Die Arbeit der Streetworkerin Gönül Sahin scheint Früchte zu tragen

Moosach · Ruhe in der »Lauinger«?

Streetworkerin Gönül Sahin und der »Lauinger« Mehmet D. vor einer Betonüberdachung, dem bisher einzigen Zufluchtsort der Jugendlichen.Foto: sd

Streetworkerin Gönül Sahin und der »Lauinger« Mehmet D. vor einer Betonüberdachung, dem bisher einzigen Zufluchtsort der Jugendlichen.Foto: sd

Moosach · Es ist Samstagmorgen, die Sonne scheint. Pünktlich wie verabredet treffen eine Hand voll gepflegter und gut gekleideter junger Männer am vereinbarten Treffpunkt ein. Sie kommen ursprünglich aus den unterschiedlichsten Ländern wie Türkei, Afghanistan, Serbien, Iran, aber auch Deutschland. Einige der Jugendlichen haben das Abitur bereits in der Tasche, studieren oder sind dabei, die weiterführenden Schulen zu beenden.

Einer unter ihnen, betreibt neben der Schule seinen eigenen Laden. Alle treiben regelmäßig Sport im Fußballverein. Sie sind zusammen miteinander aufgewachsen und kennen sich von klein auf. Ein festes Band der Freundschaft vereint sie und noch etwas: Sie sind in der Lauinger Straße groß geworden und fühlen sich auch als »Lauinger«.

Der Begriff »Lauinger« führt bei vielen Anwohnern aus dem Viertel zu Skepsis und Zurückhaltung, ja sogar Angst. »Viele glauben, dass wir Jugendliche hier alle kriminell, gewalttätig und verwahrlost wären, sobald mehr als drei von uns zusammen auf der Straße stehen«, weiß der BWL-Student Mehmet D. aus Erfahrung zu berichten. Streetworkerin Gönül Sahin ergänzt: »Das führt dazu, dass sie überall nur Ablehnung, Ausgrenzung und Enttäuschung erleben«.

Sahin ist seit 19 Jahren Streetworkerin und begleitet die Jugendlichen in Moosach bereits seit sechs Jahren intensiv. Sie kennt ihre Nöte und weiß, wie schwer es die Kinder in diesem Viertel haben. »Diese Kinder und Jugendlichen werden von ihrem Umfeld als Last empfunden und stoßen auf wenig Verständnis«, schildert sie ihre Beobachtungen. Um so wichtiger ist ihre Arbeit. Sie muss aufbauen, was die Gesellschaft mit ihren Vorurteilen bei diesen Jugendlichen und Kindern oft zerstört: (Selbst-)Vertrauen. 80 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 27 Jahren betreut sie insgesamt, davon etwa 20 bis 25 im Viertel Lauinger-/Dillinger Straße.

Unter ihnen gibt es durchaus welche, die Wände beschmieren oder auf sonstige Weise aus dem Rahmen fallen. Das wissen auch die Anwesenden. Doch damit wollen sie nicht in Verbindung gebracht werden. Allerdings meinen sie die Gründe zu kennen, die einige junge Bewohner zu den Ausschreitungen verführt. »Was den Jugendlichen hier im Viertel fehlt, sind Räumlichkeiten, in denen sie sich treffen, sinnvoll ihre Freizeit verbringen können und wo sie vor Ort weitere professionelle Ansprechpartner haben«, sagt Emre B. Ihre bisherigen Treffen finden an einer kleinen Betonüberdachung statt, welche sich die Jugendlichen mit gesprühter Skyline und Rapper-Idolen verschönert haben.

Das ist zu wenig, weiß auch Sahin, zumal Moosach im Vergleich zu anderen Vierteln nur sie als Streetworkerin auf der Straße im Einsatz hat. Dennoch kann sie stolz auf ihre bisherige geleistete Arbeit sein. Ohne Gönül, sind sich die Jugendlichen sicher, hätte es manch einer wahrscheinlich nicht so weit gebracht, »weil wir oft nicht mehr an uns geglaubt haben«, erzählt Danny A. rückblickend. Streetwork bedeutet zunehmend auch Beziehungsarbeit, insbesondere am Einzelnen. Fortlaufend an die Jugendlichen zu glauben und Mut zum weitermachen zu geben ist für Gönül selbstverständlich. Auch kaufte sie Hilfsbücher für unterschiedliche Schularten, um die schulischen Bedürfnisse der Kinder besser zu unterstützen. Das alles hat sich bewährt.

Auch die Polizei nimmt die positiven Veränderungen im Stadtviertel war. »Zur Zeit haben wir recht zufriedenstellende Zustände im Bezirk. Es ist um einiges ruhiger geworden als noch vor einigen Jahren«, bestätigt Polizeirat Klaus Kellerer, der Leiter der Polizeiinspektion Moosach (PI 44). »Wenn die gute Zusammenarbeit mit der Arche und der Streetwork so weitergeht, dann haben wir das im Griff«, ist er der Meinung. Die Etablierung einer Freizeiteinrichtung im näheren Umfeld, hält er allerdings ebenfalls für eine sinnvolle Maßnahme, um den Jugendlichen einen eigenen Raum zu geben.

Mittlerweile hat auch die Stadt erkannt, dass etwas getan werden muss und ist bemüht in der Welzenbachstraße Räume anzumieten, damit Moosach eine Außenstelle für Streetwork bekommt. In den 60 Quadratmetern könnten ein Gruppenraum und ein Arbeitsplatz bereitgestellt werden. »Noch ist nicht bekannt, wann die Räume bezogen werden können, doch das Geld dafür haben wir definitiv schon«, sagt Gabriele Bertz, Abteilungsleiterin im Stadtjugendamt. Die neue Adresse würde auch eine Anerkennung für die wichtige Arbeit von Gönül Sahin sein. Denn die nächste Generation »Lauinger« ist schon in ihrer Obhut. sd

Artikel vom 02.12.2008
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