Schon seit dem Mittelalter gelten Schweine bei uns als Glückssymbol – das Leben des Borstenviehs ist hierzulande jedoch meist alles andere als glücklich. Noch immer dominieren große Anlagen, in denen die klugen Tiere mit Tausenden von Artgenossen auf engem Raum gehalten werden, auf hartem Betonboden mit Spalten, ohne Stroh, ohne die Möglichkeit zum Auslauf und oft auch ohne Tageslicht. Ein Schwein, das 80 Kilogramm wiegt, hat etwa einen halben Quadratmeter Platz – das entspricht in etwa der Größe eines Kopfkissens. Die Tiere leiden vielfach unter Verhaltensstörungen und verletzen sich gegenseitig. Außerdem sind sie sehr anfällig für Infektionskrankheiten, gegen die man dann Antibiotika einsetzt.
„Wer sich mit der industriellen Massentierhaltung von Schweinen beschäftigt, der kann eigentlich nicht mehr mit Genuss seinen Schweinebraten oder sein Schweineschnitzel verspeisen”, sagt die Sprecherin des Tierschutzvereins, Judith Brettmeister. „Die Auswüchse sind immer noch gravierend, da hat sich in den letzten Jahren trotz einer Flut von Güte- oder Nachhaltigkeitssiegeln wenig geändert.” Besonders betroffen zeigt sich die Tierschützerin darüber, dass – obwohl der Tierschutz seit 2002 als Staatsziel im Grundgesetz steht – immer wieder die Tendenz besteht, gesetzliche Änderungen, die Verbesserungen für die Tiere bringen würden, zugunsten der Mastbetriebe zu verwässern oder hinauszuzögern.
„Aktuelles Beispiel ist das Verbot der betäubungslosen Kastration von Ferkeln”, berichtet Brettmeister. „Es sollte eigentlich am 1. Januar 2019 in Kraft treten”, berichtet Brettmeister. „Doch am 1. Oktober hat die Koalition nun beschlossen, dass sie mittels einer Fraktionsinitiative im Bundestag die Betäubungspflicht für Ferkel um zwei Jahre hinauszögern will. Falls diese Initiative Erfolg hat, bedeutet dies, dass weiterhin rund 20 Millionen männliche Ferkel im Jahr schreckliche Schmerzen erleiden müssen.”
Das deutsche Tierschutzgesetz schreibt in Paragraph 5 vor, dass ein schmerzhafter Eingriff bei einem Wirbeltier nicht ohne Betäubung durchgeführt werden darf. Es lässt bislang allerdings die Ausnahme zu, dass Ferkel bis zu ihrem siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Der Grund für die Kastration ist der beim Fleisch von rund fünf Prozent der Jungeber auftretende unangenehme Geruch und Geschmack.
„Es gibt mehrere Alternativen zur Kastration ohne Betäubung”, erläutert Judith Brettmeister. „Die Branche hätte sich schon längst darauf einstellen können. NEULAND-Betriebe zum Beispiel kastrieren schon seit 2008 alle männlichen Ferkel unter Vollnarkose mit begleitender Schmerzmittelgabe. Außerdem gibt es eine Impfung gegen Ebergeruch. Diese Methode wird bereits in vielen Ländern erfolgreich durchgeführt, bei uns wird sie aber nur von wenigen Landwirten umgesetzt. Und man könnte natürlich ganz auf die Kastration verzichten und unkastrierte Eber mästen. Das wäre die kostengünstigste Variante – leider ist das aber auch die bislang unbeliebteste.”
Wer Schweinefleisch kauft, das mit dem Tierschutzlabel „Für Mehr Tierschutz” des Deutschen Tierschutzbundes versehen ist, kann sich übrigens sicher sein, dass die Ferkel nicht betäubungslos kastriert wurden, sondern eine der anderen Methoden angewendet wurde.