Kleinod in der Großstadt: Die Borstei bekommt ein eigenes Museum

Borstei · Rettung einer guten Idee

Der Hirsch und 60 andere Kunstwerke: Das ist die Siedlung Borstei.Foto: clash

Der Hirsch und 60 andere Kunstwerke: Das ist die Siedlung Borstei.Foto: clash

Borstei · Am Donnerstag, 19. Oktober, wird das neue Borstei-Museum eingeweiht im Beisein von Oberbürgermeister Christian Ude und anderer gewichtiger Persönlichkeiten, ab kommenden Dienstag ist es für alle geöffnet. Kaum einer war einmal in der Borstei, aber von außen kennt sie jeder. Oft fährt der Moosacher an ihr vorbei, entweder vom Mittleren Ring aus, dort wo die Landshuter Allee beginnt, oder auf der Dachauer Straße.

Ihr gelbgestrichener, unregelmäßiger Putz zieht sich vier Stockwerke hoch und einige hundert Meter lang die Straße entlang. Tausende Autos und Lastwagen donnern tagtäglich vorbei an dem kleinen Torbogen, der diese seltene Wohnoase nach außen öffnet. Glück hat, wer sich Zeit nimmt und einbiegt. Kein Maschinenlärm ist mehr zu hören, nur hin und wieder das leise Rauschen der Großstadt. Und sonst: das Geräusch des Laubrechens, spielende Kinder, das Rauschen der Blätter, das Plätschern der Brunnen.

Eine Wohninsel in der Großstadt ist die Borstei - seit beinahe 80 Jahren. Von 1924 bis 1929 hatte der gelernte Maurer und Bauunternehmer Bernhard Borst 77 Häuser mit etwa 770 Wohnungen und Läden errichtet. Samt Parkett aus slowenischer Eiche, Parkanlagen, einem Waschhaus, einem damals einmaligen Fernheizwerk, einer Ladenstraße, die alles für den täglichen Bedarf bereit hält. Und samt dem besonderen Gefühl, das sich einstellt, wenn Menschen in einem durchdachten Raum leben, in dem Kinder unbeschwert miteinander spielen können und die Älteren im Rosengarten zur Ruhe kommen.

Gertraud Borst möchte all das gerne bewahren, die Bauwerke natürlich, aber vor allem diese besondere Lebensart, die sich auf 70.000 Quadratmetern ausbreitet. 82 Jahre ist die Tochter von Bernhard Borst alt und wohnt selbst in der Borstei, deren Errichtung sie »eine herrliche Idee« nennt. Eine Idee, der sie jetzt ein eigenes kleines Museum gewidmet hat, mit Raritäten aus 80 Jahren Borstei.

Für die Touristen, die Nachbarn aus Moosach und Neuhausen, aber auch und vor allem für die Borstei-Bewohner selbst. Noch leben die 2.500 Menschen wie eine große Familie, kennen sich und kümmern sich. Aber der Takt draußen, vor dem Tor, wird schneller. Und so gesellen sich zu den 100-Jährigen, die es in der Borstei auch gibt, immer mehr moderne, flexible Menschen, die nicht aufgewachsen sind im Geist der Siedlung.

Keine gute Entwicklung, findet Borst. »Wer hier wohnt, bekommt ein Daheim. Das ist viel mehr als ein schnödes Dach über dem Kopf, das ist ein Geschenk, das man pflegen muss.« Immer häufiger gebe es etwa Eltern, die ihre Kinder ohne jedes Maß herumtollen ließen, mit dem Fahrrad durch die Rosen und Hecken. »Und dann heißt es: Wieso dürfen die das nicht tun, wir zahlen doch Miete.«

Eine Gedenkstätte will Gertraud Borst, aber vielleicht wird es auch ein wenig eine Mahnung an die Ellbogengesellschaft, die das Wort Gemeinschaft immer seltener kennt und die wohl wenig anfangen könnte mit Bernhard Borst, der einst über seine Siedlung erzählte: »So suchte ich die Wohnfrage zu lösen: Das Schöne des Einfamilienhauses mit dem Praktischen einer Etagenwohnung zu verbinden. Dabei wollte ich alles auf die Entlastung der Hausfrau und auf die Gesundheit der Menschen abstimmen.« (Löfftzstraße 10 / Hofseite. Di und Do 15–19 Uhr, Sa 12–17 Uhr. www.borstei-museum.de) Max Hägler

Artikel vom 17.10.2006
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