Albrecht Ackerland über Überwacher

München - „Da schau her“

So hatten wir nicht gewettet: Das Auto voll Schlammspritzer, der Rasen im Vorgarten aber sowas von unordentlich, verwelkte Blüten, die nicht abgeschnitten waren. Und ein Kind, das im Garten quengelte. Ich war zu Besuch bei Bekannten aus der Vorstadt und spazierte ein wenig durch die Neubausiedlung. Freilich notierte ich mir die Adresse dieser Grattler. Einer muss ja wohl für Ordnung sorgen.

Dann fuhr ich zurück in die Stadt. Bei mir ums Eck standen ein paar Jungs am Gehsteig, es war ein lauer Abend, sie hatten eine Riesengaudi und tranken Bier aus Flaschen. Ich war sofort zur Stelle. So geht das nicht, Bier auf der Straße, wo samma denn, und überhaupt. Ich nahm ihnen die Flaschen ab und gab bekannt, dass ich Derartiges nie wieder sehen will. Dann würde ich jetzt auch ein Auge zudrücken. Nein, auf der Straße rumstehen, also irgendwo hört der Spaß auf.

Dann schreckte ich hoch: Ich hatte geschlafen, und im Albtraum war ich bei der Sicherheitswacht. Am Tag zuvor hatte ich von dem Aufruf der Münchner Polizei gelesen, sie suche neue Sicherheitswächter.

Ich weiß nicht genau, was das sein soll. Im Traum jedenfalls fühlte es sich gar nicht gut an. Ich hatte ein seltsames Machtgefühl gepaart mit einer Gschaftlerei, wie sie schlimmer nicht sein konnte. Seitdem mache ich mir ernsthaft Sorgen, was in meinem Unterbewusstsein los ist.

In meinem Bewusstsein war aber etwas ganz anderes los. Ich war wach, es war kein Traum: Ich war in meinem Viertel unterwegs und sorgte für Ordnung, einfach so: Ich schimpfte eine alte Frau, die Tauben fütterte, einen Mann, der seinen Hund mitten auf den Gehsteig scheißen hatte lassen und eine Mutter, die ihr zweijähriges Kind auf der Straße anbrüllte. Dafür braucht kein Mensch eine Armbinde, eine Ausbildung oder sonst irgendetwas mächtig Gschaftliges. Es reicht: Herz. Und unser Münchner Motto. Leben und leben lassen.

Artikel vom 24.04.2008
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