Die »Jahreszeit der Kerzen«

EIn Licht der Hoffnung und der Zuversicht, nicht nur zur Weihnachtszeit

Pfarrer Martin Guggenbiller in »seiner« Kirche, der neuen St. Andreas Kirche in Eching. Hier brennt immer eine Kerze, ein Licht der Hoffnung, ein ewiges Licht.	Foto: cr

Pfarrer Martin Guggenbiller in »seiner« Kirche, der neuen St. Andreas Kirche in Eching. Hier brennt immer eine Kerze, ein Licht der Hoffnung, ein ewiges Licht. Foto: cr

München/Eching · Von Pfarrer Martin Guggenbiller - Seit den trüben Novembertagen, spätestens aber mit dem Advent hat die »Jahreszeit der Kerzen« begonnen. Gerne zünden wir jetzt eine Kerze an und schauen in ihr Licht.

Oder wir stellen die Kerze in ein Fenster, so dass sie mit ihrem Schein das Haus schon von außen gastfreundlich macht. Mit dem Christbaum und seinen vielen Kerzen erfährt die »Jahreszeit der Kerzen« dann ihren Höhepunkt.

Kerzenlicht macht eben unser Leben schöner. Wirklich nur »schöner«? Oder geht mit dem Entzünden der Kerze uns Menschen ein anderes Licht auf?

Dazu lohnt ein Blick außerhalb der Weihnachtszeit. Kerzen brennen eben »nicht nur zur Weihnachtszeit«. In jeder Kirche, die man betritt, brennt ein Licht: auch im Sommer, auch untertags, wenn es hell ist. Dieses Licht macht zunächst nichts schöner, auch nichts heller. Es brennt. Es reicht, wenn es brennt, Tag und Nacht, immer. Dieses Licht wird das »Ewige Licht« genannt. Es brennt in der Nähe des Tabernakels, dem Ort, an dem der Leib Christi aufbewahrt wird.

Die Flamme dieser Kerze erinnert an den brennenden Dornbusch, von dem die Bibel erzählt (nachzulesen im Buch Exodus 3,1-14). Aus den Flammen des Dornbusches spricht Gott. Er gibt sich als Sehender und Hörender zu erkennen: »Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihre laute Klage gehört.« Gott geht all das zu Herzen, Gott bleibt nicht gleichgültig. Er fährt fort: »Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie dem Elend zu entreißen.« Und dann gibt Gott die immer geltende Zusage: »Ich bin der ›Ich-bin-da‹ «.

Die Flamme wird hier also zu einer Zusage der Gegenwart Gottes und seiner leidenschaftlichen Treue! Das Licht ist also weitaus mehr als die schöne Atmosphäre, die es verbreitet.

Aber gilt diese Botschaft, wie die Bibel behauptet, tatsächlich immer? Gilt sie auch, wenn ein Kind stirbt? Gilt sie, wenn ein Mensch unheilbar krank ist? Gilt sie, wenn eine Beziehung zu zerbrechen droht? Gilt sie, wenn Menschen sinnlos Kriege führen? Dann fragen wir schnell und völlig zurecht: Wo bist du Gott? Gibt es dich überhaupt? Die Botschaft Gottes gerät ins Wanken.

Dann braucht mein Leben – brauche ich – einen Funken Hoffnung. Mein Lebenslicht soll wieder in die Gewissheit der Nähe Gottes und seiner Treue rücken. Deswegen gibt es in den Kirchen einen weiteren Ort, an dem Menschen ihre persönlichen Kerzen entzünden können. Einen Ort für die Zeit, wenn mein Leben so durcheinander gerät, so dass ich frage: Wo bist du, Gott? Einen Ort für die Zeit, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Einen Ort für die Zeit, wenn meine Kräfte nicht ausreichen.

Wenn Menschen in der Kirche Kerzen entzünden – und in den letzten Jahren sieht man immer mehr Menschen dies tun, auch solche, die sonst nicht zum Gottesdienst kommen, und sogar Menschen, die den Glauben an einen Gott nicht teilen – dann deswegen, weil dieses Licht in eine tiefere Dimension des Lebens hinein leuchtet. Es macht hell und transparent, dass sich unser Leben nicht nur in klaren Antworten erschöpft, so dass ich alles verstehe. Es macht hell und transparent, dass Leben nicht nur in Geschäften und Erfolg aufgeht. Das Licht zieht auch dort eine Leuchtspur in mein Leben hinein, wo es dunkel ist, sich für mich kein Sinn auftut.

Gewiss: Die Kerze in der Kirche brennt bald nieder und verlischt. Aber in meinem Herzen hat sie ein Licht entfacht, das mir neue Orientierung gibt und Lebensmut, so dass ich nicht zum Erliegen komme und aufgeben muss. Sie leuchtet für einen geheimen Sinn, der an Weihnachten offenbar wird. Das Licht ist Begegnung mit einer Person: Gott ist in Jesus Christus endgültig herab gestiegen; Gott wird in Jesus Christus Mensch. In Jesus geht mir ein Licht auf. Von ihm heißt es im Evangelium: »Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. (…) Aus seiner Fülle haben wir empfangen Gnade über Gnade.« (Joh 1,9.16) Das haben die Weisen aus dem Morgenland, als sie an die Krippe kamen, erfahren. Von ihnen wird erzählt: »Als sie das Licht sahen, wurden sie mit sehr großer Freude erfüllt.« Mein Wunsch auch für Sie.

Pfarrer Martin Guggenbiller

Martin Guggenbiller (50) ist seit 1. Juli dieses Jahres Pfarrer der Gemeinde St. Andreas Eching. Er kam von der Gemeinde St. Florian in der Messestadt Riem und folgte auf Pfarrer Norbert Weis, der siebeneinhalb Jahre in Eching wirkte.

Artikel vom 20.12.2017
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