… fürs Leben betreiben Moosacher Schüler einen »Bike-Service«

Moosach · Nicht für die Schule…

Schulsozialarbeiter Tomek Wojtachnia unterstützt die »Mechaniker« der Hauptschule an der Leipziger Straße bei ihren Radl-Reparaturen.	 Foto: gw

Schulsozialarbeiter Tomek Wojtachnia unterstützt die »Mechaniker« der Hauptschule an der Leipziger Straße bei ihren Radl-Reparaturen. Foto: gw

Moosach · Fahrradfahren kann jeder, bei Schülern ist es das Verkehrsmittel Nummer eins. Aber wohin, wenn dem Radl die Luft ausgeht? Oder das Licht flackert? Für Schüler und Lehrer der Hauptschule in Moosach ist das seit ein paar Monaten keine Frage mehr: Sie gehen zum »Moosacher Bike-Service«. Der befindet sich wie ihre Schule in der Leipziger Straße 7.

Was kein Zufall ist, denn der Bike-Service ist eine von Schülern betriebene Firma.

Jeden Montag- und Mittwochnachmittag kommen bis zu zwölf Nachwuchsmechaniker in der schuleigenen Werkstatt zusammen. Unter Aufsicht von Schulsozialarbeiter Tomek Wojtachnia bringen sie zunächst ihre eigenen Fahrräder in Schuss. Die Achtklässler flicken oder ersetzen leckgeschlagene Schläuche, erneuern Bremsblöcke und tauschen gerissene Seilzüge an Schaltung und Bremse aus. Sergej hat dafür ein Händchen: aus drei kaputten Fahrrädern zaubert er ein ganzes, das voll funktionsfähig ist. Die Schaltung von hier, die Laufräder von da, der Rahmen von dort – fertig ist das »neue« Rad. Später möchte er beruflich »irgendetwas mit Mechanik« machen, wahrscheinlich als Kfz-Mechaniker. Aber in erster Linie macht die Arbeit hier Spaß. Auch der 15-jährige Francesco ist deshalb hier. »Ich bin gern mit Fahrrädern unterwegs und hier kann ich lernen, wie ich sie selber repariere.«

Wojtachnia weiß, dass »eigentlich alle Jungen gerne basteln«. Tatsächlich waren bisher nur Jungs in der Werkstatt, aber inzwischen trauen sich auch die ersten Mädchen in die Schülerfirma. Zwar noch nicht an die Montageständer, aber wie eine richtige Firma hat auch der Moosacher Bike-Service verschiedene Abteilungen. Die Buchhaltung kalkuliert die Reparaturkosten, die Lohnabteilung zahlt die Löhne aus und die Werbeabteilung, in der jetzt zwei Mädchen arbeiten, hat gerade ein Firmenlogo entworfen. Alle verdienen 1,50 Euro pro Stunde. »Kein großartiges Einkommen«, sagt Wojtachnia, »das ist aber auch nicht die Motivation für die Schüler.« Wichtiger ist ihnen die Freude an der Arbeit. Und auch das Zertifikat das sie für ihr Engagement am Jahresende erhalten und das sich gut in ihren Bewerbungsunterlagen macht. Schließlich müssen die Achtklässler spätestens in einem Jahr an ihre Ausbildungsplätze denken. Trotzdem ist das Geld das sie hier verdienen, eine willkommene Anerkennung. Wenn jemand vor den Ferien seinen Lohn erhält, dann kommen schon 40 oder 50 Euro zusammen – ein schönes Taschengeld.

Bezahlt wird aber nur, wenn es auch Arbeit gibt – schließlich sollen Schüler hier lernen, wie es in der Wirtschaft zugeht. Deshalb nimmt der Moosacher Bike-Service auch Aufträge an: von anderen Schülern, von Lehrern und aus der Nachbarschaft. Inzwischen sind die Jungunternehmer so erfolgreich, dass die Werkstatt erweitert werden musste. Mit Hilfe von Lehrern und dem Werkzeug von Rektor Günther Bartl schafften sie einen Durchbruch in einen angrenzenden Kellerraum, so dass jetzt an drei Montageständern gleichzeitig gearbeitet werden kann.

Konkurrenz durch die Schülerfirma müssen die Moosacher Fahrradgeschäfte jedoch nicht befürchten. Den größten Teil der Kundschaft machen Schüler aus, die ihr Fahrrad auch sonst nicht in eine normale Werkstätte bringen würden, meint Wojtachnia. Und an den abgerissenen und teils schon verrosteten Bremskabeln sieht er, dass die Fahrräder sonst tatsächlich nicht zum Richten gebracht werden. So leistet der Bike-Service der Schule auch einen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Außerdem schickt die Mechaniker-Crew alle Anfragen, die sie selbst nicht bearbeiten können, in die Werkstätten der Umgebung. Und wenn ein Ersatzteil dringend benötigt wird, kaufen sie das selber in den »richtigen« Läden.

Dringend benötigt wird derzeit aber vor allem ein Profi. Die Nachwuchswerkstatt sucht einen Zweiradmechaniker, der den ambitionierten Bastlern mit Know-How unter die Arme greift und in Fragen der Sicherheit grünes Licht geben kann. Der Mechaniker, der die jungen Monteure bis vor kurzem unterstützte, hat einen Vollzeitjob gefunden und musste von Bord gehen. Jetzt hoffen sie auf einen Nachfolger, der auf 400-Euro-Basis sechs Stunden die Woche mitarbeiten kann.

Ohnehin haben Tomek Wojtachnia und seine Kollegin Angelika Kipper alle Hände voll zu tun. Die beiden Schulsozialarbeiter haben an der Hauptschule in der Leipziger Straße nicht nur die Radlwerkstatt aufgezogen, sondern bilden Streitschlichter aus, organisieren die Hausaufgabenbetreuung, bieten Berufsvorbereitungskurse an, unterstützen die Tutoren, betreuen das Schülerradio und sind auch für das Schülercafé da und den »Leipziger Alligator Catering Service« – eine weitere Schülerfirma.

Rektor Günther Bartl weiß, dass er diese Vielfalt in seinem Schulleben nicht nur den beiden Schulsozialarbeitern, sondern auch »unserem sehr engagierten Kollegium« verdankt. Er hofft, dass die Moosacher die Augen öffnen für das, was an seiner Schule alles passiert. »Wir haben immer noch keinen sehr guten Ruf«, muss er immer wieder feststellen. »Dabei können sie bei uns Hauptschüler erleben, die so gar nicht in das alte Klischee passen!«

Denn viele sind mit Begeisterung und Engagement in den Schülerfirmen dabei, arbeiten schnell, freundlich und kundenorientiert und das mit viel Spaß. Für Bartl ist es daher keine Frage, dass er sein Radl auch mal seiner Schülerwerkstatt anvertraut, wenn auf seinem 30 Kilometer langen Weg zur Schule was passiert. Denn die radelt der Rektor fast täglich. Gecko Wagner

Artikel vom 05.12.2006
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