Auf und ab in rot und blau

Unterhaching · 90 Jahre SpVgg Unterhaching: Einst gallisches Dorf, heute Überlebenskünstler

Höhepunkte aus 90 Jahren: In der 1. Bundesliga besiegten die Rot-Blauen den FC Bayern und Borussia Dortmund. Zwei Väter des Hachinger Erfolgs: Engelbert Kupka (links) und Anton Schrobenhauser (rechts) mit Harry Deutinger. Fotos: SpVgg Unterhaching

Höhepunkte aus 90 Jahren: In der 1. Bundesliga besiegten die Rot-Blauen den FC Bayern und Borussia Dortmund. Zwei Väter des Hachinger Erfolgs: Engelbert Kupka (links) und Anton Schrobenhauser (rechts) mit Harry Deutinger. Fotos: SpVgg Unterhaching

Unterhaching · Dass die Fußballer der SpVgg Unterhaching im Jahr 2000 dem großen Nachbarn FC Bayern zur Meisterschaft verhalfen, ist bekannt. Aber wussten Sie auch, dass die Rot-Blauen in der gleichen Saison Borussia Dortmund zweimal besiegten? Und dass Unterhaching sogar einmal einen deutschen Meistertitel feiern durfte?

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Am 1. Januar 2015 ist die Spielvereinigung 90 Jahre alt geworden, in seinem Jubiläumsjahr kämpft der Verein ums sportliche und finanzielle Überleben – mal wieder.

Wir schreiben den 27. Mai 1999. An einem Donnerstagabend kommt der Karlsruher SC in der 2. Fußball-Bundesliga gegen Arminia Bielefeld nicht über ein 1:1 hinaus. Es ist keine Partie, die besonders im Gedächtnis bleibt – außer in Unterhaching. Denn durch das Unentschieden der Konkurrenz hat die SpVgg den Aufstieg in die 1. Bundesliga perfekt gemacht. Es ist eine mittelschwere Sensation, ganz Deutschland staunt über das wackere kleine gallische Dorf am Südrand von München.

Für die SpVgg Unterhaching war der Aufstieg in die Eliteklasse des deutschen Fußball der größte Erfolg der Vereinsgeschichte – und das Ergebnis hervorragender Arbeit über Jahrzehnte hinweg. Am 1. Januar 1925 hatte sich die Fußballabteilung des TSV Hachinger Tal abgespaltet und einen eigenen Verein gegründet. Der Club war keine zehn Jahre alt, da wurde er von den Nationalsozialisten aufgelöst – aufgrund »politischer Unzuverlässigkeit einiger Mitglieder«, wie es in der Chronik heißt.

Im Oktober 1945 wurde der Spielbetrieb wieder aufgenommen, so richtig ins Rollen kamen die Vorstädter aber erst, als der damalige Unterhachinger Bürgermeister Engelbert Kupka 1973 Präsident des Vereins wurde. Dank konsequenter Aufbauarbeit und der finanziellen Unterstützung von Schatzmeister Anton Schrobenhauser kletterte die SpVgg von den unteren Amateurligen bis in den Profifußball hoch. Erfolgstrainer Lorenz-Günther Köstner etablierte Unterhaching ab 1995 in der 2. Bundesliga und formte mit Spielern aus der Region wie Torhüter Jürgen Wittmann, Abwehrrecke Ralf Bucher oder den talentierten Mittelfeldspielern Matthias Zimmermann und Markus Oberleitner eine schlagkräftige Mannschaft.

Verstärkt durch bundesliga-erfahrene Spieler wie André Breitenreiter, Marco Haber oder Ludwig Kögl sorgten die Hachinger sogar in der 1. Bundesliga für Furore. Legendär die Auswärtsfahrten unter dem Motto »Hurra, das ganze Dorf ist da!«, historisch die Siege gegen Borussia Dortmund (1:0 zuhause im Dezember 1999 und 3:1 im damaligen Westfalenstadion im April 2000), oder Bayer Leverkusen, das mit einem 0:2 im Hachinger Sportpark am letzten Spieltag der Saison 1999/2000 den Gewinn der deutschen Meisterschaft verspielte. Michael Ballack, später Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, traf ins eigene Tor. Am Ende stand Haching auf Platz zehn – vor Dortmund, Schalke und Frankfurt!

Doch damit war der Höhepunkt erreicht. Im zweiten Bundesligajahr schaffte die SpVgg den Klassenerhalt nicht, setzte trotzdem einige Duftmarken: Dem Gewinn der deutschen Hallenmeisterschaft 2001 folgten Siege gegen die eigentlich übermächtigen Lokalrivalen FC Bayern und TSV 1860. Nachdem die Mannschaft zwischenzeitlich bis in die Regionalliga abgerutscht war, hielt sich Haching von 2003 bis 2007 nochmal vier Jahre in der 2. Bundesliga. Seither heißt der Alltag 3. Liga – immerhin. Während viel namhaftere Ex-Bundesligisten wie Alemannia Aachen, Kickers Offenbach oder Waldhof Mannheim nur noch im Amateurbereich vor sich hindümpeln, ist im Stadion am Sportpark, das 1992 am Nordrand der Gemeinde errichtet wurde, alle zwei Wochen Profifußball zu bewundern.

Doch die 3. Liga bedeutet für die SpVgg Unterhaching ein steter Kampf ums Überleben – nicht nur sportlich. Das Geld ist knapp in Haching, vor allem, seit 2011 der langjährige Hauptsponsor Generali sein Engagement beendete. So zittern Verein und Fans alljährlich um die Lizenz, immer wieder muss die SpVgg ihre besten Spieler gegen Ablöse verkaufen oder nach Vertragsende umsonst ziehen lassen. In der Winterpause verabschiedeten sich mit Stürmer Andreas Voglsammer und Torwart Michael Zetterer gerade wieder zwei Akteure aus der Stammelf.

Dennoch sind die Rot-Blauen bislang dem drohenden Abstieg in die Regionalliga entronnen. Und das mit einer jungen, talentierten Mannschaft, die größtenteils aus der Region stammt, einen gepflegten Fußball spielt und immer noch gerne die Großen der Branche ärgert – zum Beispiel 2011 den Bundesligisten SC Freiburg im DFB-Pokal. Doch trotz allem lockt der Verein keine Massen an Zuschauern mehr an. Die großen Hachinger Tage sind vorbei, eine Rückkehr in die 2. oder gar 1. Bundesliga ist in der jetzigen Situation unwahrscheinlich.

Galt die SpVgg früher bei manchen als sympathischer Underdog, bei manchen aber auch als unspektakulärer Dorfverein, sorgte der Verein seit seinem letzten Abstieg aus der 2. Bundesliga 2007 immer wieder mal für negative Schlagzeilen. Zu Beginn der Spielzeit 2010/11 war der Verein einem dubiosen Investor namens Franco Levis aufgesessen. Der hatte mit den Verantwortlichen Verträge in Millionenhöhe abgeschlossen, mit dem Geld stellte der damalige Sportdirektor Francisco Copado (der auch der Hachinger Rekordtorschütze im Profifußball ist) einen Multi-Kulti-Kader zusammen. Ein früherer dänischer Nationalspieler, ein Isländer, zwei Argentinier und zwei Brasilianer kickten kurzzeitig im rot-blauen Trikot in der 3. Liga – ohne großen Erfolg. Was noch viel schwerer wog: Die versprochenen Millionen kamen nie beim Verein an. Die SpVgg stand kurz vor der Insolvenz, es folgte der bis heute anhaltende Sparkurs. Später sorgte ein Scheich, der angeblich in den Verein investieren wollte, für Aufsehen rund um den Sportpark, entpuppte sich jedoch als heiße Luft. Die meisten Haching-Fans haben das längst als amüsante Anekdoten abgehakt.

Unter der Führung von Präsident Manfred Schwabl ist es wieder ruhiger um die SpVgg Unterhaching geworden. Fette Schlagzeilen hat der Verein nun meist nur den Nachnamen seiner Spieler zu verdanken: Denn zum Kader der ersten Mannschaft gehören Fabian Götze und Jonas Hummels, früher spielte außerdem Tobias Schweinsteiger in rot und blau. Alle drei haben einen Weltmeister als Bruder. Und auch auf der Hachinger Trainerbank nahmen mit Andreas Brehme und Klaus Augenthaler schon zwei Weltmeister Platz. Der aktuelle Coach Christian Ziege ist immerhin Europameister.

Vergessen wird oft, dass der Verein sogar selbst Welt- und Europameister hervorgebracht hat – allerdings nicht auf dem grünen Rasen. Wie aus dem Vereinswappen ersichtlich ist, hat die SpVgg neben ihren zahlreichen Fußballmannschaften im Herren- und Nachwuchsbereich auch eine Abteilung im Bobfahren, die vor allem in den 1990er-Jahren große Erfolge auf internationaler Ebene feierte. Herausragender Akteur war damals der zweifache Olympiasieger Christoph Langen. Auch das gehört zur langen Geschichte der SpVgg Unterhaching, die es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat. Man darf gespannt sein, wo der Verein im Jahr 2025 zum 100. Geburtstag steht.

Benjamin Schuldt

Artikel vom 11.02.2015
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