„Ausländische Unternehmer sind risikobereiter“

München - Migranten als Jobmotor

Es ist ein nicht totzukriegendes Lamento: Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg! Dass es in dieser Diskussion auch eine andere Seite gibt, wird schon mal übersehen. Doch die von der Stadt in Auftrag gegebene Studie „Ethnische Ökonomien in München“ zeigt Schwarz auf Weiß, wie die Einwanderer und ihre Nachkommen Münchens Wirtschaft ankurbeln.

100.000 Arbeitsplätze in München sind aktuell von ausländischen Unternehmern geschaffen worden, wie die Unternehmensberatung Ramboll Management ermittelte. Ihrer Studie zufolge machen sich Ausländer in Bayern 3,6 mal häufiger selbstständig als Deutsche – 78 Prozent der Befragten haben zudem Mitarbeiter angestellt. „Die Studie dokumentiert sehr eindrucksvoll, dass Migrantinnen und Migranten einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellen“, kommentierte Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Die meisten Münchner Migranten arbeiten in der Gastronomie, im Handel und im Dienstleistungsgewerbe. Besonders geschäftig sind Einwanderer aus Österreich, Italien, Griechenland, Asien und dem früheren Jugoslawien. In den seltensten Fällen ist ihre Existenzgründung ein Ausweg aus der Arbeitslosigkeit: Nur drei Prozent der in der Studie Befragten waren vorher ohne Beschäftigung. Die überwiegende Mehrheit ist dagegen von der Hoffnung, mehr Geld zu verdienen (66 Prozent) und vom Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstständigkeit (54 Prozent) angetrieben.

Cumali Naz, Vorsitzender des Ausländerbeirats der Stadt, ist von diesen Zahlen nicht überrascht: „Ausländische Unternehmer sind risikobereiter – besonders die junge Generation“ – so seine Erfahrung. Er ist aber froh, endlich Zahlen zu haben, die seine Einschätzung belegen. „Diese Studie sollte man jetzt immer wieder in die Debatte einwerfen“, findet Naz. Schon lange weist sein Gremium auf den Beitrag hin, den ausländische Gewerbetreibende für die Münchner Wirtschaft leisten. Nicht umsonst ist der Ausländerbeirat auch Mitveranstalter des alljährlichen „Tags des ausländischen Unternehmers“.

Naz selbst arbeitet im Hauptbahnhofviertel, in dem man am Anschaulichsten erleben könne, wie umtriebig die ausländischen Unternehmer seien: „Dort gibt es Geschäfte in allen Branchen. Einer internationalen Stadt kann das nur gut tun – und auch die Einheimischen profitieren davon.“

Die Gründe, die Immigranten in die Selbstständigkeit führen, hängen oft mit den Motiven zusammen, die sie überhaupt erst nach Deutschland gebracht haben: „Die meisten sind hier, um wirtschaftlich aufzusteigen“, erklärt Naz: „Und viele stellen fest, dass dieser Aufstieg als Angestellter häufig nicht läuft wie erhofft. Darum versuchen sie es auf anderem Wege.“

Ein anderer Punkt sei, dass Ausländer oft auf ein großes Netzwerk aus Verwandten und Freunden zurückgreifen können, das ihnen bei der Unternehmensgründung unter die Arme greift. „Da geht nicht jeder gleich zur Bank, wenn er Startkapital braucht, sondern wendet sich an Bekannte.“ Auf diese Weise wird schon einmal eine riesige Hürde überwunden, an der sonst viele potenzielle Unternehmer in Deutschland scheitern würden.

Die Studienergebnisse kommen Naz zufolge einer Aufforderung an die Politik gleich, ausländischen Unternehmern durch mehr Förderung und den Abbau bürokratischer Hürden noch stärker unter die Arme zu greifen: „Eine gesunde Wirtschaftsstruktur braucht risikobereite Menschen, darum müssen wir diese gezielt fördern, damit sie eine sichere Basis haben.“

Dabei müssen nach Naz’ Ansicht auch die Banken in die Pflicht genommen werden. Sehr angetan ist er etwa von der Eröffnung einer türkischsprachigen Filiale der Deutschen Bank in der Riesenfeldstraße, von der er sich einen kleinen Schub für türkische Unternehmer erhofft: „Das sind genau die richtigen Ansätze.“

Glaubt man dem Beiratschef, schlummert jedenfalls noch einiges an ungenutztem Potenzial in Münchens Migranten: „Ich kenne noch sehr viele Leute mit guten Geschäftsideen.“

Von Martin Hoffmann

Artikel vom 10.05.2007
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