Anfang Mai 2008 verwüstete Zyklon „Nargis“ im Südwesten von Myanmar (Birma) ein Gebiet so groß wie Hessen. Besonders betroffen war das touristisch nicht erschlossene Irrawaddy-Delta, wo ganze Ortschaften zerstört wurden, sowie die ehemalige Hauptstadt des südostasiatischen Landes Rangun. Rund 130.000 Menschen und über eine Million Nutztiere sterben, Reisfelder und Brunnen wurden durch Salzwasser zerstört oder unbrauchbar gemacht. Die über 2,5 Millionen Bewohner im Irrawaddy-Delta verlieren einfach alles – darunter über 2000 Fischerboote, die nicht nur zum Fischfang sondern auch als Transport- und Fortbewegungsmittel dienen. „Die Boote sind für die Menschen im Delta lebensnotwendig“, sagt Jürgen Müller-Neuendorf. Der 46-Jährige aus Gröbenzell hat kurz nach der Katastrophe die Spendenaktion „Birma braucht uns“ gestartet.
„Wer nach Myanmar reist, kommt in ein Land, in dem man eine Zeitreise um 100 Jahre zurück macht“, erzählt Müller-Neuendorf. „Die Freundlichkeit und Offenheit der Leute ist einzigartig. Mir war es deshalb einfach ein Bedürfnis, diesen Menschen wieder etwas zurückzugeben.“ Nach 40 Jahren Militärregime mangelt es den Menschen in Myanmar an fast allem – angefangen vom Trinkwasser über die Stromversorgung, Schulen bis hin zur medizinischen Versorgung. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 45 Jahren. „Trotzdem haben die Menschen ihre Ruhe und Gelassenheit in all den Jahren nie verloren. Das ist sehr beeindruckend“, sagt Müller-Neuendorf.
Die Aktion „Birma braucht uns“ steht unter dem Motto: Hilfe zur Selbsthilfe. Die Fischerboote werden mit Netz finanziert und vor Ort gebaut. 111 Boote haben Jürgen Müller-Neuendorf und seine Frau Regina inzwischen übergeben. „Für 300 Euro können Interessierte ein Boot mit Fischernetz bauen und einer nahestehenden Person widmen und taufen lassen“, erzählt er. Ein Boot sichert im Irrawaddy-Delta die Existenz von vier bis fünf Familien. „Unser Ziel ist es, bis Ende des Jahres den Bau von insgesamt 200 Booten zu ermöglichen.“
Begonnen hatte das Myanmar-Projekt im Mai 2008. „Damals haben mein Freund, der namhafte Münchner Karikaturist Bernhard Prinz und ich beschlossen, einen Foto-Kunstkalender über Myanmar für 2009 zu machen“, erzählt Müller-Neuendorf. Der Erlös aus dem Verkauf der über 1000 Exemplare war der Grundstock für das Bootsprojekt. „Ziel war es, den Kalender so oft wie möglich zu verkaufen und die Schönheit des Landes zu zeigen – nicht die Schattenseiten. Damit wollten wir die Leute animieren, selbst in das Land zu reisen. Das ist, rückblickend betrachtet, tatsächlich auch gelungen. Inzwischen weiß ich von einem Dutzend Personen, die bedingt durch den Kalender nach Birma gereist sind.“
Die Idee, mit dem gespendeten Geld Fischerboote bauen zu lassen, ist mehr oder weniger rein zufällig entstanden. „Als ich genug Geld beisammen hatte, musste ich mir überlegen, was beziehungsweise wen ich unterstützen möchte. Und ich hatte keine wirkliche Idee“, erzählt Müller-Neuendorf. Über Umwege hat er den seit 1995 in Myanmar lebenden Deutschen Oliver Esser kennengelernt. „Er hat mir die Situation im Irrawaddy-Delta geschildert und mir erklärt, dass dringend Fischerboote gebraucht werden“, sagt Müller-Neuendorf. Esser, der mit einer Burmesin verheiratet ist, hat sich seit dem Tag der Katastrophe ausschließlich der Hilfe und Unterstützung der Menschen vor Ort verschreiben. „Er war schon am Tag nach Nargis im Delta und hat die Organisation von Dutzenden Hilfsorganisationen koordiniert“, betont Müller-Neuendorf. „Es ist einfach unglaublich, was dieser Mann geleistet hat.“ Oliver Esser organisiert auch, dass das Geld von Müller-Neuendorf dort ankommt, wo es hin soll, und dass die Boote vor Ort auch gebaut werden.
Inzwischen hat Müller-Neuendorf sein Engagement in Myanmar ausgeweitet. In einem kleinen Dorf im Bago-Delta warten 400 Kinder und Jugendliche dringend auf die Fertigstellung einer neuen Schule. „Das Dorf ist in der Regenzeit ab Mai/Juni für mehrere Monate im Jahr nur noch mit Booten zu erreichen“, erzählt Müller-Neuendorf. „Es fehlt an Geld für dringend benötigtes Baumaterial, eine Photovoltaik-Anlage zur Stromversorgung, Trinkwassertanks, Mobiliar und Lernmittel.“ Ein Fortbildungszentrum ist ebenfalls in Vorbereitung. „Der Tourismus in Myanmar schafft Arbeitsplätze. Dafür brauchen die Kinder aber dringend eine solide Schulausbildung“, betont der 46-Jährige, der zusammen mit seiner Frau im Neuhauser Gospelchor „Stephanus Voices” singt.
Zum zweiten Jahrestag der Katastrophe kam im Mai dieses Jahres die erste von vier Sonderbriefmarken „Birma-braucht-uns“, die unter anderem in Zusammenarbeit mit der Post in Österreich entstanden ist, in limitierter Auflage auf den Markt. „Diese Briefmarke ist eine frankaturgültige Marke, die zum Frankieren von Briefen und den Versand in alle Welt zugelassen ist“, so Müller-Neuendorf. „Ziel ist es, die insgesamt vier erscheinenden Briefmarken im Quartett gegen eine Spende von 50 Euro an Briefmarkensammler abzugeben, um damit Geld für die beiden Projekte Schule und Boote für Myanmar zu generieren.“ Inzwischen hat Müller-Neuendorf auch einen Bildband über Myanmar erstellt, „mit dem ich Südostasien-Interessierten das Land und auch die Projekte schmackhaft machen kann“, sagt er.
Weitere Informationen und zahlreiche Bilder zur Aktion von Jürgen Müller-Neuendorf gibt es im Internet unter www.myspace.de/birma_braucht_uns oder per email an birma-braucht-uns@arcor.de . Spendenkonto: Medizinisches Katastrophen-Hilfswerk Deutschland e.V., Kennwort: Birma braucht uns, Konto: 2233, BLZ 70020500, Bank für Sozialwirtschaft.