Albrecht Ackerland über Vorsätze

München - „Da schau her“

Sind Sie gut hereingerutscht ins Neue? Ich hoffe es. Mein Rutsch jedenfalls war kurzzeitig gefährdet. Nicht bedrohlich, zumindest nicht körperlich. Aber zu einem guten Jahresbeginn gehört eben gute Laune, und die wurde mir beinahe vermiest. Doch ich konnte mir mit einem Trick helfen. Diesmal zog ich es vor, allein hereinzufeiern. Erst mal. Später würde ich schon noch weggehen, je nach Laune ins Schumann’s oder ins Jennerwein. So stellte ich es mir vor.

Doch zuerst eben allein, ganz für mich, mit frisch gebratenen Fleischpflanzerln und Schlumberger-Rosé-Sekt und Bayern4-Klassik.

Kurz vor zwölf dann vor die Tür. Ich hatte mir eine einzelne Rakete besorgt und vier Kracher. Man will es ja nicht übertreiben. So schön hatte ich es mir vorgestellt: Unten, vor dem Haus, meine persönliche Mischung aus Neujahrs-Sentimentalität und -Grant pflegen, dann mal sehen. Doch Frau Schneidbrenner aus dem Zweiten hatte sich das wohl auch so ähnlich vorgestellt. Wäre ja nicht so schlimm gewesen, wenn nicht erst die Rakete und dann drei der vier Böller blindgegangen wären. Die Schneidbrennerin nahm das zum Anlass, ihre Altersweisheit explodieren zu lassen. Nur für mich allein. Der reinste Schrecken. Doch ich setzte einen besonderen Trick ein: Immer auf nicht gestellte Fragen zu antworten, das buttert jeden ein!

„Mei, Herr Ackerland, da steht Ihnen ein schlechtes Jahr ins Haus, wenn schon gleich das Erste, das Sie vorhaben, nicht hinhaut.“ – „Frau Schneidbrenner, ich wünsche Ihnen auch ein gutes, neues Jahr!“ – „Gut. Aber glauben Sie nicht, dass es etwas zu bedeuten hat, wenn Ihr Feuerwerk nicht geht?“ – „Vielen Dank, ja, Gesundheit wünsch’ ich Ihnen auch, und Frohsinn, und viele schöne Stunden mit Florian Silbereisen!“ – „Was haben Sie denn so für Vorsätze, Herr Ackerland?“ – „Ich sag’s Ihnen, Frau Schneidbrenner: Wenn Sie in die Fleischpflanzerln ein wenig Muskat reiben und Koriander zerstoßen, dann bekommen diese eine exotische Note. Müssen Sie unbedingt mal ausprobieren!“ – „Ich freu mich schon sehr auf den Sommer, und Ostern, und den Papstbesuch.“ Ich verstand.

Jetzt mussten härtere Mittel greifen. Ich bat die Schneidbrennerin in meine nach Fleischpflanzerl-Bratfett duftende Wohnung, goss ihr ein Biene-Maja-Senfglas voll mit Hollerlikör und holte ein Blatt Papier. Auf dem stand zwar nichts, ich aber las ihr trotzdem vor: „Lieber Mensch, hier schreibt 2007! Lassen Sie sich nicht schrecken von kleinen Nervenbelastungen kurz nach meinem Beginn. Nehmen Sie sich auch nichts vor. Warten Sie nicht auf große Sportereignisse, ich habe kaum welche zu bieten, außer vielleicht eine Ruder-WM, von der ich aber noch nicht weiß, was ich von ihr halten soll. Freuen Sie sich dafür auf viele Viktualienmarktbesuche, schließlich feiert der 200. Geburtstag. Sehen Sie so wenig Kerner und Silbereisen wie nur irgend möglich. Hören Sie nicht mit dem Rauchen auf, es wird eh bald ganz verboten. Und seien Sie freundlich zu Ihren Nachbarn.“

Die Schneidbrennerin hatte feuchte Augen. „Mei, Ackerland, Sie müssen ja wirklich gute Kontakte haben, dass Ihnen das Jahr persönlich schreibt!“ Ja, sagte ich – und goss ihr nach.

Seither treffe ich die Schneidbrennerin täglich, und verzückt ist gar kein Ausdruck für den Grad ihrer Freude. Es sei der schönste Jahreswechsel für sie in ihrem Leben gewesen. Dabei hatte sie ihn sich gar nicht vorgenommen. So geht’s.

Artikel vom 04.01.2007
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