Derzeit ist das großflächige Karree zwischen Dachauer-, Schwere-Reiter-, Heß- und Lothstraße geprägt von alten Gewerbebauten, Baracken und Hallen. Zum Teil wurden bereits Gebäude abgerissen, so dass dazwischen große, kiesige Freiflächen entstanden sind. In den nächsten Jahren soll dort ein neues Quartier mit Eigentumswohnungen, Sozialwohnungen und einem Kreativzentrum entstehen. Für die rund 30 Künstler, die mitten in diesem Gebiet an der Dachauer Straße 110g seit vielen Jahren ihre Ateliers haben, ist der Verbleib ungewiss. Sie wünschen sich, dass das Atelierhaus nicht abgebrochen sondern in das Neubaugebiet integriert wird und sie ihre Räume weiter nutzen können. Mitglieder des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg (BA 9) kamen in der vergangenen Woche zu einer Ortsbegehung und sicherten der Künstlerkolonie zu, ihr Anliegen zu unterstützen.
1992 waren die ersten Künstler in das Atelierhaus eingezogen. Eine Zwischennutzung sollte es sein, die das Kommunalreferat als Vermieter dort anbot. Im Gespräch waren zuerst fünf bis sieben Jahre, dann wurde der Vertrag immer wieder verlängert. Inzwischen sind daraus 18 Jahre geworden. „Nach so langer Zeit fühlt man sich nicht mehr als Zwischennutzer”, konstatierte Dieter Villinger. Der Grafiker und Maler gehört zum Vorstand des frisch gegründeten Vereins „Atelierhaus Dachauer Straße”, durch den die dort arbeitenden Künstler ihre Interessen bündeln und besser vertreten möchten. Unverständlich ist ihnen vor allem, dass zwar kreatives Leben in dem geplanten Quartier ausdrücklich erwünscht ist, eine bestehende, funktionierende Kreativzelle jedoch zerstört werden soll.
Die Kündigung hängt wie ein Damoklesschwert über der kleinen Gemeinschaft. Erst habe es geheißen, am Ende des Jahres wäre Schluss, berichtete Dieter Villinger. Nun habe ein Schreiben des Kulturreferats einen Verbleib bis Frühjahr 2013 in Aussicht gestellt. „Wohin und ob es beruflich dann weitergeht, steht in den Sternen”, meinte Cosy Piero. Die 69-Jährige nutzt im Keller einen der Lagerräume zur Vorbereitung ihrer Rauminstallationen. Selbst wenn in den Plänen ein Atelierneubau vorgesehen würde, so kämen wahrscheinlich gar nicht alle dort unter, überlegte sie. Zudem sind die Räume im Atelierhaus sehr günstig. Rund 300 Euro kostet ein Atelierzimmer. Teure Neubauräume kann sich kaum einer der Kunstschaffenden leisten. „Die kaputten Fenster sind mir egal. Ich wüsste nicht, wo ich sonst einen Stellraum finden sollte”, bemerkte auch Caterina Albert, die in ihrem Atelier viele Utensilien einfach hinter einem großen Vorhang aufbewahrt.
Wie man sich in das Neubaugebiet integrieren könnte, dazu haben die Atelierhaus-Künstler schon einige Ideen. „Wir würden eine Malschule für Kinder machen”, so Caterina Albert. „Die Substanz des Hauses ist gut. Wir brauchen keine Designerknöpfe”, machte Dieter Villinger deutlich.
Roland Zintl, der Unterausschussvorsitzende Kultur im BA, hat das Atelierhaus schon einige Male besucht. „Auf der einen Seite will man ein Kreativzentrum schaffen, auf der anderen Seite zerstört man eine gewachsene Struktur. Hier hätten wir schon einen Baustein und der soll weg. Das ist widersinnig”, betonte er. „An uns soll es nicht liegen”, versicherte BA-Vorsitzende Ingeborg Staudenmeyer, „Wir werden uns dafür einsetzen. Ich will nicht sagen, dass wir sofort Erfolg haben, aber wir versuchen es.” Schließlich habe man sich auch für den Erhalt der Jutier- und Tonnenhalle eingesetzt und etwas bewirken können. Sie erläuterte den Künstlern, dass nach dem Eckdatenbeschluss für den Bebauungsplan ein europaweiter Wettbewerb ausgeschrieben werde. Vielleicht könne man bei Vorgesprächen dazu, das Atelierhaus bereits als feststehende Einheit installieren, überlegte sie. Außerdem empfahl sie der Gemeinschaft, in dem von der Straße doch ziemlich weit entfernten Haus keinen Dornröschenschlaf zu halten. „Von Euch erwarte ich, dass Ihr Euch mehr in der Öffentlichkeit sehen lasst”, sagte sie. „Ihr müsst im Gespräch sein.”
Das Atelierhaus und seine Künstler kann man übrigens im Sommer näher kennen lernen. Die Künstler laden die Bevölkerung ein, bei den „Offenen Ateliers” am 9., 10. und 11. Juli ihre Arbeitsstätten zu besuchen und ihre Werke zu besichtigen.