Ist das Oktoberfest vor Anschlägen geschützt?

Gefeiert wird – mit Sicherheit

Pack ma’s wieder: Heute startet das berühmteste Volksfest der Welt. Foto: Thorsten Naeser/Tourismusamt München

Pack ma’s wieder: Heute startet das berühmteste Volksfest der Welt. Foto: Thorsten Naeser/Tourismusamt München

Wie sicher ist die Wiesn? Ziemlich, wenn man der Polizei glauben kann. „Das einzige, wovor sich Oktoberfest-Besucher fürchten müssen, ist der Bierpreis“, beruhigt Peter Reichl, stellvertretender Sprecher der Münchner Polizei. Und Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl ergänzt: „Das Oktoberfest ist so weit gesichert wie menschenmöglich.“

300 Polizeibeamte sind vor Ort, diverse private Sicherheitsdienste, zwölf Videokameras, eine Anlaufstelle für Frauen und Mädchen, die sich belästigt fühlen – und zig zusätzliche Beamte haben Bereitschaftsdienst. Die Frage, die sich dennoch stellt, ist: Reichen diese Sicherheitsvorkehrungen aus in einer Zeit, in der international operierender Terrorismus am Werke ist?

300 Polizisten – das klingt nach einer Menge Sicherheit. Andererseits ist das nur ein Bruchteil der 5.000 Beamten, die beim Besuch Benedikts XVI. auf Münchens Straßen eingesetzt waren; und das, obwohl von heute bis 3. Oktober insgesamt sechs bis sieben Millionen Wiesnbesucher erwartet werden.

„Der Papst ist eine der am meisten gefährdeten Menschen der Welt“, erklärt Reichl, „da braucht man ein höheres Sicherheitsaufkommen.“ Es gebe auch schlicht und ergreifend keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Oktoberfest ein Ziel für Terroristen sein könnte. „Die jüngsten Anschläge in Europa passierten in Alltagssituationen, in denen niemand mit derartigen Angriffen gerechnet hatte. Sie passierten nicht auf Großveranstaltungen wie der Wiesn, wo viel Polizei vor Ort und das Entdeckungsrisiko enorm ist“, sagt der Polizei-Sprecher. „Wir sind dennoch gut vorbereitet. Die Wiesn ist sicher wie nie zuvor. Was nicht heißt, dass es absolute Sicherheit gibt.“

Die gab es auch vor 26 Jahren nicht: Am 26. September 1980, um 22.20 Uhr, explodierte ein Sprengsatz in einem Wiesn-Mülleimer. Der Geologiestudent Gundolf Köhler, 21 Jahre jung, Mitglied der rechtsextremen „Wehrsportgruppe Hoffmann“, hatte den bislang schlimmsten Terroranschlag der Bundesrepublik verübt – und diesen wie zwölf weitere Menschen nicht überlebt.

Verbessert hat sich die Sicherheitslage seither nicht. Im Gegenteil, nicht mehr nur deutsche Extremisten bedrohen die Menschen: Seit den New Yorker Anschlägen vom 11. September 2001 stellt der international operierende Terrorismus auch für Deutschland eine abstrakte Gefahr dar, wie Reichl bestätigt. Daher habe die Polizei seit fünf Jahren ihre Präsenz auf dem Oktoberfest verstärkt und die Überwachungsmaßnahmen intensiviert. Jeden Morgen durchsuche die Polizei mit Sprengstoffhunden die Zelte.

Neu ist, dass auch an den Eingängen zur Wiesn verstärkt kontrolliert werde, vor allem große Taschen. Auch sei die Bevölkerung wachsamer als früher – und würde schneller als je zuvor Verdächtiges wie herrenlose Rucksäcke melden. Ein „blinder Alarm“ sei dabei besser als einer zuwenig, so Reichl.

Trotz aller Vorkehrungen bleibt ein Restrisiko: „Keiner kann im Voraus sagen, wer ein Attentäter ist. Das erkennt man nicht unbedingt an Äußerlichkeiten“, sagt Denis Schiller, der seit elf Jahren als Sicherheitsdienst auf der Wiesn arbeitet. Ob er selbst Angst davor hat, hier zu sein? „Wenn man sich wegen Terroranschlägen Sorgen macht, sollte man nicht auf die Wiesn gehen, geschweige denn zwei Wochen lang dort arbeiten“, sagt er. Und bei aller neuen Terrorangst dürfe eins nicht vergessen werden: „Anschläge, Unfälle und Verbrechen sind auch vor 2001 passiert.“

Ein Stück mehr Sicherheit bieten auch die zwölf Videokameras, die sich um 360 Grad drehen können und per Zoom selbst die Bereiche hinter den Zelten, die neuerdings beleuchtet sind, im Sucher haben. „Dank der Kameras konnten wir im vergangenen Jahr einen Vergewaltiger am Tatort festnehmen“, erinnert Reichl.

Überhaupt seien die Sexualdelikte in den vergangenen Jahren durch eine Präventiv-Aktion der Polizei zurückgegangen: „Die überfallartige Vergewaltigung auf dem Heimweg kommt praktisch nicht vor“, sagt Reichl. „Es ist viel gefährlicher für Frauen, sich mit neuen Bekannten ins Auto zu setzen. Auch in der Wohnung des Täters kann keine Polizeistreife aufpassen.“ Daher warnen Plakate in Damentoiletten davor, mit Kurzbekanntschaften mitzugehen. Wer begeistert sei von seinem Aufriss, solle sich lieber für den kommenden Tag im Café verabreden.

Eine Anlaufstelle für alle Mädchen und Frauen, die sich belästigt oder bedroht fühlen, bietet ferner die Aktion „Sichere Wiesn“: Wiesntäglich bis 1 Uhr nachts sind Ansprechpartnerinnen beim „Service Point“ des Servicezentrums Theresienwiese für Hilfe suchende Frauen da – im Gebäude schräg unterhalb der Bavaria.

Artikel vom 14.09.2006
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