Dem Gelben Riesen sind viele Leistungen zu aufwendig: Die Kunden sollen jetzt eben E-Mails schreiben

Internet soll Post ersetzen

Noch wirbt die Post mit solchen Bildern: Ein Brief auf eine Nordseeinsel kostet genauso viel, wie 
jeder andere auch. Doch ab 2009 könnte es sein, dass der Postmann gar nicht mehr klingelt.

Noch wirbt die Post mit solchen Bildern: Ein Brief auf eine Nordseeinsel kostet genauso viel, wie jeder andere auch. Doch ab 2009 könnte es sein, dass der Postmann gar nicht mehr klingelt.

Hoffentlich haben Sie einen Internetanschluss zuhause? Nein? Dann sind sie vielleicht bald nicht mehr richtig erreichbar. Der Postspruch „Schreib doch mal wieder“ hat ausgedient. Vor einigen Tagen haben die Vorstandsvorsitzenden der nationalen Postunternehmen der Niederlande, Schwedens, Finnlands und Deutschlands die vollständige Öffnung der Postmärkte in Europa im Jahre 2009 gefordert.

Für Deutschland könnte damit ein weiterer Abbau von Briefkästen und Postfilialen einhergehen. Und noch viel mehr: Wenn die Forderungen durchgehen, könnte es sein, dass ländliche Gebiete von der kostenintensiven, täglichen Postzustellung abgeschnitten werden oder dass keine Sendungen per Einschreiben mehr möglich sind.

In der Pressemitteilung der Deutschen Post zur Marktliberalisierung ist die Forderung an die Politik kaum bemerkbar: „Gleichzeitig mit der Postmarktöffnung ist eine Modernisierung der Vorgaben für die postalische Grundversorgung, den so genannten Universaldienst, überfällig, um diesen an die heutigen Kommunikationsanforderungen anzupassen.“ Das Kommunikationsverhalten der Deutschen habe sich schließlich durch moderne elektronische Kommunikationsmittel wie „Mobiltelefone, E-Mail, Internet oder SMS“ spürbar verändert.

Was das bedeutet wird klar, wenn man die Forderungen des Bundesverbandes Deutscher Postdienstleister (BVDP) kennt. Zuletzt im November 2005 hat der Verband, zu dem auch die Deutsche Post gehört, detailliert aufgeführt, was die Politik zu ändern habe in der nächsten Zeit.

Zu prüfen sei eine aktuelle Definition der postalischen „Mindestanforderungen“, schließlich habe es „Änderungen im Nachfragerverhalten“ gegeben. Der „Nachfrager“ sind Sie, der Kunde. „Änderungen“ heißt für die Postunternehmen: Viele Leute nutzen E-Mail, deswegen – so der Glaube der Post – kann die „Mindestanforderung“ in Sachen Briefzustellung zurückgefahren werden. Das wiederum bedeutet, dass es vielleicht bald nicht mehr sicher ist, ob ein Spezialbrief seinen Empfänger erreicht.

„Die Einbeziehung der Nachnahmesendungen und Eilsendungen ist nach Überzeugung des BVDP entbehrlich“, heißt es. Schließlich bestehe ja die Möglichkeit durch „Telefondienste, Mail, SMS, etc.“ schriftliche Nachrichten mit einer besonderen Eilbedürftigkeit an den Empfänger zu befördern. Zwar gibt der BVDP nicht an, wie man per Telefon Schriftliches versenden kann, dafür droht der Verband mit einer weiteren Einschränkung der so genannten gesetzlichen Universaldienstleistungen: Auch Einschreiben sollen eingestellt werden. Experten wundert es wenig, dass die Deutsche Post inzwischen auf eine schnelle und vollständige Öffnung des Postmarktes drängt.

Sobald die Konkurrenten zugelassen werden, wird die Politik auch die Verpflichtung zur Abwicklung dieser teuren Universaldienstleistungen zurückfahren. Dann kann sich die Deutsche Post auf den lukrativen Markt der Großkunden in den Großstädten konzentrieren. Mögliche Folge für den Kunden: Briefversand nur noch per Internet oder per SMS. Von Max Hägler

Artikel vom 27.07.2006
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