Väterchen Timofej feierte Geburtstag

Ein Münchner Urgestein wird 107

Einen Staubsauger vom Oberbürgermeister und die Aufmerksamkeit seiner Freunde - mehr wünschte sich Väterchen Timofej nicht zu seinem 107. Geburtstag, der am Montag groß gefeiert wurde.

(asw) Was wünscht sich wohl ein Mann zum 107. Geburtstag, der sein ganzes Hab und Gut aus den Trümmern des 2. Weltkriegs aufgebaut hat und damit mehr als zufrieden ist? - Ein Staubsauger für die eigene Kirche war es im Fall des Eremiten und ältesten Münchners, Väterchen Timofej. Und dieser Wunsch wurde ihm natürlich prompt von Oberbürgermeister Christian Ude und seiner Frau Edith von Welser-Ude erfüllt, die auch dieses Jahr wieder persönlich ihre Glückwünsche aussprachen. Die Faszination, die dieser Mann mit seiner Art, seiner Geschichte und seiner Lebensweise ausstrahlt, macht eben weder vor jung noch vor alt halt. Und so standen auch am letzten Montag wieder Freunde, Verwandte, Fernsehteams und Journalisten dicht gedrängt in der kleinen bescheidenen Wohnstube am Spiridon-Louis-Ring 100. Alle versammelten sich um den Geburtstagstisch, der beladen war mit Essen, Blumen und Kerzen, alles Geschenke von Freunden, die von überall her gekommen waren, um diesen Tag mit ihm zu verbringen. Einige von ihnen, die außerhalb der Stadt leben, haben sich zu der Organisation „Blumen der Welt“ zusammengeschlossen und besuchen den Eremiten alle zwei Monate, um ihm im Garten und im Haus zur Hand zu gehen. Doch auch im Alltag hat er viele liebe Helfer, die ihm bei allen anfallenden Arbeiten tatkräftig zur Seite stehen. Dies bedeutet aber nicht, dass es unmöglich ist, ihn im Sommer schon mal selbst beim Holzhacken in seinem Garten anzutreffen. Auch dieses Jahr kam wieder die Frage auf, ob es wirklich sein kann, dass dieser Mann schon ein so hohes Alter erreicht hat, da sein Geburtsdatum nicht offiziell belegt ist. Denn wie 107 wirkt er nun wirklich noch nicht. Doch Christian Ude bestätigte in seiner Geburtstagsansprache aus eigener Erfahrung, dass Timofej Prochorow schon in den 50er Jahren ein älterer Herr war. Väterchen Timofej hat sich auf jeden Fall über die vielen Besucher gefreut und nannte das enorme Interesse an seiner Person sein „größtes Glück“. Auch dieses Jahr spielte er für seine Gäste wieder auf der Heimorgel und sang mit seiner dunklen kräftigen Stimme dazu. Aber nicht nur an seinen Geburtstagen, von denen er hoffentlich noch viele feiern wird, ist sein Haus für Besucher zugänglich. Er dankt den Münchnern mit einer offenen Tür für ihre langjährige Unterstützung, die dafür gesorgt hat, dass nicht einmal die Olympischen Spiele 1972 ihn aus seinem neuen Zuhause vertreiben konnten, obwohl er für all seine Gebäude bis heute keine Baugenehmigung hat. Sein geöffnetes Gartentürchen im Olympiapark ist als Einladung zu deuten, näher zu treten, die Faszination auf sich wirken zu lassen und in Timofejs Ost-West-Friedenskirche ein paar Momente der Besinnung zu erleben. Mit einigem Glück sitzt er mit seinem langen weißen Bart vor seinem Häuschen und verkauft einem etwas von seinem selbst angebauten Obst, was im Sommer öfters sein kann. Der nächste Spaziergang im Olympiapark sollte also auf jeden Fall mit einem Abstecher beim ältesten Münchner verbunden werden.

Artikel vom 24.01.2001
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