Albrecht Ackerland über Mitsprache

München - „Da schau her“

Wer hat eigentlich die eigentliche Macht im Land? Die Mama, die zuhause die Kinder aufzieht? Der Papa, der zuhause die Kinder aufzieht? Der Papa, der erst abends von der Arbeit kommt und eigentlich nie Zeit hat, auch am Samstag nicht, weil irgendwann schließlich auch das Auto gepflegt werden will? Oder eben die Mama, die das Geld ranschafft? Was, wenn beide arbeiten? Dann die Oma? Hände auf die Bettdecke und sowas?

Zumindest haben die Kinder früher einmal die Zukunft besessen. Das aber hat sich verschoben: Die eigentliche Macht über die viel zu wenigen Kinder hat viel zu oft das von der Werbung erweckte Bedürfnis nach Konsum ohne Not. Ist also die bunte Reklame der schwarze Teufel? Jedenfalls gehört den Kindern wohl kaum die Zukunft, glaubt man den Hochrechnungen über die Bevölkerungsentwicklung, über das Sinken der Geburtenrate und damit eben über die immer und überall wie ein Teufel beschworene Vergreisung der Gesellschaft.

Vor kurzem bin ich von der Maxvorstadt nach Obergiesing gezogen. Wenn ich jetzt aus dem Fenster schaue, sehe ich endlich wieder alte Frauen im Kittelschurz und Buben mit Fußball unterm Arm und normale Mittzwanziger – nicht nur aufgebrezelte Studenten und zugezogene junggebliebene Besserverdiener, wie sie die Maxvorstadt bevölkern. Eine kaputte Altersstruktur erkenne ich eher noch dort. Nimmt man den Weg von der Maxvorstadt ins normale Giesing über das Gärtnerplatzviertel, so tränen einem fast die Augen: Keiner ohne Kinderwagen! Die Zukunft wohnt scheinbar am Gärtnerplatz. Hat also das Viertel die meiste Macht? Nein.

Schaut man einmal genauer hin, so wohnen in der ganzen Stadt viele junge Menschen, es müssen ja nicht nur Kleinkinder sein. Im Hasenbergl wie in Bogenhausen. Nun sagt man gerade den nicht so wohlhabend aufwachsenden und damit leider oft bildungsschwächeren jungen Menschen nach, Macht und Mitsprache täte ihnen nicht gut, da kommt nur Extremismus dabei heraus. Doch einen rechtsradikalen Deutsch-Vietnamesen, den will ich erst einmal treffen. Man sollte allen Menschen Macht geben, so früh wie möglich: Das ist die Bedeutung von Demokratie. Wer sagt, Macht bedürfe einer gewissen Reife, der meint damit auch, dass wir es nicht schaffen, jeden so früh wie möglich reif zu machen für Macht, ein Bewusstsein zu schaffen für die Möglichkeiten des Einzelnen. Also: Kinder an die Macht. Die Alten sind es schon – wenn auch zu Recht, schließlich gehört ihnen angeblich die Zukunft. Noch.

Artikel vom 31.05.2007
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