Das kann man noch machen

Wegwerfen ist out, Repair Cafés haben immer mehr Zulauf

Die erfahrenen Reparateure wissen, wo sie den Fehler in den defekten Geräten suchen müssen. Manchmal dauert es etwas länger, aber in den allermeisten Fällen sind sie am Ende doch erfolgreich.	Foto: Repair Café Schwabing

Die erfahrenen Reparateure wissen, wo sie den Fehler in den defekten Geräten suchen müssen. Manchmal dauert es etwas länger, aber in den allermeisten Fällen sind sie am Ende doch erfolgreich. Foto: Repair Café Schwabing

Von Carsten Clever-Rott
München · Wir leben in einer Wegwerfgesellschaft – und daran sind wir selbst schuld. Die Müllberge wachsen, weil Alltagsgegenstände so speziell und vor allem billig geworden sind, dass eine Weiterverwertung oder gar Reparatur sich selten lohnt. Die Kosten für solche Reparaturen stehen dann auch in keinem Verhältnis mehr zum Wert des betreffenden Gegenstands. Also: weg damit und neugekauft! Der Müllberg wächst.

Seit 15 Jahren gibt es eine Gegenbewegung, die einerseits dem Umweltgedanken und der Nachhaltigkeit Rechnung trägt, andererseits die Wertschätzung eines Gegenstands erhöht. Es sind die Reparaturcafés oder wie sie auf gut Englisch meist heißen: Repair Cafés. 21 davon gibt es allein in München. Hier werden unter Anleitung alte Schätzchen geflickt oder wieder zum Laufen gebracht, je nach dem, um was es geht. Sei es der alte Plattenspieler, an dem man so hängt, oder auch ganz einfach der Mixer, dem der wertbewusste Besitzer noch mal Leben einzuhauchen versucht, weil es einfach zu schade wäre, das defekte Gerät gedankenlos zu entsorgen. Im Repair Café Schwabing kommen die »Patienten« immer am ersten Sonntag eines Monats unter die Lupe, das nächste Mal am 3. September – im August ist Sommerpause.

Wenn die Türen zum Repair Café in der Seidlvilla am Nikolaiplatz um 14 Uhr aufgesperrt werden, stehen oft schon die ersten Kunden und warten geduldig. Sie bringen Küchengeräte ebenso wie Handys und Laptops, Kleidung zum Ändern und flicken, Fahrräder und sogar Uhren. »Da sind teilweise richtige Schmuckstücke dabei«, erzählt Jana Weidhaase, die das Repair Café in der Seidlvilla zusammen mit einem Mitstreiter ins Leben gerufen hat. Die Uhrenreparatur ist auch in Schwabing etwas Besonderes, was nicht jedes Repair Café leisten kann. In der Seidlvilla beteiligt sich ein Uhrmacher als ehrenamtlicher Reparateur an dem Projekt. Alles kann man aber dort nicht reparieren. Wenn die Schwabinger an ihre Grenzen stoßen, vermitteln sie ihre Kunden an andere Repair Cafés, die dann weiterhelfen können. »Bei uns gibt es keine Konkurrenz wie in der Wirtschaft«, berichtet Weidhaase. Die Gemeinschaft steht absolut im Vordergrund. Gemeinschaft, das umfasst auch die Kunden.

»Es geht ums Mitmachen«, erklärt die Initiatorin, sich dessen bewusst, dass nicht jeder über ein »Bastler-Gen« verfügt und ihm oder ihr das technische Verständnis fehlt. Wer beim Reparieren seines eigenen »Sorgenfalls« mithelfen möchte, ist dazu eingeladen, aber man kann auch darauf verzichten und einfach nur zuschauen oder in der Zeit auch was anderes machen. Das wäre zwar nicht ganz der Gedanke hinter den Repair Cafés, aber trotzdem in Ordnung. Kunden, die zuschauen und mithelfen, ereilt häufig eine ganz andere Erkenntnis: »So schwer ist das ja gar nicht«, weiß Jana Weidhaase aus der Praxis zu berichten. Beim nächsten Mal trauen sich die Kunden dann schon mit mehr Selbstvertrauen an die Reparatur. Dass im aktuellen Reparateurteam in Schwabing auch ehemalige Kunden sind, hat damit allerdings nicht viel zu tun. Die waren schon vorher ambitionierte Bastler, die sich dem Projekt angeschlossen haben. Aktuell sucht das Repair Café in Schwabing wie alle wieder nach ambitionierten Reparateuren. Ganz besonders gefragt sind natürlich Spezialisten wie zum Beispiel der Uhrmacher, den die Schwabinger in ihren Reihen haben. Aber auch sonst sind neue Köpfe und Hände bei den Repair Cafés sehr gefragt, ganz einfach, um sich breiter aufstellen zu können.

Das ist überhaupt der Antrieb für das Engagement im Repair Café: »Manche wollen einfach nur werkeln«, erzählt Weidhaase. »Für mich steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Und unsere Besucher wollen auch manchmal einfach nur Geld sparen.« Geld, das sie bisweilen auch gar nicht haben. Für sie sind die Repair Cafés einfach Gold wert. Die Reparaturen sind grundsätzlich kostenlos, aber über Spenden freuen sich die Betreiber. Von dem eingenommenen Geld kaufen sie Werkzeug und Ersatzteile. So hat am Ende jeder was davon. Darum geht’s: alle gemeinsam.

Artikel vom 22.07.2017
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