Veröffentlicht am 26.11.2009 13:24

„Eine fast normale Lebenserwartung”

Engagieren sich in der Präventions- und Betreuungsarbeit der Münchner Aidshilfe: (hinten v.l.) HipHopper Ifeanyi Okolo, Geschäftsführer Thomas Niederbühl, Betreuungsleiter Michael Tappe, Marion Hölczl, TV-Star Giovanni Arvaneh, (vorne v.l.) Antje Sanogo und Tzeggereda Mikreteab. (Foto: SE)
Engagieren sich in der Präventions- und Betreuungsarbeit der Münchner Aidshilfe: (hinten v.l.) HipHopper Ifeanyi Okolo, Geschäftsführer Thomas Niederbühl, Betreuungsleiter Michael Tappe, Marion Hölczl, TV-Star Giovanni Arvaneh, (vorne v.l.) Antje Sanogo und Tzeggereda Mikreteab. (Foto: SE)
Engagieren sich in der Präventions- und Betreuungsarbeit der Münchner Aidshilfe: (hinten v.l.) HipHopper Ifeanyi Okolo, Geschäftsführer Thomas Niederbühl, Betreuungsleiter Michael Tappe, Marion Hölczl, TV-Star Giovanni Arvaneh, (vorne v.l.) Antje Sanogo und Tzeggereda Mikreteab. (Foto: SE)
Engagieren sich in der Präventions- und Betreuungsarbeit der Münchner Aidshilfe: (hinten v.l.) HipHopper Ifeanyi Okolo, Geschäftsführer Thomas Niederbühl, Betreuungsleiter Michael Tappe, Marion Hölczl, TV-Star Giovanni Arvaneh, (vorne v.l.) Antje Sanogo und Tzeggereda Mikreteab. (Foto: SE)
Engagieren sich in der Präventions- und Betreuungsarbeit der Münchner Aidshilfe: (hinten v.l.) HipHopper Ifeanyi Okolo, Geschäftsführer Thomas Niederbühl, Betreuungsleiter Michael Tappe, Marion Hölczl, TV-Star Giovanni Arvaneh, (vorne v.l.) Antje Sanogo und Tzeggereda Mikreteab. (Foto: SE)

Zu ihrem 25-jährigen Bestehen kann die Münchner Aids-Hilfe mit weitgehend guten Nachrichten aufwarten: „Seit etwa zwei Jahren ist die Zahl an HIV-Neuinfektionen in Deutschland annähernd stabil”, erklärt Michael Tappe, Leiter der Beratungsstelle. Positiv ist daran, dass keine weitere Steigerung zu verzeichnen ist, wie es noch zu Beginn des neuen Jahrtausends der Fall war. Das Robert-Koch-Institut errechnete für 2009 eine Zahl von rund 3000 Neuinfektionen deutschlandweit. In München haben sich in diesem Jahr nach Angaben der Aids-Hilfe bisher 91 Menschen mit dem Virus angesteckt.

72 Prozent der HIV-Neudiagnosen entfallen auf homosexuelle Männer, 20 Prozent auf den heterosexuellen Übertragungsweg und acht Prozent aller Erkrankten infizieren sich durch Drogengebrauch. „In unserer Präventionsarbeit konzentrieren wir uns deshalb vor allem auf die Beratung homosexueller Männer”, berichtet Tappe. Im „checkpoint münchen” (Lindwurmstraße 11) bieten die Mitarbeiter der Münchner Aids-Hilfe intensive Beratung zu HIV-Risiken und einen HIV-Schnelltest an, der 26 Euro kostet, aber erst sechs Wochen nach einer potentiellen Ansteckung aussagekräftig ist. Nach 20 bis 30 Minuten erhält der Ratsuchende sein Ergebnis. Einen kostenlosen und anonymen HIV-Test können Münchner auch in der Beratungsstelle zu sexuell übertragbaren Infektionen des Referates für Gesundheit und Umwelt (Bayerstr. 28 a) machen lassen. Hier dauert es allerdings drei bis vier Arbeitstage, bis das Ergebnis vorliegt.

Kein Risiko im Alltag

Inzwischen sei zwar die öffentliche Aufmerksamkeit für die Krankheit und das Ansteckungsrisiko relativ groß, dennoch sei HIV in der Gesellschaft nach wie vor noch nicht präsent, so Tappe. Immer noch müssten viele Menschen mit positiver HIV-Diagnose um ihren Arbeitsplatz fürchten oder erleben, dass ihre Kollegen sie aus Angst vor Ansteckung meiden. „Dabei besteht im alltäglichen Kontakt mit HIV-Infizierten kein Risiko, sich anzustecken”, erläutert der Leiter der Beratungsstelle.

Hinzu kommt, dass man heutzutage mit einer HIV-Infektion eine fast ganz normale Lebenserwartung hat: „Menschen mit positiver HIV-Diagnose, die richtig behandelt werden, leben in etwa so lange, wie Menschen, die an Diabetes leiden”, berichtet Tappe. Aber auch darüber wüssten nur wenige Bescheid. Bei Personen, die sich mit einer Infektion konfrontiert sehen, greifen oft althergebrachte Ängste: „Viele Betroffene sind im ersten Moment davon überzeugt, dass sie nicht mehr lange zu leben haben und nie wieder eine normale Beziehung führen können”, so die Erfahrung des Betreuers. Gerade deswegen sei es wichtig, dass erfahrene Berater vor Ort sind, die sich nach einer positiven Diagnose um den Betroffenen kümmern.

Neue Zielgruppe

Neben den homosexuellen Männern bemüht sich die Münchner Aids-Hilfe seit diesem Jahr auch um eine weitere Zielgruppe, deren Ansprache sich schwierig gestaltet. Es handelt sich um Personen, die aus so genannten Ländern mit einer hohen HIV-Prävalenz in der heterosexuellen allgemeinen Bevölkerung stammen. Sie machen rund zwölf Prozent aller Neuinfektionen aus und stammen meist aus Afrika. Für diese Zielgruppe sei gute HIV-Prävention aus mehreren Gründen schwierig: Zum einen verfügen sie häufig aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse über einen schlechteren Zugang zu Aufklärungs- und Präventionsangeboten.

„Zum anderen ist HIV und Aids in Afrika ein absolutes Tabuthema. Infizierte Familienmitglieder müssen dort wie hier mit Ausgrenzung und Stigmatisierung rechnen”, erklärt Antje Sanogo von der Münchner Aids-Hilfe. Sie hat zusammen mit der gebürtigen Afrikanerin Tzeggereda Mikreteab eine spezielle Broschüre zur Information der Zielgruppe entwickelt. Zudem betreiben die beiden Frauen intensive Netzwerkarbeit in der afrikanischen Gemeinde in München. „Wir bemühen uns auch darum, explizit die Eltern anzusprechen, die wiederum Multiplikatoren für ihre Kinder sein sollen”, so Sanogo.

Eine afrikanische Krankheit?

Afrikaner würden in Deutschland, auch unabhängig von HIV und Aids, häufig als Krankheitsträger angesehen, berichtet Mikreteab. Sie selbst sei, nachdem sie bereits mehrere Jahre in Deutschland gelebt habe, einmal wegen einer Hautkrankheit zum Arzt gegangen. „Er hat sich das angesehen und einfach behauptet, dass ich eine afrikanische Krankheit hätte, ohne mich überhaupt zu fragen, seit wann ich darunter leide oder unter welchen Umständen ich lebe. Er hat allein aufgrund meiner dunklen Hautfarbe geurteilt”, schildert sie.

In Afrika selbst werden HIV und Aids häufig als „Weiße-Mann-Krankheit” bezeichnet, wie HipHopper Ifeanyi Okolo berichtet. Er will sich dafür einsetzen, dass Teile der Einnahmen aus der Fußballweltmeisterschaft 2010, die in Südafrika stattfindet, in regionale Projekte zur Aids-Bekämpfung und Prävention gesteckt werden. Dafür hat er einen eigenen Song entwickelt, in dem er als Mr. Condom auftritt.

Aktionen zum Welt-Aids-Tag

Zum Welt-Aids-Tag, der traditionell am 1. Dezember stattfindet, soll der HIV-Infizierten und Toten gedacht werden. Es soll auch daran erinnert werden, dass trotz guter Behandlungsmöglichkeiten nach wie vor Menschen an Aids sterben: Im Jahr 2008 waren es deutschlandweit 550. Im Rahmen des Welt-Aids-Tages initiiert die Münchner Aids-Hilfe wieder zahlreiche Veranstaltungen, wie beispielsweise den Candle-Light-Walk, die dritte Münchner Aids-Tanz-Gala oder den rosa Weihnachtsmarkt „Pink Christmas” auf dem Stephansplatz.

Zudem kann zum zwölften Mal in Folge der Aids-Teddy für eine Spende ab sechs Euro erworben werden. Angeboten wird der Teddy seit Donnerstag unter anderem am Stand der Münchner Aids-Hilfe am Sendlinger Tor. Zahlreiche Prominente wie Giovanni Arvaneh aus der TV-Serie Marienhof oder TV-Moderatorin Ramona Leiß unterstützen die Aktion tatkräftig. Weitere Informationen zu den Aktionen sind im Internet erhältlich unter www.muenchner-aidshilfe.de .

„Staat lernt dazu”

Thomas Niederbühl, Geschäftsführer des Vereins Münchner Aids-Hilfe, freut sich, auf die erfolgreiche Arbeit der letzten 25 Jahre zurückblicken zu können: „Besonders, wenn ich daran denke, wie schwierig die Anfangszeit in Bayern war, haben wir viel erreicht.” Der Staat habe dazu gelernt und gebe inzwischen auch viel Geld für die HIV-Prävention aus. Für das bayerische Präventionsprojekt „Hand in Hand. Gegen AIDS”, das die Aufklärung von Migranten sowie Jugendlichen zum Ziel hat, standen in diesem Jahr zusätzlich 100.000 Euro zur Verfügung.

Zudem unterstützte der Freistaat die Deutsche Aids-Stiftung mit 150.000 Euro. Mit insgesamt rund 3,7 Millionen Euro stellt Bayern bundesweit die meisten Mittel zur Eindämmung von Aids zur Verfügung. Dennoch muss die Münchner Aids-Hilfe neben den staatlichen und kommunalen Zuschüssen im Jahr bis zu 500.000 Euro überwiegend aus Spenden aufbringen, um ihre Angebote aufrecht erhalten zu können.

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