Veröffentlicht am 23.03.2020 11:20

Wie gehen Sie mit der „Zwangspause” um?

Gerlinde Wouters. (Foto: pr)
Gerlinde Wouters. (Foto: pr)
Gerlinde Wouters. (Foto: pr)
Gerlinde Wouters. (Foto: pr)
Gerlinde Wouters. (Foto: pr)

Die gegenwärtige Situation mit ihren Einschränkungen ist für uns alle neu. Neben der Sorge um die eigene Gesundheit und vielleicht sogar die wirtschaftliche Existenz sind ganz neue Alltagsaufgaben zu bewältigen: Kinder können nicht in Kita und Schule, Geschäfte und Einrichtungen sind geschlossen, Berufstätigkeit muss von Zuhause aus organisiert werden und, und, und …

Wir haben Menschen in unseren Vierteln gefragt: Wie gehen Sie mit dieser Situation um? Erleben Sie vielleicht sogar positive Seiten - mehr Zeit für die Kinder, weniger Hektik, Konzentration auf Wesentliches? Vielleicht beteiligen Sie sich ja sogar an einer der vielen Nachbarschaftshilfsprojekte, die gerade entstehen? Oder gehören Sie zu denen, die jetzt gerade besonders stark gefordert sind?

„Fotokiste durchstöbert und Geschichten dazu erzählt“

Alexandra Gaßmann, Stadträtin München (sozial- und familienpolitische Sprecherin der CSU-Fraktion):

Da die jüngsten Kinder schon von einem Tag zum nächsten Tag nicht mehr in die Schule gehen durften, begannen die ersten Tage durchaus holprig und das mit dem Homeschooling spielte sich erst später ein. So waren die Arbeitsaufträge der Lehrer auf verschiedensten Kanälen zu finden. Doch auch das hat sich mittlerweile eingespielt.

Wir haben uns zusammen auf klare Strukturen im täglichen Miteinander in dieser Zeit geeinigt. Es gibt feste Aufsteh- und Lernzeiten. Klar ist auch, dass im Haushalt nun noch mehr mitgeholfen werden muss. Was aber besonders gut ankommt, sind die Zeiten des „Lebenspraktischen Lernens“. So wird Kuchen gebacken, genäht, gebügelt, gekocht und das auch mit viel Wissenswertem aus dem Erfahrungsschatz der Eltern. Da wurde am Anfang ein einfacher Kuchen gebacken und Tage später versuchte sich der 12-Jährige an einer Erdbeersahnetorte, die großen Anklang in der Familie fand.

Zeit miteinander zu verbringen hat auch wunderbare Seiten. Erst an diesem Wochenende haben wir allesamt eine Kiste mit alten, zum Teil Schwarz-Weiß-Fotos durchstöbert und Geschichten dazu erzählt. Eine stundenlange Beschäftigung, ganz ohne digitale Medien und das bei Kaffee und selbstgemachtem Kuchen.

Leider dürfen Angehörige nicht besucht werden und so telefoniert der eine oder andere. Unsere Kinder haben zusätzlich der Tante und dem Onkel einfach einen Brief geschrieben. Die wiederum haben sich so gefreut und geantwortet, sodass die Kinder nun jeden Tag warten, bis der Briefträger kommt. Eine Erinnerung, die ich aus meiner Kindheit sehr gut kenne, denn ich hatte einen Brieffreund in Kalifornien.

Nun wünsche ich allen Lesern, dass sie bei guter Gesundheit und dass wir das Ganze gut gemeinsam überstehen.

„Fotografierte Stillleben per E-Mail”

Elsbeth Zeitler, Rektorin der Mittelschule an der Wiesentfelser Straße :

Gerne möchte ich von unseren Schülern mitteilen, dass sie sich in den „Zwangsferien” wirklich sehr positiv verhalten haben. Fast alle haben sich am Unterrichtsangebot ihrer Lehrer beteiligt. Es gab neben Lernstoff auch Bewegungsanleitungen und Kreativangebote. So haben wir einen Kunstwettbewerb für ein Stillleben ausgerufen. Es haben mir sehr viele Schüler und Schülerinnen aus allen Jahrgangsstufen ihr fotografiertes Stillleben per Mail zugeschickt. Teilweise richtig originelle Werke. Wir möchten gern mit einer Jury nach Wiederaufnahme des Schulbetriebs die Sieger küren.

„Alltag auf den Kopf gestellt“

Bernd Wanka, CSU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Karlsfeld:

Die Corona-Krise hat wie bei vielen auch bei mir den Alltag ordentlich auf den Kopf gestellt. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel telefoniert, wie in den letzten fünf Wochen. Das ist meine prägendste Erkenntnis eines auf den Kopf gestellten Alltags. Es sind gute 15 Stunden pro Woche, die seit dem 17. März 2020 in die Organisation einer Abteilungsleitung mit 13 Mitarbeiter aus dem Home-Office mit Telefon- und Videokonferenzen fließen. Trotzdem ist mein dienstlicher und privater Kalender so gut wie leer. Als Risiko-Patient bin ich im Moment allerdings mehr isoliert, als mir lieb ist. Erledigungen außer Haus sind kompliziert und vorbereitungsintensiv. Plötzlich hat man Freizeit, ersparte Pendelzeit ins Büro, aber auch durch abgesagte Termine und Sitzungen. Diese Zeit kann man aber nur mit bestimmten Aufgaben füllen. Ich lese meinen gut 30 Bücher starken Stapel ab, der sich durch Spontankäufe gebildet hatte und zu dem man im Vor-Corona-Alltag nicht kam. Das schöne Wetter lockt mich in das angrenzende Schwarzhölzl, wo ich Ruhe und Entspannung genieße. Eines bildet sich aber nach fünf Wochen bereits jetzt deutlich heraus: Der Alltag nach Corona wird nicht mehr der gleiche sein wie zuvor. Die Zahl der dienstlichen Flugreisen wird sicher weniger, digitale Konferenzen mehr und der Wert des Faktors Zeit ist einem wieder bewusster geworden.

„Bin dankbar“

Monika Neidhardt, Teamsprecherin des Katholischen Frauenbundes Zweigverein Maria Himmelfahrt Allach:

Ganz persönlich komme ich mit den veränderten Gegebenheiten mal mehr oder weniger gut zurecht. Ich bin dankbar, dass es mir und meiner Familie gesundheitlich gut geht. Ich bin dankbar für die vielen Menschen, die sich für andere einsetzen – sei es im Krankenhaus, in der Pflege, in der Betreuung für Leute in der Quarantäne, in Geschäften, in der Politik. Schmerzlich war Ostern ohne Kinder, Enkel und Eltern und ohne Gottesdienste. Osterfreude wollte sich nicht so richtig einstellen, auch gestreamte Gottesdienste waren ein schwacher Ersatz, da jegliche festliche Komponente fehlte. Doch ist die Auferstehung Jesu für mich und die Familie ein großes Zeichnen der Hoffnung: Es kann nur besser werden.

Seit dem Fasching musste vieles ausfallen: der Bücherbasar, der Nachhaltigkeitsworkshop, die Fastenwanderung, der von uns gestaltete Kreuzweg in der Kirche. Auch unser Ausflug im Mai musste abgesagt werden. Normalerweise feiern wir Ende April den Tag der Diakonin für die Weihe der Frauen zur Diakonin mit einem Gottesdienst und Treffen, aber ich denke, ideologische Fragen sind zurzeit nicht so wichtig und wir feiern im nächsten Jahr. Zum Palmsonntag hatten einige unserer Frauen die gute Idee, Palmbuschen jede für sich zu Hause zu binden. Im Gemüseladen Korkisch konnten diese verkauft werden. Zusammen mit der Bäckerei Schuhmair hatten wir in der Fastenzeit die Solibrot-Aktion des Hilfswerkes Misereor und des KDFB ins Leben gerufen. Die Bäckerei verkaufte Brot als Solibrot mit einem Aufschlag von 50 Cent. Diese 50 Cent kommen jeweils einem besonderen Projekt zugute. Wir werden den gespendeten Betrag ordentlich aufstocken, um auch den Ärmsten der Armen zu helfen, vor allem auch in den Corona-Zeiten, wo in den armen Ländern wenig oder keine Gesundheitsvorsorge betrieben werden kann und die Menschen raus müssen, um sich das tägliche Brot für ihre Familien irgendwie zu verdienen.

Ich freue ich mich auf die Zeit, wenn es wieder Treffen im Team und Veranstaltungen mit unseren Frauen geben kann. Wann das sein wird und wie das genau aussehen kann, ist noch ein großes Fragezeichen, zumal die meisten Frauen im Frauenbund aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe gehören und das in Zukunft vielleicht besondere Vorsichtsmaßnahmen braucht.

„Viel Zeit zum Nachdenken“

Franz Trinkl, SPD-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Karlsfeld:

Für uns Politiker war das eine Vollbremsung. Eben noch im Kommunalwahlkampf mit täglichen Terminen und nun: Schluss. Normalerweise habe ich in ruhigen Wochen auch einige politische Außer-Haus-Termine. Einige davon gibt es nun als Videokonferenz. Und man glaubt es kaum, aber ich vermisse meine Parteifreunde und die anderen natürlich auch sehr. Die Zeit zuhause erlebe ich nun sehr intensiv mit der Familie. Wir haben unsere Brettspiele wieder herausgekramt. Auch eine Patience lege ich mir dann und wann. Das habe ich schon seit vielen Jahren nicht mehr gemacht. Ich bin als jemand mit Garten und Terrasse privilegiert, gerade bei diesem schönen Wetter. Und Radlfahren, mein großes Hobby, ist ja noch erlaubt. Ich habe mich auch für den einen oder anderen Online-Kurs angemeldet, zum Beispiel trainiere ich mein Italienisch. Es gibt also viel Zeit zum Nachdenken, auch darüber, was sich alles nach dieser Krise ändern wird und sollte.

„Unsere Gesellschaft lernt aus dieser belastenden Zeit viel”

Ulrike Bauer, Rektorin der Plinganser-Grundschule in Sendling:

Eigentlich wären jetzt Osterferien – eigentlich würde ich mich auf die lang ersehnte Studienreise mit meiner älteren Tochter vorbereiten, eigentlich wahrscheinlich nicht hier in der Schule am PC sitzen und die vielen Unterlagen der administrativen Schulanmeldung sortieren, mich wahrscheinlich nicht riesig auf die halbe Stunde joggen im Park freuen. Eigentlich – wäre da nicht „Corona“. Das neue Virus hat unseren Alltag, ja unser ganzes Leben, die ganze Welt durcheinandergewirbelt. Die absolut notwendige und wichtige Ausgangsbeschränkung wirkt sich sehr auf unser tägliches Leben aus. Nie hätte ich gedacht, dass einmal in ganz Deutschland alle Schulen schließen müssen. Und jetzt ist es soweit. Alle unsere Schüler, unsere Plingänse, dürfen nicht in die Schule. Gott sei Dank haben wir die Schulschließung kommen sehen und uns darauf vorbereitet. Die Kinder haben schon vorab Material bekommen und werden von uns auch weiterhin auf vielen unterschiedlichen Wegen mit Arbeitsaufträgen, Bastelarbeiten, Spielen, Filmen, Videos, Quizblättern, Unterrichtssequenzen, Übungen, Wettbewerben und Ideen versorgt. Für viele ist es – nach manch anfänglicher Begeisterung – sehr schwer, keine Freunde treffen zu dürfen und daheim bleiben zu müssen. Daher sehen wir Lehrer unseren Auftrag darin, den Kindern und Eltern viele sinnvolle Beschäftigungsanregungen zu geben. Ich denke viel an „meine“/unsere Kinder und hoffe, dass es allen gut geht. Bei allen Sorgen und Nöten, die die Coronakrise mit sich bringt, gibt es für mich – wie eigentlich immer im Leben – auch positive Aspekte. Ich denke, dass unsere Gesellschaft aus dieser belastenden Zeit viel lernt. Durch den Shutdown kehrt wieder ein bisschen mehr Ruhe und Besinnung auf das Wesentliche ein, die Leute nehmen die nahe Umwelt und den Wert von Familie und Freunden wieder besser wahr, wir werden ein bisschen dankbarer, für die Freiheit, die wir (sonst ja fast uneingeschränkt) genießen können. Eltern haben wieder mehr Zeit für ihre Kinder und können (bzw. müssen) sich intensiv mit ihren Kindern beschäftigen. Es freut mich immer sehr, wenn ich jetzt bei uns im Park Väter und/oder Mütter mit ihren Kindern sehe, wie sie gemeinsam laufen gehen, spazieren, Fahrrad fahren oder auch Inline skaten – so viele habe ich früher nie so intensiv zusammen gesehen. Im Supermarkt und auf den Straßen sind die Leute meinem Empfinden nach ruhiger, freundlicher und bedachter als sonst in der alltäglichen Hektik. Man lernt den Wert der Gesundheit wieder mehr schätzen, telefoniert wieder mehr um zu hören, wie es Verwandten und Freunden geht und lernt, den Alltag wieder mehr zu lieben. Ich bekomme viel Post von den Schülern, die trotz aller Gedanken und Sorgen, die sie sich auch machen, glücklich über die intensive Zeit mit den Eltern und Geschwistern sind und die sich wieder alle sehr auf die Schule, die Lehrer, ihre Freunde und den Unterricht freuen – das ist doch was, oder? Hoffen wir, dass es bald soweit ist und wir alle unsere Schüler gesund und munter wiedersehen.

„Jetzt müssen wir es einfach machen”

Udo Hahn, Pfarrer, Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing:

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Diese Erkenntnis des Philosophen Martin Buber kommt mir in den Sinn, wenn ich darüber nachdenke, wie es mit der Arbeit der Evangelischen Akademie Tutzing weitergeht. Bubers Weisheit ist schon vor der Corona-Krise immer dann zitiert worden, wenn es nötig war, den Wert der persönlichen Begegnung hervorzuheben. Schloss Tutzing ist ein perfekter Bildungsort für den Diskurs, den unserer Gesellschaft braucht. Ehe wir ihn wieder uneingeschränkt nutzen können, überlegen wir im Team, wie wir in der digitalen Welt präsent sein können. Darüber denken wir schon länger nach. Jetzt müssen wir es einfach machen – nach dem Motto „Learning by Doing“. An Ruhe ist im Homeoffice nicht zu denken. Im Gegenteil: mehr Mails, mehr Telefonate, neuerdings eine Videokonferenz nach der anderen. Und es wächst die Vorfreude, dass es hoffentlich bald wieder los geht.

„Viel Zeit miteinander verbringen”

Natalie Schmid, Münchner für Münchner e.V.:

Die Verkündung der Schulschließung, der Beginn der Ausgangsbeschränkungen: Zunächst war ich komplett blockiert. Was musste zuerst getan werden? Wie meine bisher eindeutig definierten Rollen in der Familie, im Job, in meinem Ehrenamt neu ausrichten? Wohin mit meiner Angst vor dem Ungewissen? Wie die Kinder bestmöglich durch diese Zeit begleiten? Der Knoten platzte, als wir zu Hause eine klare Struktur einführten: Auch die Kinder müssen um acht Uhr aufstehen, gemeinsames Frühstück, jeder arbeitet an seinem neu geschaffenen, wenngleich nicht perfekten Platz, gemeinsames Mittagessen, später gemeinsames Spielen, jeder hat seine Aufgaben im Haushalt. Wir lernten schnell, dass wir als Familie sehr gut funktionieren. Schön ist, dass wir Vier jetzt so viel Zeit wie nie zuvor miteinander verbringen können. Worüber wir immer wieder reden: Dass wir das Leben, wie es vorher war, mit all seinen Freiheiten, in Zukunft nicht mehr selbstverständlich nehmen werden. Wir leben bewusster, sind dankbar, dass es uns gesundheitlich gut geht und schätzen nun viel mehr das was wirklich zählt.

Patenschaften für Hilfsbedürftige

Mit meinem Verein „Münchner für Münchner“ unterstützen wir in Kooperation mit dem Inklusionsbetrieb Kunst-Werk-Küche und dem Jagdschloss in Obermenzing in dieser schwierigen Zeit täglich eine Vielzahl bedürftiger Menschen der Hauptrisikogruppe mit einer gesunden Mahlzeit, die direkt nach Hause geliefert wird. Wir möchten einen Teil dazu beitragen, gerade jetzt auch denjenigen zu helfen, die es aus eigener Kraft nicht schaffen. Und wir suchen noch Unterstützer: Mit einer Patenschaft für 69,90 Euro ist das Essen für einen Münchner eine Woche lang sichergestellt www.muenchner-fuer-muenchner.de/kunstwerkkueche/.

„Auf wohltuende Art entschleunigen”

Winfried Bürzle, Radio-Profi, Co-Autor, Coach:

„Erst die Abwesenheit von Personen oder Dingen macht uns deren Bedeutung für unser Leben bewusst“. Ich weiß nicht mehr, wo ich diesen Satz aufgeschnappt habe. Aber immer wieder bestätigt er sich mir als tiefe Erkenntnis unsres Seins. Auch und vor allem in dieser Krise, wie sie die Menschheit wohl noch nicht erlebt hat. Corona hat uns fest im Griff: Kein Bier in der Kneipe um die Ecke, kein Stadionbesuch mit Freunden, keine letzten Schwünge im glitzernden Frühlingsschnee. Ja, auch ich vermisse so viele schöne Momente in diesen Tagen des Shutdowns. Und doch kommt bei mir so gar nichts von Endzeitstimmung auf. Denn da ist eine weitere Weisheit, die sich jetzt ebenso stark bestätigt wie die gerade beschriebene: „Jede Medaille hat zwei Seiten.“ Und diese Kehrseite entdecke ich dieser Tage auf mehr als spannende Art und Weise. Da nehme ich doch zum ersten Mal an einem virtuellen Clubabend teil. Da komme ich dazu, mich in ein Video-Schnittprogramm einzuarbeiten, wofür ich vorher nie Zeit gefunden hatte. Und da packe ich sogar ein fast vergessenes Buchprojekt wieder an. Und so ganz nebenbei bemerke ich, dass ich alles nicht mehr so gestresst tue, dass ich mir Zeit nehme für die Dinge. Ich entschleunige auf wohltuende Art. Wie sich auch die Welt da draußen mehr und mehr zu entschleunigen scheint. Langsamer, ruhiger und auch nachsichtiger geht es zu. Von wegen social distancing. Im Gegenteil: Mir scheint, als gäbe es mehr soziale Nähe durch körperlichen Abstand! Viele Freunde und Bekannte sagen mir, dass es ihnen ähnlich geht. Ich hoffe, auch Sie machen solche Erfahrungen. Denn sie geben ein Stück Zuversicht. Zuversicht, dass wir da durchkommen. Und das werden wir! Gemeinsam! Sie und ich, wir alle!

„Grundrechte gelten auch in Krisenzeiten”

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesjustizministerin a.D., stv. Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung:

Mein Leben der letzten Jahre ist mit der Corona-Pandemie abrupt zum Stillstand gekommen. Statt täglicher Termine und auch zahlreicher Auslandsterminen bin ich nun täglich in zahlreichen Telkows und Videokonferenzen. Alle öffentlichen Termine bis Ende Mai sind abgesagt, meine Mitarbeiter sind im Home Office. Ich halte mit ihnen intensiven Mail- und Telefonkontakt. Zum ausgiebigen Lesen all der Bücher, die schon lange bei mir rumliegen, bin ich noch nicht gekommen. Denn mich beschäftigen sehr all die rechtlichen Fragen rund um die Ausgangsbeschränkungen. Grundrechte gelten auch in Krisenzeiten. Auch diese Seite des staatlichen Krisenmanagements mache ich mit Interviews, Podcasts und in sozialen Medien sichtbar. Ich möchte Menschen Mut machen, die sich an mich wenden, denn die Situation ist auch in Deutschland ernst, aber ich möchte schon heute den Blick auf die Zeit nach Corona richten. Ich benutze so viele Lieferservices wie möglich, um den kleinen Unternehmen in ihrer Existenzbedrohung zu helfen. Für die Kinder meines Neffen schreibe ich Rätsel mit Preisen, um zur Abwechslung beim täglichen Home Learning beizutragen. Meinen Bewegungsradius habe ich auf wenige Kilometer in meiner direkten Umgebung beschränkt. Das geht alles. Aber denjenigen, die die Krankenhäuser und Lebensmittelversorgung am Laufen halten, darf nicht nur jetzt gedankt werden, sondern ihre Arbeitsbedingungen müssen sich dringend verbessern. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.

„Klettersteig in der Buche”

Lisa, 12 Jahre, Schülerin:

Eigentlich wäre ich in den Osterferien nach Südtirol zum Klettern gefahren. Klettern in den Bergen ist nämlich ein großes Hobby von mir. Im vergangenen Jahr bin ich mit meinem Vater bereits einen schwierigen Klettersteig in den Drei Zinnen in den Dolomiten geklettert. Das geht jetzt natürlich nicht. Wir bleiben zuhause. Damit ich trotzdem Kletterspaß habe, hat mein Vater auf unserer Buche eine Strickleiter und Leinen sowie eine Leiter angebracht. Dann ziehe ich meinen Klettergurt an und denke mir dann verschiedene schwierige Kletterrouten im Baum aus. Besonders viel Spaß macht es, wenn ich am Kletterseil hänge und vom Dach unseres Spielhäuschens abspringe und versuche schwingend auf der anderen Seite des Baumes zu landen.

„Balkon oder Garten auf Vordermann bringen”

Jürgen Ehrhardt, Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege, Starnberg:

Viele Menschen haben momentan mehr Zeit als sonst und können nicht viel unternehmen. Also raus auf den Balkon oder in den Garten! Es gibt nach dem Winter eigentlich immer viel zu tun. Die Beete müssen auf Vordermann gebracht werden, Frühjahrsaussaat und Pflanzungen stehen an. Die Zimmerpflanzen könnten mal wieder umgetopft werden… . (Fast) alle Gärtnereien und Baumschulen im Landkreis Starnberg bieten derzeit einen Lieferservice an. Auch gibt es die ersten Selbstbedienungsflächen mit Vertrauenskasse an den Gärtnereien. Bitte unterstützen Sie die Einzelhändler vor Ort. Sie sind gerade jetzt auf Sie als Stammkunden angewiesen.

„Brücke zur Außenwelt bauen”

Barbara Maier-Steiger, Sozialpädagogin, Leitung der Herrschinger Insel:

Die Interaktion mit anderen Menschen auf ein Minimum zu reduzieren, fällt schwer. Glücklich die, die nicht alleine leben, sich in Haus und Garten beschäftigen oder ins Freie gehen können. Wer aber isoliert lebt, nicht in der Lage ist, sich draußen zu bewegen oder aufgrund seines Alters oder einer Vorerkrankung am besten daheim bleiben soll, dem wird der Tag in diesen Tagen besonders lang. In Zeiten notwendiger sozialer Distanzierung geht es umso mehr um gesellschaftlichen Zusammenhalt und Unterstützung. Der telefonische Besuchsdienst ist ein Angebot für ältere Menschen, die sich einsam fühlen und alle, denen die Decke auf den Kopf fällt. Melden Sie sich bei uns, wenn Sie ehrenamtlich mitmachen oder wenn Sie telefonisch Besuch empfangen wollen. Telefon: (08152) 9938030 oder E-Mail: info@herrschinger-insel.de. Ehrenamtliche telefonieren ein oder zweimal in der Woche mit einem festen Gesprächspartner. Sie schenken ein offenes Ohr, tauschen sich aus über alltägliche Dinge und bauen eine Brücke zur Außenwelt.

„Auf Eis gelegt”

Bernhard Feilzer, Seniorenbeirat Gilching:

Als Mitglied des Seniorenbeirats Gilching empfinde ich, trotz allem Verständnis für die getroffenen Maßnahmen, dioe Einschränkungen, die auch unsere Arbeit betreffen, doch sehr stark. Schon für 19.3. haben wir ein beliebtes Singen mit Senioren, das von mir organisiert wird, sicherheitshalber absagen müssen. Auch andere Veranstaltungen wie Senioren-Cafe, Vortrag und das neu ins Leben gerufene Projekt „Vorbeischaun”, das besonders älteren alleinstehenden Personen gewidmet ist, musste auf Eis gelegt werden. Weil nun auch die Gemeinde nur mit sehr gedrosselter Aktivität arbeiten kann und zu erwarten ist, dass eine Reihe von Ausfällen und Belastungen auf sie zukommt, befürchte ich, dass wieder einige Projekte und Vorhaben des Seniorenbeirats auf der Strecke bleiben. Da hoffe ich doch sehr, dass der Zustand nicht allzu lang das Leben in Gilching - hier speziell der älteren Bürger - beherrscht und unseren Einsatz für Senioren bremst.

„Hilfe auf Gegenseitigkeit”

Gerlinde Wouters, Leiterin der FöBE (Förderstelle für Bürgerschaftliches Engagement):

Der Montagmorgen im FöBE-Büro ist immer besonders schön, weil wir uns als Kolleginnen aufeinander freuen und gerade jetzt in unserem schönen Innenhof das Frühlingsblühen beginnt. Aber leider ist am heutigen Montag alles anders. Wir sind im home office, gefühlt weit weg voneinander. Ich halte dies gerade für die größte Herausforderung – soziale Distanz wahren zu müssen und sich dennoch verbunden zu fühlen. Am Freitag, 13. März, fragte mich der Vereinsvorstand der „Münchner Freiwilligen-wir helfen“, was ich von ihrer Idee halte, eine Hilfebörse auf die Beine zu stellen. Ich war sofort dafür, unterstützte zu Beginn auch mit den FöBE Netzwerkkontakten und meiner Kenntnis nach haben sich bereits über 2000 Helfer*innen registrieren lassen, die einkaufen gehen und andere Besorgungen machen. nebenan.de ist zu einer äußerst wichtigen Plattform geworden. Das ist erst der Anfang einer beispiellosen Solidaritätswelle und es wird noch mehr Ehrenamt und Freiwilligentätigkeit geben.

„Neue, Mut machende Erfahrungen”

Prof. Dr. Luise Behringer, Katholische Stiftungshochschule München:

An den Hochschulen wurde der Veranstaltungsbeginn auf den 20. April verschoben, auch an der katholischen Stiftungshochschule München. Der spätere Beginn heißt für mich aber nicht verlängerte vorlesungsfreie Zeit, sondern digitale Aufgaben für die Studierenden bereitzustellen. Dadurch entwickelt sich ein ganz anderer Kontakt, der, so paradox das klingen mag, oft persönlicher ist als die persönliche Begegnung. Die schrittweise Verbannung des Lebens aus der Hochschule und dem ganzen Kloster - ich lehre am Campus Benediktbeuern - ist zwar bedrückend, führt aber auch zu neuen, Mut machenden Erfahrungen, z.B. dass Studierende mit den Medien, die mich in der Lehrveranstaltung oft stören, sehr engagiert arbeiten. Und während ich mir am Schreibtisch noch Aufgaben überlege, sind sie schon dabei, ein Webinar für einen kritischen Diskurs einzurichten oder ihre jetzt frei gewordene Zeit für die Unterstützung der Benediktbeurer Bevölkerung anzubieten.

„Eine neue Art von Nähe”

Klaus Grothe-Bortlik, Geschäftsführung Selbsthilfezentrum München:

Nach den Verunsicherungen und Ängsten der letzten ein, zwei Wochen erlebe ich nun so etwas wie eine neue Wirklichkeit. Die vertrauten Alltagsroutinen und liebgewordenen Gewohnheiten, in denen wir uns wie selbstverständlich eingerichtet hatten, waren binnen weniger Tage hinfällig geworden. Niemand konnte sich noch vor kurzem vorstellen, dass es tatsächlich auch anders weitergehen kann, aber nun sprießen überall neue Ideen, Perspektiven und Hilfsangebote, die ohne Coronakrise nicht denkbar gewesen wären. Auch die Selbsthilfegruppen finden neue Wege, miteinander in Kontakt zu bleiben und sich weiterhin gegenseitig zu unterstützen. Trotz aller Einschränkungen, trotz des „Stresstests“ im häuslichen Miteinander und der ernstzunehmenden Existenzbedrohungen für viele, vor allem kleinere Betriebe scheint sich so etwas wie eine neue Art von Nähe auszubreiten. Es scheint so, als ob wir uns jetzt richtig bewusst werden, wie wichtig die Kontakte untereinander sind und wie wertvoll unsere offene, liberale Gesellschaftsform für uns alle ist – und wie schön es ist, menschlich miteinander umzugehen.

„Mein Kater ist der absolute Profiteur der Krise”

Gerti Sedlmayr, Leserin:

Ich bin seit einem halben Jahr in Rente und gehöre zur Risikogruppe. Gerade sollten meine Projekte anlaufen wie ehrenamtliche Tätigkeiten, Teilnahme an einer Oper - alles gecancelt! Jetzt heißt es zu Hause bleiben, ruhig bleiben. Ein wichtiger Fixpunkt ist für mich und meinem Lebenspartner ein längerer Spaziergang oder Sport an der frischen Luft, täglich, bei jedem Wetter. Das erfrischt und gibt gute Laune! Danach gut kochen, so richtig lecker und gesund. Nudeln mit Lachs z. B., Feldsalat mit Erdbeerstückchen. Ich gehe sehr selten einkaufen, maximal einmal die Woche, zwecks Risikominimierung. Meine jungen Nachbarn haben einen Brief an die Türe gehängt, dass sie gerne für alle Hausbewohner einkaufen gehen, wenn es gewünscht wird. Sehr nett. Drei Bekannte, die weiter weg wohnen, haben mir das auch schon angeboten. Das ist Solidarität! Ich telefoniere mehr als sonst, besonders mit meiner Familie, kommuniziere viel über whatsapp und schreibe Corona-Tagebuch. Über Radio und Internet informiere ich mich über den neuesten Stand der Dinge. Manchmal wird es zu viel. Dann gucke ich einen schönen Film, um mich abzulenken. Momentan habe ich auch mehr Zeit, mit meinem Kater zu spielen. Er ist der absolute Profiteur der Krise: Sein Tierarzttermin wurde abgesagt, unser Osterurlaub storniert. Besser kann es gar nicht gehen, findet er!

„Ich nähe Masken”

Brigitte Degel, Leserin:

Ich nutze die Zwangspause, um - unter anderem - Mundschutz-Masken aus Baumwolle zu nähen. Diese schicke ich an Münchner Krankenhäuser, die sie dringend für MitarbeiterInnen brauchen, die nicht direkten Kontakt mit Erkrankten haben.

„Übergroße Fülle an Hausaufgaben”

Heidi Zeilinger, Leserin:

In unserer derzeitigen Situation versuchen wir alle, Home-Office, Haushalt, Einkäufe und Home-Schooling unter ein Dach zu bringen. Wir sind 2 Erwachsene und haben 2 Kinder. Am belastendsten empfinde ich die übergroße Fülle an Hausaufgaben, die die Schüler per PC jetzt erledigen sollen - und das bei 1 PC, der uns allen zur Verfügung steht. Die Lehrkräfte sprechen sich nicht ab und so kommt eine riesige Menge an Stoff auf die Kinder zu. Ich bin gern die Lehrerin meiner Kinder, aber dann möchte ich auch mitentscheiden können und gewisse Freiheiten haben. Es wird sich zeigen, was nach der Quarantäne-Zeit davon verlangt oder abgefragt wird, das wird noch spannend.

„Eine Chance für mehr Wertschätzung”

Edith Ufertinger, Leserin:

Ich bin dankbar, dass nach langer Krankheit in der Familie wir wieder ein wenig raus können, die Sonne genießen, zum Glück sind wir ja nicht ganz ans Haus gebunden. Den Familien wünsche ich, dass sie ihre Kinder besser kennenlernen; so können sie wohl besser erfahren, was sonst die Erzieherinnen und Lehrer leisten. Das kann auch eine Chance sein für mehr Wertschätzung, die wie wir wissen, erst dann erfolgt, wenn die Dinge nicht mehr so sind, wie sie waren. Je mehr wir alle Rücksicht nehmen und nicht herumjammern, desto eher kann es wieder normal werden.

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