„communal08“: Schüler stellen klar, wie junge Lokalpolitik aussieht

München - Endlich einmischen

Mehr mitreden: Das Projekt „communal08“ kämpft für mehr Mitsprache Jugendlicher in der Lokalpolitik.	 Bild: clash

Mehr mitreden: Das Projekt „communal08“ kämpft für mehr Mitsprache Jugendlicher in der Lokalpolitik. Bild: clash

Einen Seniorenbeirat hat die Stadt, ebenso einen Ausländerbeirat. „Doch warum gibt es in München keinen städtischen Jugendbeirat?“, fragt die 18-jährige Anahita Bidjanbeg. Nach Ansicht der Schülersprecherin des Pestalozzi-Gymnasiums und vieler anderer Schüler lasse die Stadt junge Münchner bei Themen, die sie betreffen, viel zu selten mitreden und -entscheiden.

Vor sieben Jahren etwa wollten zahlreiche junge Leute ein selbstverwaltetes Jugendzentrum an der Hackerbrücke errichten – viel kreative Energie, die letztlich im Sumpf der Stadtverwaltung und vor allem im Sog der Immobilienwirtschaft unterging. Seit vier Jahren bauen junge Leute einen Jugendrat auf, ein effektives Anhörungsrecht gegenüber den „großen“ Politikern gibt es seitdem nicht. Das alles soll sich jetzt ändern: „communal08“ heißt ein Gemeinschaftsprojekt von Kreisjugendring (KJR) München-Stadt und Münchner Jugendrat, bei dem Münchner Jugendliche kommunale Forderungen erarbeiten und diese im Herbst, zu Beginn der heißen Phase des Kommunalwahlkampfs, an Politiker richten.

In der Hoffnung freilich, dass die wahlkämpfenden Politiker die Belange der Jugendlichen ernst nehmen – im März 2008 wird schließlich neu über die Besetzung des Stadtrates entschieden „Meine wichtigste Forderung ist die Senkung des Wahlalters“, sagte der 17-jährige Gymnasiast Jakob Hahn bei der Auftaktveranstaltung zu „communal08“ Mitte Mai im Gewerkschaftshaus an der Schwanthalerstraße. Seit vielen Jahren engagiert er sich politisch und hat sich eine eigene Meinung gebildet – „doch entscheiden kann ich nichts.“ Er fühlt sich daher nicht ernst genommen von der Politik.

Anahita Bidjanbeg stimmt zu: „Oft beschließt der Stadtrat über Dinge, die die Jugend angeht, ohne unsere Meinung darüber einzuholen. Dabei haben Erwachsene oft andere Vorstellungen davon, was Jugendliche gut finden, sie sehen oft andere Aspekte als wir.“

Daher soll laut Anahita endlich eine „StadtschülerInnenvertretung“ gegründet werden, die im Rathaus mitreden kann. Eine solche Vertretung wird seit Jahren vom Münchner Schülerbüro und dem Jugendrat gefordert – bislang ist sie am lieben Geld gescheitert. Unverständlich für Anahita – für einen Seniorenbeirat beispielsweise sei ja auch Geld vorhanden. Weiter forderten die Schüler beim „communal08“-Auftakt günstigere MVG-Tarife für Jugendliche, günstigere Wohnmöglichkeiten für Azubis und Studenten – und überhaupt mehr Anstrengungen gegen die zunehmende Jugendarmut: Denn elf Prozent der Münchner Jugendlichen unter 15 Jahren leben in Haushalten, die Arbeitslosengeld II beziehen – laut Sylvio Bohr, Mitorganisator des „communal08“-Projekts, würden vor allem Hauptschüler in die Armut abrutschen. „Daher unsere Forderungen: eine bessere Vernetzung von Schulen und Jugendarbeit und eine intensivere Betreuung von arbeitslosen Jugendlichen.“

Die Jugendlichen des „communal08“-Projekts fordern aber nicht nur, sie werden auch ganz praktisch im Münchner Kommunalwahlkampf mitmischen. Bohr: „Beispielsweise engagieren wir uns gegen die rechtsextreme Bürgerinitiative ‚Pro München e.V.‘, die zur Wahl antreten wird.“ Die Jugendlichen hätten sich bereits die Internet-Seiten www.promuenchen.net und www.promuenchen.org gesichert, auf denen sie über die rechte Gesinnung der Gruppierung informieren wollen.

Bis zum Herbst sollen sämtliche Forderungen von „communal08“ durch ständige Diskussionen der Projektteilnehmer konkretisiert und in Form gebracht sein. Damit die Jugendlichen schließlich auch gehört werden, macht sich der Kreisjugendring München-Stadt die zentralen Forderungen zu eigen, um Öffentlichkeit und Politik damit zu konfrontieren. Hervorragende Kontakte ins Rathaus jedenfalls sind vorhanden: SPD-Stadtrat Christian Müller etwa war Anfang des Jahrzehnts Vorsitzender des KJR, von Menschen und Machern wie ihm erwarten die jungen Münchner junge Politik.

Müllers Stadtratskollege Nik Gradl (SPD), einer der jüngsten im Münchner Rathaus, sieht im Projekt „communal08“ denn auch gute Chancen: „Es ist schlau, dass die Macher von ‚communal08‘ so frühzeitig mit ihrer Arbeit beginnen“, sagt er. Schließlich hätten die Parteien ihr Wahlprogramm noch nicht fertiggestellt. „Wenn Grüne, SPD, FDP und CSU in den kommenden Monaten von jungen Leuten mit durchdachten Forderungen konfrontiert werden, können diese noch ins Wahlprogramm aufgenommen werden. Ich bin gespannt, was herauskommt.“

Eine der Hauptforderungen ist übrigens bereits auf dem besten Weg, realisiert zu werden: Mitte Mai wurde im Rathaus beschlossen, endlich eine offizielle StadtschülerInnenvertretung zu unterstützen. „Im kommenden Schuljahr 2007/08, spätestens bis zu den Zwischenzeugnissen, soll diese ihre Arbeit aufnehmen“, sagt Gradl. „Ein Etat wird bereitgestellt, über die Größe wird noch verhandelt. Ebenso über die konkrete Form der SchülerInnenvertretung sowie ihre konkreten Mitwirkungsmöglichkeiten. Wichtig ist, dass dann nicht nur Gymnasiasten mitreden, sondern auch Haupt- und Realschüler beispielsweise.“

Allerdings soll die SchülerInnenvertretung vermutlich nicht zu sämtlichen Stadtratsbeschlüssen gehört werden, der Aufwand ist zu hoch. Gradl: „Ich wäre allerdings dafür, dass die SchülerInnenvertretung ein umfassendes Mitspracherecht bekommt. Wir werden in den kommenden Monaten mit allen Beteiligten durchdiskutieren, inwiefern das realisierbar ist.“ Jetzt, in Zeiten des Wahlkampfes, sei jedenfalls vieles zu erreichen, was man zuvor nicht für möglich gehalten hätte.

Wer bei „communal 08“ mitmachen will, kann sich an Kreisjugendring-Mitarbeiter Sylvio Bohr wenden, Telefon 01 71 / 8 66 63 12, E-Mail: s.bohr@kjr-m.de. von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 31.05.2007
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