Wie die Generation 50plus denkt, fühlt und lebt

München - Die jungen Wilden

Eins, zwei, Cha-Cha-Cha – Karin und Gerhard verabreden sich  dreimal die Woche zum Tanzen im „Maratonga“ in Haidhausen.  Foto: sm

Eins, zwei, Cha-Cha-Cha – Karin und Gerhard verabreden sich dreimal die Woche zum Tanzen im „Maratonga“ in Haidhausen. Foto: sm

Karin und Gerhard gehen dreimal die Woche zum Tanzen. In der Münchner Diskothek „Maratonga“ in Haidhausen treffen sich die beiden am frühen Nachmittag zu Walzer, Samba, Cha Cha Cha. Kennen und lieben gelernt hat sich das Paar vor acht Jahren in einem anderen Tanzlokal.

Karin und Gerhard sind Rentner, zwischen 60 und 70, ihr genaues Alter wollen sie nicht verraten. Wenn sie nicht gerade tanzen, dann fahren sie Ski, segeln oder reisen. Das Paar steht mitten im Leben und stellvertretend für die Generation 50plus.

Doch was zeichnet diese Generation aus, wie fühlt, denkt, lebt und liebt sie?

Rund 80 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frauen zwischen 50 und 70 Jahren haben regelmäßigen und variantenreichen Sex. Dies fand Sozialwissenschaftler Prof. Otten von der Universität Osnabrück in seiner bundesweiten „50plus-Studie“ heraus.

Ihre Beziehungen bezeichnen 80 Prozent aller 50plus-Paare als gut bis sehr gut und ganze 90 Prozent von ihnen verbringen ihre Zeit am liebsten mit dem Partner. Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang vom Philemon- & Baukis-Syndrom – Liebe und Zweisamkeit bis ins hohe Alter – als neuem, gesellschaftlichem Basis-Trend.

Groß im Kommen seien Erlebnis-Reisen, ausgedehnte Kinobesuche und fetzige Tanz-Partys mit und ohne Ü-50-Motto, berichtet Otten. Die Studie, bei der 3.880 Menschen zwischen 50 und 70 befragt wurden, zeichnet das Lebensgefühl einer Generation, der „Wertewandelkoalition“ und der „68er“, die sich weltoffen, verfassungspatriotisch und hochvital gibt. Diese Menschen sind fit, etwa die Hälfte treibt laut Studie regelmäßig Sport, Nordic Walking ist der Massentrend. Die sogenannten Best Ager verhalten sich körperbewusst, gesundheitsorientiert und risikoverständig.

„Wer heute Anfang 70 ist – Götz George zum Beispiel – ist einfach nicht alt, fühlt sich nicht alt und verhält sich nicht alt – die überwiegende Mehrheit zumindest“, sagt Otten. Rund 60 Prozent würden auch nach dem 60. Lebensjahr gerne weiterarbeiten, die Hälfte davon im angestammten Beruf, die andere Hälfte würde etwas Neues anfangen.

Und zwar so lange es geht. Der Alterslimes verschiebt sich damit auf der nach oben offenen Altersskala immer weiter nach hinten. Werbetreibende und Marketingverantwortliche haben längst erkannt, dass es neben „jung, reich und schön“ längst auch „erfahren, wohlhabend und attraktiv“ gibt. In Deutschland leben 30 Millionen Menschen über 50 mit einer Kaufkraft von rund 640 Milliarden.

Die Kinder sind aus dem Haus, das Arbeitsleben geht in die finale Phase, die finanzielle Situation ist geregelt. Das bedeutet mehr Zeit, mehr Freiheit und weniger Verpflichtungen.

In München leben derzeit rund 500.000 Menschen über 50, in den Stadtbezirken Bogenhausen und Feldmoching-Hasenbergl ist jeder Fünfte über 65. Für die rund 210.000 Singles über 50 in München gibt es den Münchner Alleinstehenden Ratsch-Kreis. Die Mitglieder verabreden sich zum Wandern, Radeln oder fürs Theater.

Der Single-Treff ist für jeden offen, Treffpunkt ist mittwochs ab 19 Uhr im Restaurant Poseidon, Grillparzerstraße 38a, und freitags ab 19 Uhr am Alt-Münchner Gesellenhaus, Adolf-Kolping-Str. 1. Zu zweit macht vieles – auch im Alter – mehr Spaß. Und Karin und Gerhard? Die tanzen demnächst auf einem Kreuzfahrtschiff.

Von Stefanie Moser

Artikel vom 16.10.2008
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