Denkmal oder nicht?

Streit um den Abriss einer Häuserzeile aus dem Jahre 1898

Der Denkmalstatus ist die Frage: Um die Häuserzeile in der Sailerstraße ist ein Streit entbrannt.  	Foto: Martin Schreck

Der Denkmalstatus ist die Frage: Um die Häuserzeile in der Sailerstraße ist ein Streit entbrannt. Foto: Martin Schreck

Schwabing-West/Altstadt · München wird runderneuert. Isartor, Sendlinger Tor, von Viktualien- und Elisabethmarkt ganz zu schweigen:…

Immer striktere Hygiene-, Umwelt- und Verkehrsmaßnahmen und ein manchmal fast hysterisches Streben nach Sicherheit, Ordnung und »Aufenhaltsqualität« verändern das Gesicht der Stadt, die sich doch so gerne als »die nördlichste« des eher lockeren Italiens bezeichnet, drastisch. Hier noch eine Flaniermeile, dort noch ein paar Regelungen und Verkehrsinselchen: So manchem und vielleicht sogar einer schweigenden Mehrheit werden die vielen Zwänge und Umgestaltungsmaßnahmen allmählich zu viel, durch die sich immer mehr Gegenden der Gleichförmigkeit vieler Vorstädte mit ihren standardisierten Fußgängerzonen, Verkehrsverästelungen und Aufenthaltsplätzen annähern.

Auch der Kabarettist Helmut Schleich klagte ja jüngst im Rahmen der Elisabethmarkt-Diskussionen, »warum man in München dauernd Gewachsenes abreißt und neu bauen muss?«. Und nun stemmt sich die Bürgerinitiative »Die Altstadtfreunde« gegen einen weiteren Abriss von, wie sie behauptet, »erhaltenswerter Bausubstanz, wodurch das städtebauliche und architektonische Erscheinungsbild Münchens immer mehr an Qualität und Eigenständigkeit einbüßt.«

Es geht um die Rettung dreier kleiner, pittoresker Giebelhäuschen in der Sailerstraße 2, 4 und 6. In einem dieser Schwabinger Gebäude aus dem Jahre 1898, an die heute der Olympiapapark angrenzt, sollen früher sogar Marmortische für die Titanic hergestellt worden sein. Es heißt, dass einige der Tische noch im Keller eines der Häuser zu finden seien. An der Fassade des mintgrünen Gebäudes mit der Hausnummer 4 ist wiederum noch der Name »M. Stopp« zu lesen. So hieß einst das Lebensmittelgeschäft in dem Schwabinger bis 1995 einkauften.

Im Jahre 2015 hat dann BLB Immobilien Bremen das Ensemble erstanden und eine Baugenehmigung erwirkt. Denn der Firma zufolge war eine Sanierung wegen undichter Dächer und feuchter Bausubstanz nicht mehr rentabel und wurde auf mindestens 600 000 Euro pro Gebäude geschätzt. Vor allem aber stand keines der Häuser trotz ihrer idyllischen Architektur mit Vorsprüngen und Gauben unter Denkmalschutz.

Das drohende Ende des Ensembles rief nun aber plötzlich Bürger und Bezirksausschuss auf den Plan. Doch als das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege im Sommer 2016 gebeten wurde, die Möglichkeit der Einstufung als »schützenswerte Baudenkmäler« zu überprüfen, war der Antrag, die Häuser abzubrechen und neu zu bauen, bereits genehmigt und eine Prüfung auf Denkmaleigenschaft rechtlich nicht mehr möglich.

Das sieht der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper inzwischen anders. Er hat sich der Petition der Altstadtfreunde zur Rettung der Häuserzeile angenommen und wirft der Lokalbaukommission Fehler vor.

Sie hätte aus den Bauakten ersehen müssen, dass es sich um Altbauten handelt und vor Erteilung der Baugenehmigung die Denkmalschutzbehörde einschalten müssen. Deshalb glaubt Brannekämper auch, dass die Genehmigung auf rechtmäßige Art zurückgenommen werden kann.

Auch Isabell Zacharias (SPD), Michael Piazolo (Freie Wähler), Nachbarn und ehemalige Mieter setzen sich inzwischen für den Erhalt der Häuser ein.

Dies alles zur Verärgerung der neuen Eigentümer. Denn auch sie fänden es zwar schade, die hübschen Fassaden opfern zu müssen. Doch geben sie zu bedenken, dass sie ja auch dringend benötigten Wohnraum in München schaffen wollen. Und da wäre alles andere als ein radikaler Neuaufbau der ziemlich maroden Gebäude einfach Pfusch. Zudem würden einige der aktuellen Mieter später wieder an ihre alte Adresse zurückkehren. Und außerdem entstünden in einem neuen Gebäude drei weitere Wohnungen sowie statt der bisherigen 209 Quadratmeter Wohnraum satte 523 Quadratmeter. Allein in Sailerstraße 4 seien fünf neue Mietwohnungen geplant.

Seit längerer Zeit gibt es auch den Vorschlag, die Fassaden zu erhalten und den Rest völlig neu zu bauen. Vielleicht kommt es ja doch noch zu einem Kompromiss.

Artikel vom 27.03.2017
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