Jede Tracht unterliegt einer peinlich-genauen Vorschrift, wie sie auszusehen hat und wie sie zu tragen ist - überwacht vom Verein.
Am vergangenen Dienstag, 12. Oktober, heirateten Angelika Wehres und Ulrich Eder-Fontes auf der Theresienwiese, genau an dem Tag, an dem vor 200 Jahren die Hochzeit zwischen Ludwig I. und Therese von Sachsen-Hildburghausen stattfand. In der damals beginnenden Biedermeierzeit (um 1810) trug die gehobene bürgerliche Bevölkerung das sogenannte „Münchner Bürgergwand”. Noch heute kennt man es vor allem durch das Bildnis von Helene Sedlmayr, ausgestellt in der Schönheitsgalerie Ludwig I. in Schloss Nymphenburg. Und eben dieses Gwand trugen Angelika Wehres und Ulrich Eder-Fontes an ihrem Hochzeitstag - handgenäht nach originalen Vorlagen. Das schwarze Mieder der Braut ist mit Silbergeschnür versehen. Man spricht hier von einer sogenannten Erbskette, zusätzlich geschmückt mit verschiedensten Anhängern. Ebenfalls dazu gehört auch eine Kropfkette und, fast schon das wichtigste Attribut, die goldene Riegelhaube. Die Haube in der Farbe Gold stand allein den verheirateten Bürgersfrauen zu - oder der Braut am Tage ihrer Vermählung. Unverheiratete mussten eine silberne, Witwen die schwarze Haube tragen. Das Oberteil des Gwands ist mit reichlich verzierten Ärmeln ausgestattet und wird durch einen langen, gefalteten Rock ergänzt. Verwendet werden ausschließlich Seidenstoffe, die den Status des gehobenen Bürgerstandes repräsentieren sollen.
Auch das Männergwand ist prächtig anzusehen. Es besteht aus einem langen schwarzen Gehrock mit Silberknöpfen, Stoffbundhose und gelbgrundiger Weste, also in den Münchner Stadtfarben. Abgerundet wird das Ensemble durch den Münchner Bierkutscherhut sowie dem Bürgerstock. Gerade dieser galt, neben den Schnallenschuhen, als Zeichen des freien Bürgers in der freien Residenzstadt München.
Angelika Wehres und Ulrich Eder-Fontes leben Brauchtum, nicht nur am Tag ihrer Hochzeit oder durch den Verein, sondern auch im persönlichen Alltag. Es gehört einfach - und das ist besonders schön - zu ihrem Leben dazu und wird von beiden mit Hingabe gestaltet. Neben dem Bergwandern und der Liebe zu München ist es das, was beide innig verbindet. An dieser Stelle wünscht das SamstagsBlatt dem Brautpaar für die Zukunft von Herzen alles Gute!