Albrecht Ackerland über das Dabeisein

München - „Da schau her“

Es ist ja ein großer Unterschied, ob jemand irgendwo dabei ist, oder ob er mit dabei ist. Wenn ich bei mir ums Eck in eine Boazn gehe, dann kann ich mich an den Tresen setzen, vier Bier bestellen und grimmig schauen. Ich kann auch nicht so grimmig schauen, weil ich sowieso eher selten grimmig bin, und trotzdem nicht am Leben in der Boazn teilhabe.

Das besondere an jenen Eckkneipen ist ja, dass auch ein Fremder recht schnell Anschluss findet, obwohl die vier, fünf, sechs Stammgäste zusammen auf den ersten Blick wie ein verschlossener, auf sich selbst eingeschworener Haufen wirken. Stimmt aber in so ziemlich allen Fällen nicht.

Wenn ich also teilhaben will, dann geht das – und zwar sogar ohne zu sprechen. Es ist wie auf einer Reise in ein Land, dessen Sprache man nicht spricht: Ein interessiertes Lächeln ist tausendmal besser, als jede Höflichkeitsfloskel. Und hilft auch mehr. So auch in der Boazn. Wenn ich einmal nicht meine Bappn aufreißen will, aber trotzdem mit dabei sein will, dann geht das.

Viel schwieriger ist das unglücklicherweise in einem Land, in das ich nicht nur reise, auch nicht nur mein Leben verbringen, sondern in dem ich leben will. Noch unglücklicher wird es, wenn ich in einem Land geboren werde, meine Eltern aus einem anderen Land kommen, und keiner es schafft, mir die Sprache beizubringen. Die Eltern tragen da noch am wenigsten Schuld. Denn: Ein Land braucht die Menschen anderer Länder, erst dann kann es sich vielfältig und gut weiterentwickeln. Nehmen Sie Bayern: Hier waren die Kelten und die Bajuwaren und die Römer und von mir aus auch noch die Hugenotten und die Hottentotten; und was sind wir längst: ein lustiger, manchmal sogar erfrischend rebellischer Haufen – sogar mit einer eigenen Sprache.

Ich habe es schon erlebt, dass Menschen, deren Eltern aus der Türkei oder aus Ghana zu uns kamen, ein schöneres Bairisch geredet haben, als manch Hiesiger, dem in der Schule der Dialekt abgewöhnt wurde. Wundert Sie es, dass diese Menschen in ihre Dorf- oder Stadt- oder Landgemeinschaft voll integriert sind, samt Feuerwehrfest und Sportverein? Etwas Schöneres kann ich mir kaum vorstellen.

Artikel vom 09.10.2008
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