Pflegesituation in Giesing und Harlaching auf dem Prüfstand

Giesing/Harlaching · Es gibt viel zu tun

Gemeinsam stark für eine menschwürdige Pflege: (v. l.) Thomas Schwindel, Hildegard Baumgärtner, Konrad Engl und Günther Görlich, Silke Reder, Claus Fussek, Iris Stefani, Jasmin Koch, Petra Römer und Doris Setle.   Foto: Hettich

Gemeinsam stark für eine menschwürdige Pflege: (v. l.) Thomas Schwindel, Hildegard Baumgärtner, Konrad Engl und Günther Görlich, Silke Reder, Claus Fussek, Iris Stefani, Jasmin Koch, Petra Römer und Doris Setle. Foto: Hettich

Giesing/Harlaching · »Wir müssen die Pflege endlich ernsthaft zu einem Schicksalsthema in unserer Gesellschaft machen – sonst reden wir über aktive Sterbehilfe, wenn Pflege kollabiert«, erklärte Pflege-Experte Claus Fussek bei einer Podiumsdiskussion zum Thema: »Pflege in Giesing und Harlaching« am vergangenen Donnerstag.

Bei einer regional wie fachlich hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion und an Informationsständen verschiedener Pflegeanbieter aus Giesing und Harlaching hatten Interessenten umfassend Gelegenheit, sich über Pflegeangebote oder die Wahrung von Patientenrechten, über Pflegestufen oder Modalitäten bei der Pflege von Angehörigen generell aber auch stadtteilbezogen zu informieren.

Doch obwohl mit Claus Fussek eine anerkannte Koryphäe der Branche auf dem Diskussionsforum Platz genommen hatte, hielt sich der Zuspruch zur Veranstaltung mit rund 50 Gästen in engen Grenzen. »Wir liegen mit dem Termin an einem Donnerstag Vormittag halt zeitlich etwas ungünstig – zudem ist es eine Premiere«, so Günther Görlich (FDP) aus den Reihen des Bezirksausschusses, der die Veranstaltung federführend organisiert hatte. Trotz der zahlenmäßig eher überschaubaren Kulisse stellte bei der anschließenden Podiumsdiskussion besonders der anerkannte Sozialwerkler Fussek in drastischen Worten die Bedeutung der Thematik heraus. Doch bei all der Kritik an den Zuständen mancherorts fand »Pflege-Experte« Fussek mit Blick auf die Verhältnisse in Giesing und Harlaching durchaus auch lobende Worte. »Ein breit gefächertes Angebot an ambulanter Pflege und Betreuung gibt es hier«, bestätigte der renommierte Sozialarbeiter. Im 17. Stadtbezirk herrscht auf jeden Fall kein Mangel an Angeboten rund um die Altenpflege, die sich an Infoständen den Besuchern vorstellten: die drei Alten- und Servicezentren (unter anderem ASZ Obergiesing Telefon 6 90 61 62), der Verein Carpe Diem, der Hilfe in Sachen Demenz und psychischen Altersproblemen am Candidplatz 9 (Telefon: 62 00 07 55) anbietet oder auch die Innere Mission. Dazu gibt es eine gut funktionierende »Hauswirtschafts- und Betreuungsbörse Giesing-Harlaching« (Telefon 69 38 86 10), die als Zusammenschluss der örtlich angesiedelten sozialen Dienste und Einrichtungen, die hauswirtschaftliche und pflegerische Hilfen ebenso wie andere Dienste im breiten Pool anbietet. Rund 20 Einrichtungen und karitative Organisationen vom Pfarrhilfswerk der Kirchengemeinde Hl. Familie bis zur Vereinigung der Integrationsförderung (VIF) sind hier zusammengeschlossen. Kein Wunder, dass etwa Sozialpädagogin Petra Römer trotz aller Defizite im Pflegebereich »auf das vor Ort in Giesing und Harlaching erreichte durchaus stolz« sein kann.

Allerdings legte auch Römer den Finger bewusst in die Wunde: »Leider ist etwa die Gefahr der Verwahrlosung und zunehmende Alkoholisierung im Alter in unserer Gesellschaft noch kein wirkliches Thema, das muss sich ändern«.

Sabine Schirlitz vom Fachdienst für ältere Migranten an der Giesinger Plecherstraße 6 (Telefon 62 02 16 22) legte den Schwerpunkt auf eine verbesserte Pflege- und Betreuungsintegration gerade von Senioren aus den sogenannten »Gastarbeiterfamilien« – »eine noch stärkere Vernetzung und Kooperation aller am Markt Tätigen« wünschte sie sich vor allem. Oft sei es allerdings gerade bei Migranten mit einer starken Verankerung in ihrer jeweiligen Sozial- und Familienstruktur auch schwierig, sie über eigene Angebote »überhaupt informieren zu können«. Gelinge dies dennoch, so Schirlitz, seien die Menschen oft »überrascht über die Fülle an kostenfreien sozialen Angeboten«.

Dabei muss laut Claus Fussek aber die Individualität der zu Pflegenden und eine würdige Behandlung »stets im Mittelpunkt stehen«. Als Probleme machte der erfahrene Pädagoge vor allem auch sprachliche und kulturelle Barrieren aus – da stünden sich auch »Pflegekräfte aus Tschechien und Patienten aus Niederbayern bisweilen ratlos gegenüber«. Ein Ansatz, den auch Silke Reder von »Carpe Diem« vertrat, dem Sozialdienstleister in Sachen Demenzbetreuung in Giesing und Harlaching.

Zusammenarbeit und Vernetzung waren auch ihre Stichworte – wohl wissend, »dass es natürlich auch unter den Sozialdienstleistern große Konkurrenz gibt« – auf einem »ständig wachsenden Dienstleistungsmarkt Pflege«, wie Fussek unterstrich. Vor allem mit Blick auf den begrenzten »Pool« an ehrenamtlichen Helfern zeichneten sich bei den Diskussionsteilnehmern auch tiefe Sorgenfalten ab. »Wir brauchen noch mehr ehrenamtliches Engagement«, betonte etwa Iris Stefani von der gastgebenden München Stift GmbH ihr Anliegen. Ausdrücklich Lob ausgesprochen wurde da einem ehrenamtlich Aktiven vom Schlage Konrad Engl. Der pensionierte Lehrer pflegt neben seinem Mandat im örtlichen Bezirksausschuss nicht nur seit vielen Jahren die eigene Mutter, sondern kümmert sich darüber hinaus auch um das Wohl einer von Verwahrlosung bedrohten älteren Dame, die mittlerweile in ein Pflegeheim überwiesen werden konnte und die Engl dort regelmäßig besucht. »Solche Leute brauchen wir noch viel mehr«, rief Claus Fussek in den Saal. Gibt es auch – wie etwa Mitdiskutantin Hildegard Baumgärtner – ebenso im BA aktiv pflegte sie jahrelang beide Eltern.

Die Lebensleistung der Älteren müsse endlich flächendeckend in eine adäquate wie menschliche Behandlung im Alter münden, da waren sich Fussek und Baumgärtner einig. Günther Görlich jedenfalls will eine Neuauflage im BA vorschlagen. Seine Hoffnung: »beim nächsten Mal werden dann wohl auch noch mehr Menschen den Weg zur Veranstaltung finden!«

Hettich

Artikel vom 11.03.2009
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