Seit Stunden steckt Nikolaus Dezasse auf der Fahrt in den Urlaub im Stau fest. Es ist brütend heiß und auf dem Rücksitz quengeln die beiden kleinen Töchter. Der Wunsch nach Informationen über Staulänge, Ursache und Dauer sowie nach Getränken und Spielsachen für die Kleinen wird immer größer. Aus dieser Stress-Situation heraus entstand vor 30 Jahren die Idee der Stauberater.
Zurück im Büro entwickelte der frühere Leiter der Verkehrsabteilung des ADAC Südbayern das Stauberater-Konzept und setzte es in die Tat um. Waren sie anfangs nur auf den Autobahnen im Süden unterwegs, so sind heute in der Sommerferienzeit deutschlandweit 110 ADAC Stauberater im Wochenendeinsatz und für viele Reisende zu verlässlichen Begleitern auf der Fahrt in den Urlaub geworden. Sie geben den Autofahrern Tipps, um das Warten im Stau oder an der Raststätte zu überbrücken, und unterstützen Polizei und Rettungsdienste. Wie aber ist das Ganze organisiert und was sind die Aufgaben eines Stauberaters? Wir sprachen mit Projektleiter Josef Maurus, der nach wie vor selbst als Stauberater und Staubeobachter im ADAC Verkehrsflugzeug aktiv ist.
SaBl: Herr Maurus, wie viele Stauberater setzt der ADAC im Süden ein?
Maurus: Unsere Stauberater sind seit Beginn der ersten großen Sommerreisewelle am 26. Juni bis 12. September samstags und sonntags auf den Autobahnen unterwegs. Wir setzen pro Wochenende fünf Stauberater auf Motorrädern und ein Flugzeug zur Staubeobachtung ein. Zudem werden aus dem so genannten ADAC Stau-Studio, einem von der BMW AG dafür zur Verfügung gestellten X3, die Einsätze koordiniert und beobachtete Störungen an die ADAC Verkehrsredaktion sowie an Rundfunkanstalten weitergegeben. Beim Einsatz des Verkehrsfliegers kooperieren wir mit dem Radiosender Antenne Bayern sowie unserem österreichischen Partnerclub ÖAMTC. Der Stauflieger ist dafür nicht nur in Südbayern, sondern auch grenzübergreifend bis zum Tauerntunnel und zum Brenner in der Luft.
Wie sieht Ihr Stauberater-Team aus?
Unser Team besteht aus 18 Mitgliedern, darunter zwei Frauen. Die Mitglieder gehen unter der Woche ihren normalen Berufen als Polizist, Steuerberater oder Elektriker nach und sind am Wochenende für den ADAC als Stauberater tätig.
Welche Anforderungen stellen Sie?
Stauberater müssen selbstverständlich gut Motorradfahren. Jedoch gilt das Hauptaugenmerk ganz klar nicht dem Spaß am Motorradfahren selbst, sondern das Motorrad wird lediglich als für diese Aufgabe taugliches, wendiges Verkehrsmittel genutzt. Wichtige persönliche Voraussetzung ist darüber hinaus die Fähigkeit, Verkehrssituationen richtig einzuschätzen und zu bewerten. Man muss lernen den Überblick und die Ruhe zu behalten und man muss in der Lage sein beruhigend auf andere einzuwirken. Und man muss Hilfe leisten können bei Problemen wie zum Beispiel einer Autopanne. Entscheidend ist aber letztlich das psychologische Feingefühl, da die Reisenden zumeist unter Stress stehen und es leider oft auch zu Streitereien kommt und dann das Auto buchstäblich zum Pulverfass wird. Hier versuchen wir zu schlichten und den Leuten Wege und Lösungen anzubieten, die die Situation entspannen.
Wie bereiten Sie die Stauberater auf ihre Aufgabe vor?
Um den Anforderungen gewachsen zu sein, führen wir vor Saisonbeginn gezielt Schulungen und Fortbildungen durch. So muss unter anderem jeder Stauberater ein Fahrsicherheitstraining mit Motorrad und Auto absolvieren. Zudem gibt es einen Einweisungstag, an dem Änderungen in der Straßenverkehrsordnung und Besonderheiten im Einsatzgebiet besprochen werden, zum Beispiel während der Reisezeit vorhandene Autobahnbaustellen. Diese intensive Vorbereitung ist auch deshalb besonders wichtig, weil die ADAC Stauberater gewisse Sonderrechte im Straßenverkehr haben, um die Polizei und die Rettungsdienste unterstützen zu können: So dürfen die Stauberater unter anderem den Pannenstreifen oder die Behelfsausfahrten benutzen sowie auf dem Pannenstreifen anhalten und wenn nötig die Fahrbahn betreten.
Was sind die Aufgaben im Einzelnen?
Wir informieren die Autofahrer über aktuelle Verkehrsstörungen, die Staulängen und –ursachen sowie mögliche Wartezeiten. Wir leisten Pannenhilfe oder holen bei Bedarf die ADAC Straßenwacht, helfen bei Unfällen den Verletzten, Polizei und Rettungskräften und stehen den Geschädigten beruhigend zur Seite. Zusätzlich versorgen wir die Leute im Stau mit Getränken, Knabbereien und die Kinder mit Spielsachen.
Warum wird man Stauberater?
Der Hauptgrund ist sicherlich der Wunsch zu helfen und die konkrete Hilfeleistung an sich. Man opfert dafür ja seine Freizeit, oft an den schönsten Wochenenden des Jahres. Die Belohnung ist die Dankbarkeit und das Lächeln der Leute, wenn man ihre Fragen beantworten oder ihr Problem lösen konnte.
Wie kann man Stauberater werden?
Grundsätzlich kann jeder Stauberater werden, wenn er die genannten Kriterien erfüllt – egal ob Mann oder Frau. Diese Tätigkeit ist allerdings nicht als Zeitvertreib oder Job nebenbei gedacht, sondern muss mit Herzblut und hohem persönlichen Einsatz wahrgenommen werden. Wer dazu nicht bereit ist, sollte lieber etwas anderes machen. Wer sich dennoch angesprochen fühlt, kann sich gerne mit mir in Verbindung setzen. Für die Saison 2011 und folgende suchen wir noch Neueinsteiger, die sich diese Aufgabe zutrauen und auch menschlich ins Team passen. Bei Interesse kann man mich über meine Büro-Nummer 089/5195168 kontaktieren.