„Ich bin ein höflicher und toleranter Mensch. Doch es gibt eine Grenze, da ist Schluss“, beschreibt sich Pasings berühmter Knödelschütze und Träger des ersten Karl-Valentin-Ordens, Helmut Winter selbst. 90 Jahre wurde er am Donnerstag, 3. Dezember, alt - ein willkommener Anlass, sein Leben zu beleuchten. Schließlich galt der gelernte Werbe-Grafiker seit 1967 als Urvater der bayerischen Bürgerinitiativen. Damals starteten Starfighter vom Fliegerhorst Fürstenfeldbruck und durchbrachen in rund 500 Fuß Höhe genau über Pasing die Schallmauer.
„Die Entscheidung, dagegen was zu tun, fiel ganz spontan“, erinnert er sich. Er saß gerade an einem wichtigen Großauftrag und stellte mit Tusche die letzten Striche her, als mit viel Getöse eine Fliegerstaffel „durchs Wohnzimmer“ flog. Fenster, Gläser – alles erzitterte, „und auf meiner Zeichnung waren nur noch Kleckse. Alles umsonst, die ganze Arbeit!“
Wütend fuhr er in die Anzeigenabteilung der Abendzeitung und gab unter der Rubrik „Hallo, bitte melden“ folgendes auf: „Flugabwehrgeschütz mit ausreichender Munition gesucht zur Wiederherstellung der Ruhe und Ordnung im westlichen Luftraum.”
Damit begann alles. „Von da ab standen wir unter Bewachung. Positive Reaktionen kamen eigentlich nur aus dem Ausland. Aus München kam entweder nichts oder Misstrauen“, erinnert sich Winter. Viele Schutzengel hätte er gehabt und einige Helfer „ganz oben bei der Polizei“, sonst wäre er sicher im Gefängnis gelandet, wie er vermutet. „Das ganze Leben ist eben ein Risiko. Hinterher kann man sich nur wundern, wie man überall wieder raus gekommen ist.“
Letztendlich habe er seine eigene Abwehr in Form der Knödelschleuder gebaut, mit der er die Tiefflieger beschoss. Seine ungewöhnliche Aktion erregte in der ganzen Welt Aufmerksamkeit. Sogar aufs Titelblatt des San Francisco Chronicle schaffte er es. Ein amerikanisches Filmteam übertrug einen Beitrag über „Mister Knödel“ in 72 Ländern. Auch zur Weltausstellung 1967 in Montreal reiste die Schleuder.
„Aber die Knödelgeschichte ist nur ein Teil meines Lebens“, sagt Winter bescheiden. „Ich habe so viel gekämpft und mir den Mund dabei verbrannt.“ Auch ganz aktuelle Beispiele kann er anführen. „Mit Ulla Schmidt, der Ex-Gesundheitsministerin, lag ich ganz verquer. Da gibt es viel Schriftwechsel, weil mich die Sache mit der Gesundheitsreform so aufgeregt hat”, gibt er zu.
Egal, ob Ungerechtigkeiten mit Behörden, Reformen, Rentensätze, Bankenkrise, das Aus für Quelle – Winter hält Zivilcourage für einen ganz wichtigen Charakterzug. „Jeder muss mitdenken, aufmerksam sein, sich kümmern und für seine Interessen kämpfen. Wo kommen wir denn hin, wenn wir immer alle schweigen?“ Und noch eins möchte er gerne seinen Mitmenschen näher bringen: „Den Humor! Es ist eine Pflicht, Humor zu haben!“
Auch wenn einem dabei das Lachen oft im Halse stecken bleiben will. „Gerade vor unserer Haustür ärgert mich besonders viel“, meint er. Die Sache mit der U-Bahn und dem Schmarren mit der Tram. „Die NUP war schon 1969 geplant, viel umweltverträglicher übrigens als jetzt, nämlich als Tunnel“, so Winter.
Seinem Pasing zuliebe hat er sich oft mit den wechselnden Münchner Oberbürgermeistern angelegt. Seine Schreiben an Christian Ude mit dem Titel „Werden wir in Pasing in die Pfanne gehauen?“ schaffte es dabei auch in die Presse, ohne dass die Aktionen viel ausgerichtet hätten. Einzig Hans-Jochen Vogel meinte einmal anerkennend zu ihm: „Solche Leute wie Sie brauchen wir mehr.“