Bernays-Hauptschule wird deutschlandweites Modell für Gesundheitskonzept

Harthof · Nicht vom Brot allein

Carolin, Gino und Wieketa (von links) versuchen, sich gegenseitig von ihrem guten Geschmack zu überzeugen. Lehrerin Bronja Hien (hinten) freut’s.	Foto: em

Carolin, Gino und Wieketa (von links) versuchen, sich gegenseitig von ihrem guten Geschmack zu überzeugen. Lehrerin Bronja Hien (hinten) freut’s. Foto: em

Harthof · Der Mensch ist, was er isst? Stimmt. Und noch viel mehr. Weshalb gesunde Ernährung einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, Schüler fit zu machen – für ein Leben, dass auch ganz schön stressig sein kann. Einen wichtigen Beitrag, aber nicht den einzigen. Deswegen gibt es an der Hauptschule an der Bernaysstraße für die fünften Klassen jetzt ein Projekt mit Modellcharakter für ganz Deutschland »Daidalos«.

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»Kunstvoll arbeiten, ausgestalten«, dafür stehe Daidalos, eine Figur der griechischen Mythologie, erklärt Agnes Streber, Leiterin des federführenden Ernährungsinstituts »KinderLeicht«, gegenüber der Münchener Nord-Rundschau. Einen entsprechend umfassenden Ansatz will sie den Kindern im Norden Münchens bieten. »Wir haben zum Beispiel gesehen, dass es im Norden Münchens zwar viele Ernährungsprobleme gibt bei den Kindern, aber kaum welche in die zuständige Beratungsstelle kommen. Die Bundes-Initiative ›In Form‹ war für uns die Gelegenheit, uns Kooperationspartner zu suchen und gemeinsam ein ganz neues Projekt zu entwickeln, dass auf den drei Säulen Bewegung, Essen und Stressverarbeitung basiert.«

Das Bundesministerium für Gesundheit fördert mit dem »Aktionsbündnis gesunde Lebensstile und Lebenswelten« bundesweit insgesamt elf Initiativen, darunter Daidalos als einziges bayerisches Projekt. Es wird getragen von insgesamt zwölf Kooperationspartnern, die ihr jeweiliges Fachwissen aus den Bereichen Ernährung, Bewegung und Stressverarbeitung vernetzen, um ein umfassendes Programm für die Kinder daraus zu entwickeln – das auch die Eltern einschließt. Sie können sich zu »Ernährungsexperten« für verschiedene Mahlzeiten ausbilden lassen und so selbst als Multiplikatoren wirken. »Im Mehrgenerationenhaus im Harthof gibt es zum Beispiel bereits eine Gruppe mit Frauen, die einmal pro Woche türkisch frühstücken. Da werden wir auch kooperieren«, erläutert Streber – und zeigt an diesen Beispiel, wie die Stichworte »Vernetzung« und »Verankerung in der Lebenswelt« in der Praxis gelebt werden können.

Ein Beispiel für ein Bewegungsangebot, das gleichzeitig Problem-Bewältigungsstrategien schult, gibt die Pädagogin Barbara Lachner. Sie wird den Schülerinnen und Schülern Kletterkurse anbieten, die auch in den Köpfen der Schüler einiges in Bewegung setzen sollen: »Wir wollen ihnen vermitteln, dass sie großen Einfluss auf die eigene Situation haben. Wenn’s beim Klettern mal nicht weiter geht, muss man oft nur zwei Zentimeter zur Seite treten, und die Situation ändert sich völlig.« Außerdem gibt es für die Fünftklässler pro Woche eine Stunde zusätzlichen Sportunterricht – mit der Option, bei Kindern, die einen besonderen motorischen Förderbedarf aufweisen, noch weiter aufzustocken. »Bewegt« wird aber auch der ganz normale Fachunterricht – etwa, wenn Addition Vorwärtsgehen, Subtraktion Zurücktreten bedeutet. Entspannungsübungen sollen folgen – und gemeinsame Unternehmungen wie ein »Erlebnisparcours« dazu beitragen, sich selbst und die anderen bewusst wahrzunehmen. Denn auch »Gemeinschaft« ist ein wichtiger Baustein für ein glückliches, gesundes Leben. Zu beobachten seit einigen Monaten zweimal pro Woche beim ­gemeinsamen gesunden Schulfrühstück.

Bronja Hien Klassenlehrerin, berichtet von einer außergewöhnlich entspannten Atmosphäre, die jedesmal bei und nach dem gesunden und schmackhaften Tagesbeginn herrsche. »Die Kinder sind ruhiger, gelassener, konzentrierter – und gehen gemütlicher in den Klassenraum«, erklärt sie. Wenn die Kinder sonst eine halbe Seite am Stück schreiben könnten, schafften sie an den Frühstückstagen mehr als eine Seite, ohne müde zu werden macht sie den Erfolg messbar.

Wieketa, Gino und Carolin gehen in die fünfte Klasse der Bernays-Schule und erzählen begeistert, dass neulich eine Klasse nach dem Frühstück zwei Prüfungen an einem Tag geschrieben habe – ohne schlechte Ergebnisse. Sie frühstücken gerne miteinander, daher macht es ihnen nichts aus, dafür früher aufzustehen. Und seitdem das Biomüsli auch mal Schokoflocken haben darf und es außerdem Brot mit verschiedensten Belägen gibt, schmeckt es ihnen auch richtig gut. Dafür haben sie nämlich gekämpft. Und damit schon einmal erfolgreich »Schlüsselkompetenzen« eingesetzt, wie es Wissenschaftler nennen. »Projekte wie dieses haben genau den richtigen Ansatz«, ist sich Dr. Florian Straus, Geschäftsführer des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP), schon jetzt sicher.

Er ist der wissenschaftliche Begleiter des Projekts, wird während der zweijährigen Projektphase und danach die Erfolge bei Schülern, Eltern und Lehrern messen. »Es geht darum, die Schüler zu stärken, statt sie bloß zu versorgen. So können sie einerseits mit vemehrtem Stress aufgrund ihrer Lebenssituation als Hauptschüler besser umgehen – und haben auf der anderen Seite tatsächlich mehr Chancen im Leben, nehmen die Chancen, die sie haben, auch wahr.«

Zwei Jahre haben die zwölf Partner des Gesundheitsprojekts nun Zeit, mit gesundem Essen und vielfältigsten Aktionen Wieketa, Gino, Carolin und ihre Mitschüler stark zu machen – für ein gesundes, aktives, selbstbestimmtes Leben. Bleibt zu hoffen, dass das Modell selbst stark genug ist, die »Lebenswelten« der Kinder auch danach noch positiv zu beeinflussen. Und das nicht nur in München-Harthof. Eva Mäkler

Artikel vom 12.05.2009
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