Alkohol- und Drogenabhängige suchen neue Treffs

München - Die Zugvogel-Szene

Glasscherben, aber auch Fixerbesteck und Fäkalien auf Gehwegen und in Hausfluren bringen die Anwohner des Sendlinger-Tor-Platzes zur Verzweiflung: CSU-Stadtrat Quaas hofft, dass die Probleme mit den hier ansässigen Randgruppen gelöst werden können.Foto:

Glasscherben, aber auch Fixerbesteck und Fäkalien auf Gehwegen und in Hausfluren bringen die Anwohner des Sendlinger-Tor-Platzes zur Verzweiflung: CSU-Stadtrat Quaas hofft, dass die Probleme mit den hier ansässigen Randgruppen gelöst werden können.Foto:

Münchens Alkohol- und Drogenszene ist wieder mal auf Wanderschaft: Seit ihr ehemals beliebter Treffpunkt am Orleansplatz videoüberwacht wird, kommt sie fast täglich am Sendlinger Tor zusammen. Sobald die Polizei dort patrouilliert, werden die Münchner Freiheit oder der Schwabinger Artur-Kutscher-Platz aufgesucht.

Artur-Kutscher-Platz
Schwabing · Artur-Kutscher-Platz
Wie gehts weiter mit dem Schwabinger Artur-Kutscher-Platz

„Die Mitglieder dieser Szene sind Zugvögel, wo immer die Polizei auftaucht, ziehen sie weiter“, fasst Werner Lederer-Piloty (SPD) zusammen, Chef des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann (BA 12). Doch werden die Probleme, mit denen Alkohol- und Drogenkranke kämpfen, überhaupt gelöst, indem die Szene von Stadtteil zu Stadtteil getrieben wird?

CSU-Stadtrat Richard Quaas findet deutliche Worte für die Situation am Sendlinger Tor: Mit „Drogen- und Pennerszene terrorisiert Anlieger“ betitelt er einen Brief an Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). Kaum ein Tag vergeht, schreibt er darin, ohne dass Bewohner, Geschäftsleute und Passanten „durch dieses Klientel und ihre teils sehr aggressiven Hunde massiv belästigt und teilweise sogar bedroht werden“. Gehwege sowie Hausflure würden durch Fixerbesteck, Glasscherben und Fäkalien verschmutzt, überhaupt „droht das Viertel zu kippen“. Laut Quaas werde zudem „mehr oder weniger offen gedealt“.

Kriminaloberrat Armin Aumiller, Leiter des Münchner Rauschgiftdezernats, weist dies zurück: Die einzige Szene, die sich offen ihrer Sucht hingibt, sei die Alkoholikerszene. Generell gehören die Menschen an der Münchner Freiheit und am Sendlinger Tor keiner klassischen Drogenszene an – „vielmehr kommen hier unterschiedliche soziale Randgruppen zusammen: In dieser Misch-Szene sind Rauschgiftsüchtige, aber auch Alkoholkranke und die sogenannten Wohnungsflüchter beisammen.“ Letztere seien Menschen, die kaum eine Perspektive im Leben haben, die nichts zu Hause hält.

„Natürlich sind das alles problematische Fälle“, sagt Aumiller. Alle Vergehen, wie zum Beispiel Ladendiebstähle, die von ihnen begangen werden, werden verfolgt. Auch werde an den Treffpunkten dieser Misch-Szene verstärkt Streife gegangen; sobald die Polizei vor Ort ist, löse sich die Gruppe in der Regel vorübergehend auf.

Doch wie sinnvoll ist es, dass die Probleme, die Anwohner mit Randgruppen haben, von Stadtteil zu Stadtteil wandern? „Wir halten es für wichtig, dass sich die Szene nirgendwo festsetzen kann, dass sie immer in Bewegung bleibt“, sagt Aumiller. „So wird beispielsweise der Erstkontakt zu Rauschgiftsüchtigen erschwert.“ Wenn sich ein suchtgefährdeter Jugendlicher Drogen besorgen möchte, hat er erstmal keine Anlaufstelle. „Und wenn sich die Alkoholkranken an einem Ort allzu heimisch fühlen, verhalten sie sich dort immer lauter und ungenierter.“ Allerdings: „Die Polizei kann nicht alle Probleme, die mit solchen Szenen einhergehen, alleine lösen. Es handelt sich hier um gesellschaftliche Probleme.“

Franz Herzog, Streetworker und stellvertretender Dienststellenleiter der Teestube „komm“, hat bei seiner Arbeit mit Randgruppen gute Erfahrungen gemacht: „Wir versuchen, ihnen deutlich zu machen, dass sie Verantwortung übernehmen müssen, wenn sie dauerhaft an einem Platz bleiben wollen.“ Die Wohnflüchter-Szene am Michaelibad beispielsweise habe sich seine Appelle zu Herzen genommen. Hilfreich bei der dort erfolgreichen Arbeit sei auch, dass die Anwohner Verständnis für die schwierige Situation dieser Menschen aufbringen, „denn irgendwo müssen sie ja hin.“ Von Nadine Nöhmaier

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Artikel vom 26.06.2008
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