Arme Leute gibt es auch in der mit Reichen gesegneten Landeshauptstadt München. 178.000 Frauen, Männer und Kinder sind „von Armut betroffen”, wie es im Deutsch von Politikern und Statistikern heißt. Das zum Besseren zu ändern, wirbt die Stadt mit dem Slogan „München gegen Armut“. Sie will Münchnerinnen und Münchner motivieren, sich für das „Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ zu engagieren. Bei der Bürgerversammlung Schwanthalerhöhe wies Josef Schmid, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Stadtrat, auf diese Aktion hin und rief dabei die „Schwanthalerhöher“ dazu auf, die Idee zu unterstützen.
Schmid leitete am vorigen Donnerstagabend die gut besuchte Bürgerversammlung im Pfarrheim St. Rupert. Bei der konnten sich, wie üblich, anwesende Bewohnerinen und Bewohner des Viertels zu Wort melden und Anträge stellen. Das Thema „Armut“ zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung. Ludwig Wörner (SPD), Vorsteher des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe (BA 8), zum Beispiel, erklärte, der achte Stadtbezirk sei ein Quartier mit einer hohen Armutsquote. So seien auf der Theresienhöhe 1.800 neue Wohnungen entstanden. Es finde dort ein Wandel in der Bevölkerung statt. Sie bestehe in immer stärkeren Maße aus Zuwanderern. Deshalb fordere er einen neuen weiterführenden Schultyp im Viertel für zugezogene Familien und deren Kinder. Die seien meist Hauptschüler oder Schulabbrecher. Viele wüssten nach dem Unterricht mittags nicht wohin. Wörner: „Wir wollen als BA eine neue Schule gemeinsam auf den Weg bringen. Es geht um die Kinder.“
800 Euro für Kinderbetreuung
Aufgebracht war ein Vater, der berichtete, er habe für seinen dreijährigen Sohn weder einen Platz in einer städtischen Kinderkrippe noch in einem Kindergarten bekommen. Deshalb müsse er im Monat 800 Euro dafür ausgeben, dass sein Kind in eine einigermaßen erträgliche Obhut käme. Der Mann sieht das so: „Wir zahlen tausende Euro Steuern und Sozialabgaben. Aber wenn wir den Staat mal brauchen, gibt es nur Achsel- und Schulterzucken.” Der Vater will einen verstärkten Ausbau von Kinderkrippen- und Kindergartenplätzen. Überdies beantragte er, dass solche Einrichtungen bis 18 Uhr geöffnet sein müssten, weil nur das Arbeitnehmern entgegenkäme. Und er regte an, den Stichtag für die Kindergarteneinschreibung zum 30. Oktober flexibler zu handhaben, damit sich ältere Kinder in der Krippe nicht länger als nötig langweilen müssten. Alle Anträge wurden von der Bürgerversammlung mehrheitlich verabschiedet.
Peter Schäfer, mit Andrea von Grolman Initiator der Mieterinitiative „Bezahlbares Wohnen“ für die Moll-Blocks, sieht einen Hauptgrund für Armut in den überaus hohen Münchner Mieten. Insofern verstärkten Vermieter das „Risiko für Armut“. Schäfer will von der Verwaltung wissen, wie weit im Westend die Gentrifizierung – das meint den Zuzug neuer Bewohnerschaften und eine politisch gewünschte, gezielte Aufwertung des Wohnumfeldes durch Restaurierungs- und Umbautätigkeiten, was bestehende einkommensschwache Bevölkerungsstrukturen verändert – fortgeschritten sei. Peter Schäfer: „Wohnungen werden aufgehübscht, verteuert und anschließend die Leute, die dort wohnten, vertrieben.“
Der Initiativ-Gründer will überdies darüber informiert werden, was die Stadt dagegen tun könne, die Erhaltungssatzung auszuhebeln. Weil immer mehr aufwendig sanierte Wohnungen trotz Wohnungsknappheit leer stünden, wittert er hinter dem Vorgang ein System. Das wirke sich negativ auf den Mietspiegel und gegen die Mieter aus. Schäfer: „Da wird noch was auf die Schwanthalerhöhe zukommen. Viele Menschen, die hier wohnen, werden sich das Viertel nicht mehr leisten können.“ „Leerstand darf nicht sein“, pflichtete Wörner bei und versprach: „Wir gehen der Sache nach.“
„Demokratische Spielregeln“
Zur Unruhe in der Mietergemeinschaft der Moll-Blöcke – 169 Mieter wehrten sich in einer Unterschriftenaktion gegen eine 20-prozentige Mieterhöhung – äußerte sich Wörner unmissverständlich: „Es kann nicht sein, dass die Familie Moll Menschen, die sich deshalb zu Wort melden, als Rädelsführer beschimpft. Dagegen verwahren wir uns als Bezirksausschuss. Das werden wir nicht durchgehen lassen.“ Es sei legitim, sich innerhalb demokratischer Spielregeln zur Wehr zu setzen. Alles andere sei der Demokratie abträglich. Wörner: „So ein System hat es schon einmal gegeben.“
Einstimmig angenommen wurde der Antrag von Ingrid Pfaue (SPD), die U 4 in den späten Abendstunden zumindest bis zur Haltestelle Westendstraße fahren zu lassen. Ulf Ball von der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) machte den Versammelten jedoch wenig Hoffnung, dass der Wunsch verwirklicht werden könnte. „Die U 4 ist die Verstärkerlinie für die U 5. Sie wird nur dann eingesetzt, wenn die Nachfrage dem entspricht. Sonst sparen wir sie ein.“
Andreas Lackermeier, Kirchenpfleger an der Gemeinde St. Rupert brach eine Lanze für den „Eiermann“. Der bietet Freitagvormittags frische Landeier und Geflügel in der Gollierstraße an und wird dabei stets von der sogenannten Parkraumüberwachung aufgeschrieben und vertrieben. Der Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung, Hartmut Hilbich, hat offenbar etwas übrig für langjährige Traditionen. Er kündigte an: „Wir werden einen Parkplatz für den Eiermann finden.“ Enttäuscht wurde Angelika Füßl-Geier. Der Antrag der Mutter von drei Kindern, die von Beruf Hebamme ist, die Einbahnstraßenregelung im Bereich der Barth-, Westend- und Astallerstraße zu überdenken, und so Umwege zu vermeiden, ist von der Bürgerversammlung nicht angenommen worden.