Veröffentlicht am 06.05.2019 10:31

Was wollten Sie immer anders machen als Ihre Eltern?

Gisela Meyer. (Foto: pr)
Gisela Meyer. (Foto: pr)
Gisela Meyer. (Foto: pr)
Gisela Meyer. (Foto: pr)
Gisela Meyer. (Foto: pr)

Mutter- und Vatertag sind nicht nur Gelegenheiten, um einmal „danke” zu sagen, sondern auch um sich über das Verhältnis der Generationen Gedanken zu machen, das ja ständig neu ausbalanciert werden muss. Für einen Jugendlichen gibt es wohl kaum eine erschreckendere Vorstellung als „einmal so zu werden wie meine Eltern”. Wenn man später selbst Mutter oder Vater geworden ist, fühlt man sich den eigenen Eltern oft wieder näher und erkennt, dass sich Lebenssituationen und Handlungsweisen mitunter doch recht ähneln. Das Verhältnis zu unseren Eltern und zu unseren Kindern bestimmt unser Leben und spielt bei fast allen Weichenstellungen eine Rolle. Zum Mutter- und Vatertag möchten wir dieser „Balance” mit einer zweigeteilten Frage nachspüren:

Was ist der wichtigste Rat, den Sie als Mutter oder Vater Ihren Kindern gerne mitgeben würden?

Was wollten Sie immer anders machen als Ihre Eltern? (Und … haben Sie?)

„Etwas Angefangenes auch zu Ende bringen”

Dr. Ute Eiling-Hütig, Landtagsabgeordnete

Wenn Du etwas anfängst, bringe es auch zu Ende! Mit diesem Ratschlag meines Vaters bin ich im Leben stets gut gefahren. Er hat mir alle Freiheiten gelassen und viel Vertrauen geschenkt, nur dies war seine Direktive für uns Kinder. Ich habe mir daher vorher immer gut überlegt, ob ich etwas tatsächlich tun wollte oder nicht. Als Jugendliche wollte ich vieles anders machen als meine Eltern, aus heutiger Sicht eigentlich sehr wenig. Ich ertappe mich gegenüber meiner 14-jährigen Tochter bei ganz ähnlichen Argumentationen, Aussagen und Reaktionen, wie ich sie damals von meinen Eltern gehört habe.

„Familiensinn weitergeben”

Gisela Meyer, Sozialpädagogin im Ruhestand, Neuried

Wichtig erschiene mir: Kinder nicht unter Druck zu setzen, mit Erpressungen zu erziehen oder so, dass sie ständigen Vorgaben entsprechen müssen (wie es zum Beispiel vor 60 Jahren war). Freiheiten gewähren, emotionales Vertrauen schenken und Entwickeln der Eigeninteressen wäre empfehlenswert! Das heißt nicht, dass sie alles tun und lassen können, was sie wollen. Auch Grenzen setzen ist wichtig, da diese im menschlichen Zusammenleben nötig sind. Da ich selbst in einem Geschäftshaushalt aufgewachsen bin, war die Zeit meiner Eltern für uns Kinder eher knapp bemessen, zudem wurde ich früh in alltägliche Verpflichtungen eingespannt. So war es mir dann, als ich selbst Mutter wurde, immer ein Anliegen Zeit für die eigenen Kinder zu haben, da zu sein in ihrem Alltag mit ihren Anliegen, Sorgen und Problemen. Das Aufgeben der Berufstätigkeit war somit eine bewusste Entscheidung zugunsten der Kinder und Familie. Auch Nachbarkinder waren an bestimmten Tagen bei uns, lebten in der Familie mit und schätzten dies. Als die Kinder älter wurden boten sich für mich viele ehrenamtliche Aufgaben. Für die Kinder war stets ein Ansprechpartner daheim, dann war es eben abends vorwiegend mein Mann. So machte ich es anders als meine Eltern (aber ich verstehe, dass sie nicht anders konnten): Ich nahm mir Zeit für die Kinder. Heute beobachte ich an deren Reaktionen den eigenen Kindern – meinen Enkelkindern – gegenüber, dass sie Geborgenheit, Gefühle, Anerkennung und den Familiensinn weitergeben.

„Wurzeln und Flügel”

Katharina Storch, Diakonin an der Simeons- und der Reformations-Gedächtnis-Kirche, Hadern

Von meinen Eltern habe ich von klein auf die Freiheit bekommen, meinen eigenen, selbstbestimmten Weg zu gehen. Immer in der Sicherheit, dass sie für mich da sind und ich mich an sie wenden kann. Das hat dazu geführt, dass ich mir selbstsicher geworden bin – im christlichen Glauben, im Leben, in Freundschaften. Sie selbst haben mich nach dem Leitfaden, den schon Goethe so schön beschrieben hat, erzogen: „Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel”. Die Freiheit, sich entwickeln zu dürfen, so wie man eben ist, würde ich – wenn ich Kinder hätte – genauso beherzigen und mir zum Vorbild nehmen.

„Werde die, die du bist!”

Ralf Honig, Pfarrer der ev. Gethsemanekirche, Sendling-Westpark

Mütter und Väter meinen oft am besten zu wissen, was für ihre Kinder gut ist. Dann stehen sie entweder in der Gefahr, ihre eigenen Wünsche oder unverwirklichten Träume auf ihre Kinder zu übertragen. Die sollen dann das machen, was sie selber eigentlich gern gewollt hätten. Oder Eltern meinen, ihre Kinder müssten das gleiche Berufsziel oder den gleichen Lebensentwurf verfolgen wie sie selber. Dadurch übersehen sie, dass ihre Kinder eigenständige Persönlichkeiten sind und was Gott an Talenten in sie gelegt hat. Im schlechtesten Fall hindern sie ihre Kinder daran, sich frei entfalten zu können. Deshalb haben meine Frau und ich unsere Tochter ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen, nach dem Motto: Werde die, die du bist! Wir wollten unsere Tochter nicht bremsen, sondern darin unterstützen, auch Unkonventionelles zu wagen. Sie hat ein uns gänzlich fremdes Terrain beschritten, ist inzwischen Medienmanagerin und studiert weiter an der Filmakademie – eine ganz neue Welt, die sie uns eröffnet.

„Bei vielem behielten meine Eltern Recht”

Christian Wittstadt, Leiter der Polizeiinspektion 15 Sendling

Ich bin in der glücklichen Lage, auf eine tolle Kindheit zurückzublicken. Meinen Eltern war es stets wichtig, mir die richtigen Werte zu vermitteln. Dies sollte als Grundlage für ein erfülltes Leben dienen. Hierfür bin ich ihnen noch heute sehr dankbar. Und es trug sicherlich auch dazu bei, dass ich den Beruf als Polizeibeamter wählte.

Dennoch ist man natürlich als Kind oder Jugendlicher nicht immer nur zufrieden mit dem, was seine Eltern machen oder von einem erwarten. Auch mir wurde dann oft gesagt, dass ich mich im Laufe meines Lebens verändern und meine Einstellungen und Verhaltensweisen anpassen werde. Wie bei vielem behielten meine Eltern auch in diesem Fall Recht.

Besonders blieb mir der Musikgeschmack meiner Eltern in Erinnerung. Für mich war klar, dass ich solche Musik nie im Leben freiwillig hören werde. Heute ertappe ich mich öfters dabei, dass ich mitsinge, wenn die Lieder meiner Eltern im Radio laufen.

Als Vater von zwei Söhnen war es auch für mich sehr wichtig, dass sie stets ehrlich und gerecht bleiben. Wenn man nicht immer nur auf sich schaut, sondern auch daran denkt, was für seine Umwelt und seine Mitmenschen gut ist, dann ist man auf dem richtigen Weg. Dass den beiden das heute gelingt, macht mich sehr glücklich.

„Mit Überzeugung und Leidenschaft”

Melanie Lochschmidt, Leiterin des Alten- und Servicezentrums Westpark

Tue das, was Du tust, aus Überzeugung und mit Leidenschaft, Liebe und Respekt vor Dir und Deinen Mitmenschen. Dazu fällt mir nichts Gravierendes ein. Wie in jedem Aufwachsen gab es kleinere und größere Reibereien und Auseinandersetzungen, aber nichts, was ich unbedingt anders machen wollte als meine Eltern. Vielleicht war ich einfach ein pflegeleichtes Kind Ich bin froh, dass ich auch heute noch so ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern habe.

„Bleib dir selbst treu“

Christiane Rolny, Leiterin des Familienzentrums Laim

Wie vielen Eltern ist auch mir als Mutter klar geworden, dass mein Vorbild und die eigenen Erfahrungen der Kinder mehr bewirken als meine Tipps und Ratschläge. Aus diesem Grund würde ich lieber keinen Rat erteilen, sondern eher versuchen, durch Taten zu überzeugen und mir selbst treu zu bleiben. Das ist mir hoffentlich mehr oder weniger gelungen, so dass ich den Rat geben könnte: „Bleib dir selbst treu!“

Anders als meine Eltern wollte ich auf jeden Fall auf autoritäre Erziehungsmaßnahmen verzichten, daran habe ich mich auch gehalten. Ich musste jedoch immer wieder Einiges dazu lernen, um andere und bessere Wege zu finden, meinen Kindern Grenzen und Orientierung zu vermitteln.

„Toleranz und Weltoffenheit“

Stefanie Junggunst, Mitglied im Bezirksausschuss Laim

Ich möchte meinen Kindern gerne mitgeben, sich selbst treu zu bleiben, frei, unbeschwert, glücklich und zufrieden zu leben, jeden Tag zu genießen, zu lachen und zu träumen. Ich möchte ihnen Toleranz und Weltoffenheit mit auf den Weg geben.

Ich habe mir nie so richtig Gedanken gemacht, was ich anders machen wollte, als meine Eltern. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit meiner Kindheit und hatte viele Freiheiten, aber ich mache natürlich vieles anders. Mir war es immer wichtig, dass wir als Familie viel Zeit miteinander verbringen und auch spontan was unternehmen (und die Wäsche dann einfach mal liegen lassen). Meine Kinder durften viel ausprobieren und es gab nicht so wahnsinnig viele Regeln, dafür offene Türen, viele Reisen, viel Freunde und viel Durcheinander. Meine Tochter hat mir vor Jahren mal gesagt: „Mama, ich liebe meine chaotische Kindheit, aber ich will später anders leben”. Ich bin gespannt.

„Zusammenhalt der Familie“

Alexandra Gaßmann, Stadträtin in München, Laim

Jetzt müsste man vermutlich meinen, dass ich als Mutter von neun Kindern eine schnelle Antwort auf die Frage parat gehabt hätte. Dem war allerdings nicht so und ich beschloss meine Kinder selbst zu befragen, welche Ratschläge von mir ihnen als die wichtigsten erschienen. Der am Häufigsten genannte Ratschlag stammt von meiner niederbayerischen Uroma: „A Scheidl alloa brennt ned!“ Sie bezog sich damit allerdings nicht auf die Variante des „Einer alleine kann nicht streiten!“ Nein, als lebenspraktische Powerfrau verstand sie diesen Spruch ganz anders und ich gebe ihn gerne an meine Kinder mit genau ihrer Interpretation weiter: Bei ihr ging es um den Zusammenhalt der Familie und das gemeinsame Schaffen der Aufgaben. Zusammen können wir so viel schaffen. Das war in unserem „Vier-Mädels-Haus“ sehr wichtig.

In unserer Familie ist genau dieser Zusammenhalt ganz großgeschrieben. Wir richten uns nach dem schwächsten Glied in der Kette. Die unterschiedlichen Talente werden richtig eingesetzt und so kann man sich gemeinsam des Geschafften erfreuen. Das ist für mich die beste Übung für das Erwachsenwerden. So ist die Lebensweisheit der Uroma auch in der heutigen Zeit topaktuell.

„Wir stehen immer hinter dir“

Michael Mayer, Vorsitzender des Kleingartenvereins SW 52

Mir fallen vor allem Ratschläge aus meiner eigenen Lebenserfahrung ein: „Bleibe stets neugierig“, oder „verliere nie deinen Glauben“. Ebenso wichtig erscheint mir der Rat „denke und handle immer positiv“ oder „stehe zu Dir und deinen Entscheidungen“. Aber welcher davon soll nun der wichtigste sein? Wird es meinem Kind nicht Angst und Bange, wenn es so vieler Ratschläge bedarf um die Zukunft und sein eigenes Leben zu meistern? Sind nicht zwangsläufig Rückschläge und Niederlagen vorprogrammiert und wie kann man die überwinden?

Natürlich möchte ich nicht, dass mein Kind angstvoll in seine Zukunft blickt. Es soll sich positiv und voller Neugier auf das Kommende freuen. Und dazu kann ich einen wertvollen Beitrag leisten, der zugleich auch der meiner Meinung nach wichtigste Ratschlag ist: „Denke immer daran, dass du nicht allein bist und wir (deine Eltern) immer hinter dir stehen, egal was kommt!“.

Das Verhältnis von mir zu meinen Eltern war absolut positiv und ich bin froh, dass sie alles so gemacht haben wie sie es gemacht haben. Nur ein Thema sehe ich heute anders als sie. Es wurde immer großer Wert auf die Außenwirkung gelegt. Der Satz „was wohl die Leute dazu sagen?“, klingelt mir heute noch im Ohr und stellt mir die Nackenhaare hoch! Deshalb ist es mir heute (weitgehend) egal, was „die Leute sagen“, wenn ich selbst mit mir und meinen Entscheidungen zufrieden bin. Es lebt sich damit auch viel entspannter.

„Nicht jedem Vertrauen”

Martina Labenz, KiTZ-Verbund West (Kindertageszentren) in Aubing

Den Rat, den ich meiner Tochter gebe, lautet: „Nicht jedem Vertrauen, immer auf Sicherheit achten und die Schule ernst nehmen, da Bildung und Ausbildung wichtig sind.

Was mache ich anders als meine Eltern? Mein Kind habe ich nie gezwungen aufzuessen. Ich habe es aber ermutigt, alles zu probieren. Ich wurde als Kind zum Essen gezwungen. Wenn niemand hingeschaut hat, dann habe ich Speisen im Schrank versteckt, wo sie natürlich meine Mutter entdeckt hat. Die Strafe hierfür war sehr hart: Mein kommender Geburtstag wurde nicht gefeiert. Das lag wahrscheinlich daran, dass meine Mutter ein Kriegskind war und Essen knapp war. Körperliche Bestrafungen gab es reichlich. Ich habe mir vorgenommen niemals zu schlagen, wenn ich mal Mutter werde. Das habe ich eingehalten.

„Geht respektvoll miteinander um”

Mia Schmidt, Mitglied im Verein Herrschinger Jugendförderung

Mein Rat an die Kinder lautet: „Informiert euch und seid kritisch. Bleibt kontaktfreudig und bedenkt, dass man gemeinsam eher stark ist, wo immer man aktiv ist. Geht respektvoll miteinander um!”

Da meine Eltern in meiner Pubertäts- und frühen Erwachsenenzeit schon über 60 Jahre alt waren, fehlte ihnen das Verständnis für junge Menschen. Vielfach aus wirtschaftlichen Gründen kennen wir heute wieder mehr Spätgebärende. Das wollte ich so nicht erleben. Deshalb habe ich mich mit großem Interesse mit den Belangen junger Menschen befasst und versucht ihr Leben, ihre Probleme zu begreifen. In der Herrschinger Jugendförderung e.V. bot sich mir die Chance, worüber ich sehr froh bin.

„Handle aus Mitgefühl und Liebe”

Roland von Rebay, Förderverein Grundschule Weßling

Da gibt es viel, was man seinen Kindern in 30 Jahren erzählt. Was mir auffällt ist, dass ich über die Dinge, die ich meinen drei großen Kindern vor 25 Jahren erzählt habe, auch heute noch mit meiner kleinen Tochter spreche. Wahrscheinlich sind es die Werte, die für mich während des Lebens in unserem Kulturkreis wahr und wichtig geworden sind. Drei Dinge halte ich für wichtig: 1. Sei Dir und anderen gegenüber bitte immer wahrhaftig. 2. Achte und respektiere andere Meinungen und Menschen, auch wenn sie dir fremd und ungelegen sind. 3. Aus dem was Dir gegeben ist, entsteht auch eine Verantwortung. Deshalb handle aus Mitgefühl und Liebe.

„Die Zeit ist so kostbar“

Alexandra Krohn, Leiterin des Laimer Jugendzentrums

Mein Vater war alleinerziehend und musste immer sehr viel arbeiten, so dass er kaum Zeit fand, sich mit uns Kindern zu beschäftigen. Wir mussten sehr schnell selbstständig werden und unseren Teil zum Funktionieren der Familie beitragen. Viele Situation hätte ich gerne mit ihm geteilt und besprochen, aber leider blieb kaum Zeit. Von daher ist Zeit mit unserem Kind zu verbringen für mich sehr wichtig. Gemeinsam Dinge erleben, uns auseinandersetzen und streiten, lachen, voneinander lernen und erfahren. Die Zeit ist so kostbar und vergeht so schnell, dass man sich hin und wieder besinnen sollte, was wichtig ist.

Mein Vater in der Erziehung immer großen Wert auf Bildung und „eine gute Kinderstube“ gelegt, er war der Ansicht, dann hätten wir das Rüstzeug, um im Leben zu bestehen und einen Beruf zu erlangen, der uns ernährt. Dies ist ihm bei allen drei Kindern gelungen und ich versuche in dieser Hinsicht mein Kind ebenfalls zu fordern und zu fördern.

„Wer versteht mehr von einer Sache“

Winfried Huyer-May, Jurist und Autor aus Aubing

Bei Überlegungen über das innerfamiliäre Verhältnis der Generationen, in welchem Umfang Lebensart der Vorgängergeneration übernommen werden und inwieweit gegenseitige „Raterteilungen” angebracht sind, könnte es hilfreich sein, die eigenen Erfahrungen näher zu betrachten. Wächst man als Junge oder als Mädchen in einer Familie auf, in der die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann, so wird dadurch das eigene Verständnis von Familie geprägt. Führt der Weg dann in eine Ehe mit einem Ehepartner gleicher Prägung, so wird den Kindern aus dieser Ehe ebenfalls ein Familienbild vermittelt, das diesem „herkömmlichen Familienbild“, wie es heute wohl noch genannt werden darf, entspricht.

Bei Ereignistagen, wie beispielsweise dem Muttertag, wird es kein Problem geben, wer in den Mittelpunkt der Feier zu stellen ist. Das ist bei vielen Familienkonstellationen nicht mehr so einfach zu klären. Angesichts vielfältiger medizinischer Möglichkeiten, moralischer Öffnungen und sozialer Gegebenheiten ist das neuzeitliche Familienbild zerrissen und diffus. Die Erscheinungsform einer Patchworkfamilie ist im Vergleich zu anderen Möglichkeiten noch verhältnismäßig harmlos. Bei der speziellen Frage „wer darf oder soll jemanden einen Rat“ geben, ist weniger entscheidend, ob nun auf der älteren Seite Vater oder Mutter angesprochen sind, sondern vielmehr kommt es darauf an, wer von einer Sache mehr versteht.

Bei Fragen, die mit Babynahrung zu tun haben, ist das einfach. Und wenn der Großvater per Computer eine Fahrkarte bestellen will, wird er gerne den Rat der Enkel in Anspruch nehmen.

„Den anderen sein lassen“

Dr. Gisela Forster, Religionsphilosophin, Diplomingenieurin, Künstlerin aus Berg

Durch die Geburt sind wir in dieser Welt gelandet. Das ist eine große Herausforderung, die man ignorieren kann, oder verschlafen, oder man lässt sich bevormunden und kann dadurch in der Unglücklichkeit landen...oder: man kann das Leben in die eigene Hand nehmen. Also so handeln, wie man selbst es für richtig empfindet, in Krisen auf das eigene Innere horchen, nicht auf falsche Propheten oder Diktatoren hören. Dieses Bewusstsein für die Verantwortung für das eigenen Leben möchte ich meinen Kindern vermitteln.

Meine Eltern waren grundverschieden: Der Vater ein mathematisch denkender korrekter Mensch, die Mutter musisch, unpünktlich, kreativ und immer in liebevoller Verfassung. Das klingt eigentlich ganz gut als Paar, war aber sehr schwierig, denn jeder litt an den Eigenschaften des anderen. Das wäre nicht notwendig gewesen, wenn man die andere Person so sein gelassen hätte, wie sie ist.

So habe ich mir vorgenommen, meinen Partner und Vater meiner Kinder sein Leben leben zu lassen, wie er meint; ihn aufstehen zu lassen, wie er will, Kleidung zu tragen, die er will, in Konzerte zu gehen, die er möchte und sich die Freunde zu suchen, die sein Leben bereichern. Das gleiche wünsche ich mir auch von ihm.

Meine Eltern haben es nicht geschafft, sich gegenseitig die Freiheit zu lassen. Sie haben sich korrigiert und das Leben des anderen nicht voll akzeptiert. Ich fand meine Mutter großartig, wenn sie Lieder gesungen hatte. Sie konnte lachen wie ein Engel und voll Fröhlichkeit beben. Meinen Vater habe ich verehrt, weil er so gut rechnen konnte. Am Anfang des Monats gab er mir immer Geld, mit der Aufgabe, zu kaufen, was ich für richtig hielte, aber alles aufzuschreiben. Am Monatsende haben wir uns dann zusammengesetzt und jeder von uns hat die langen Summen der Zahlen aufgeschrieben und dann haben wir sie um die Wette im Kopf zusammengerechnet. So hat er mir auf spielerische Weise den Umgang mit Geld, die Genauigkeit und das Kopfrechnen beigebracht. All das: Das Musische und Kreative und das Mathematische und Genaue, das meine Eltern so sehr trennte, habe ich versucht in meinem Leben zusammenzufügen und die Erkenntnis an meine Kinder weiterzugeben. Und wenn ich mir diese so anschaue, glaube ich, es ist mir geglückt.

„Gib nicht auf in schweren Zeiten“

Kerstin Heymann-Deja, Lokale Bildungsberaterin Neuaubing-Westkreuz

Ich bin ja inzwischen nicht nur Mutter, sondern auch Großmutter. Das hat meine Perspektive noch mal geändert, vor allem in Bezug auf mehr Gelassenheit. Das Wichtigste, dass ich meinen Kindern mitgeben möchte ist: Vetraue dir selber, du bist gut, so wie du bist. Lass die Leute reden, geh deinen eigenen Weg.

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