Premiere im Lustspielhaus: Wilhelm Tell

München - Lustiges Armbrustical

„Her mit reinem Blut“: Vampir-Fürst (Severin Groebner, rechts) und Dr. Rösselmann (Norbert Steinke). Foto: VA

„Her mit reinem Blut“: Vampir-Fürst (Severin Groebner, rechts) und Dr. Rösselmann (Norbert Steinke). Foto: VA

Es fehlen weder „Hohle Gasse“ noch Apfelschuss. Aber ansonsten geht’s in der speziellen Version der Wilhelm-Tell-Legende, die am Dienstag im Lustspielhaus für donnernden Premierenapplaus sorgte, alles andere als hochehrwürdig zu: Biedermänner treffen auf Blutsauger, Helden auf Halsschlagadern, Sänger auf Sauna.

Und das sollte man sich nicht entgehen lassen, nicht nur, weil „Wilhelm Tell und die Fürstin der Finsternis“ das wohl erste Armbrustical der Welt ist. Das charmant durchgeknallte Musical ist noch bis Samstag, 10. Februar, jeweils von Dienstag bis Samstag um 20.30 Uhr zu sehen (Einlass 18.30 Uhr, Karten unter Tel 34 49 74).

Alexander Liegl und Gabi Rothmüller, die Autoren des erfolgreichen Germanicals „Siegfried“, haben auf der Basis der Tell-Legende ein Spektakel entworfen, das mit guter Musik (Aron Altmann) und hervorragenden Gesangseinlagen aufwartet. Garant für Qualität ist hier vor allem die aus dem Brixener „Theater Dekadenz“ stammende Antonia Tinkhauser als Fürstin der Finsternis. Ihr ist die blutsaugende Rolle der Vampirfürstin mit viel Musical-Gesang auf den Leib geschrieben, wie beim Ausfall des Mikros deutlich wurde. Mit Harras (grandios: Severin Groebner) und ihren Vampirinnen (Stefanie von Poser, Doris Greza, Ulrike Liegl-Kempter und Gabi Rothmüller) versetzt sie eine biedere Schweizer (oder doch bayerische?) Gesellschaft in Angst und Schrecken.

Die Bedrohung versucht das anscheinend vor Fleiß und Anstand nur so strotzende Bürgertum zu verdrängen – dabei wollen Wilhelm Tell (Alexander Liegl) mit Frau (Ruth-Claire Lederle) und Sohn Wältli (Paul Sedlmeir) nur ihre Ruhe. Sie und der brave Herr Stauffacher (Severin Groebner) mit „Nichte“ (Stefanie von Poser) und der ständig Aderlass-Opfer suchende Doktor Rösselmann (Norbert Steinke) werden des Nachts aber doch davon eingeholt...

Besonders Alexander Liegl ruft mit dem Rollen- und Wortwitz seiner Auftritte immer wieder Szenenapplaus hervor. Seine dümmlich ansetzenden und sich pointiert zuspitzenden Reime, welche die Legende ebenso karikieren wie heutige Alltäglichkeiten, sind eines der Highlights im Stück.

Das Spektakel um Apfel, Armbrust und Aderlass lebt von Spiel und Musik, welche die Schauspieler ebenso gekonnt darbieten wie die gelernte Sängerin Tinkhauser als Fürstin. Sie endet übrigens ermordet im nebelumwobenen Sarg an der Wand. Und nur der entfesselte Applaus des Premierenpublikums stört den wiedergekehrten Frieden im biederen Schwitzerland. Chapeau! von Angela Boschert

Artikel vom 18.01.2007
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