Unser Untermenzinger Bäcker Josef Schmid sen. erzählte mir eine höchst interessante Geschichte aus den letzten Bunkertagen. Die Bäckerei Schmid mußte von 1940 bis 1946 schließen, weil der damalige Bäckermeister Schmid an die Ostfront verpflichtet wurde, und zunächst niemand zur Weiterführung des Geschäftes da war. Frau Schmid war nun mit ihren beiden Kindern, der genannte und heutige Schmid sen. und seine etwas jüngere Schwester, alleine. Die beiden Kinder hatten zur schnellen Flucht in den nahen Untermenzinger Bunker – ihr Haus war damals Parkstr. 18 (Bild 1, heute: Rueßstr. 18) – jeweils einen Rucksack vorbereitet, der das Notwendigste enthielt. Also bei jedem Alarm sollten die Kinder mit der Mutter eiligst auf und davon.
Am 1. Mai 1945 tauchten in der Parkstraße eine Reihe amerikanischer Panzer auf, und die Besatzungen suchten sich Häuser zum vorläufigen Verbleib aus. So mußte Frau Schmid mit ihren Kindern umgehend das Haus verlassen. Herr Schmid erinnert sich noch bestens, dass er nur mit Socken auf die damals schneebedeckte Straße trat und schleunigst wieder umkehrte, um in der Küche seine Schuhe zu suchen. Er kroch zwischen den amerikanischen Soldaten am Boden rum, bis er plötzlich einen Soldaten sagen hörte: „Armes Kind“. Der offensichtlich des Deutschen mächtige Soldat half ihm mit Erfolg suchen und finden.
Dann aber war die Frage „Wohin?“ In dieser Not entsann sich Frau Schmid auf den Bunker, der nun für zwei Tage und Nächte wie im Krieg Schutz und Sicherheit bot. Dann verließen die Amerikaner Untermenzing, und die Familie Schmid konnte wieder in ihr Haus zurück. 1946 übernahm der Bruder Schmids die Bäckerei, bis sein Bruder mit 10.000 anderen erst 1950 aus der Gefangenschaft in Sibirien zurückkehrte.
Ein weiterer Zeitzeuge, Herr Feldbauer, der einige hundert Meter vom Bunker entfernt mit seiner Mutter, der Vater war an der Ostfront, in der Angerlohstr. 38 wohnte und heute noch wohnt, war bei Luftangriffen nicht immer im Bunker. Man hatte sich nämlich auch den eigenen Keller vom befreundeten und benachbarten Schreiner Hipp zum Luftschutzraum umbauen lassen. Da die Feldbauers in der nächsten Umgebung von Krauss-Maffei wohnten, rechneten sie insgeheim damit, dass „der Krauss“ aus nicht bekannten Gründen nicht bombardiert würde – so jedenfalls ging das Gerücht. Vereinzelte Bomben fielen zwar in der nächsten Umgebung, aber offensichtlich nicht gezielt. So traf es die benachbarte Hortigstraße mit mehreren Einschlägen, von denen einer tödlich für Frau Weiß und ihren Ziehsohn endete. Zudem traf Luftmine ungefähr die Mitte der Angerlohe und legte viele Bäume um.
Herr Feldbauer erinnert sich noch gut, dass er den Untermenzinger Bunker mit seiner Mutter besuchte und sich dort, im Gegensatz zum eigenen Kellerbunker, recht sicher fühlte, weil allen dort Schutzsuchenden sehr wohl die meterdicken Eisenbetonmauern bekannt waren. Man konnte diese beim Abbruch des Bunkers bewundern. Noch ein bezeugter Bubenstreich eines damals 13-jährigen ungenannten Zeitzeugen: Von ihm mit Wucht an die helle Bunkerwand geworfene Teerkügelchen wurden bei starker und anhaltender Sonnenbestrahlung flüssig und hinterließen dann deutlich sichtbare schwarze Streifen.
Herr Otto Birk, der gelernte Keramiker und Ofensetzer, dessen Haus an der Allacher Str. 255 dem Bunker unmittelbar benachbart war, aber erst Jahre nach dem Bunker gebaut wurde, erzählte mir als damals Betroffener die Geschichte des Beginns des schwierigen Abbruchs.
An einem schönen Samstagmorgen im Mai 1992 erschütterte und erschreckte eine schwere Explosion aus der Bunkernachbarschaft, vermutlich nicht nur die Familie Birk, sondern die ganze Umgebung. Der Käufer des Bunkers, der diesen um den Preis des Abbruchs erworben hatte, ließ an diesem Tag eine unangekündigte Probesprengung durchführen, die dem Bunker seinen Hut, das Dach, kostete. Auf dem nebenstehenden Luftbild aus dem Jahr 1956 (Bild 2) ist neben dem Bunker das Haus der Birks noch nicht zu sehen.
Herr Birk hatte aber auch mit der im Teil 1 erwähnten und gezeigten neuen Nachkriegssirene (Bild 3 hier als Ausschnitt) neben dem alten Luftschutzbunker zu tun. Da sein Anwesen am nächsten zur Sirene lag, bat man ihn, mit dem Einbau der dazu notwendigen Steuergeräte in seinem Keller einverstanden zu sein. Die Gemeinden, in diesem Falle das Kreisverwaltungsreferat der Landeshauptstadt München, waren seit 1976 durch ein Bundesgesetz verpflichtet, öffentliche Alarmeinrichtungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu schaffen. Dazu mußte auch Birks Telefonleitung benutzt und von Zeit zu Zeit die Sirene des Warndienstes überwacht werden.
Zum Abschluß sollen noch einige Bilder das unerwartete und „grausame“ Ende unseres Untermenzinger Bunker an der Allacher/Krautheimstraße zeigen. Das Plakat auf der Litfaßsäule „Sommer der Exzesse“ (Bild 4 a,b) bezog sich nur indirekt auf unseren Bunker, der ohne Schutz der Denkmalpflege aus unserem Blickfeld verschwand und einem durchaus begrüßten Ärztehaus Platz machen mußte. Geblieben ist jedoch das Wetterfandl (Bild 5), das heute noch auf dem Garagendach von Herrn Birks Nachbarn grüßt. Deshalb sollte, nachdem der Allacher am Oertelpltatz zu einem Bunkerhotel wurde, der dem Untermenzinger Bunker baugleiche in der Franz-Nißlstraße (Bild 6) unbedingt unter Denkmalschutz gestellt werden