Der Ruf nach einer Schuluniform scheidet die Geister – auch in Bayern

München - Klamotte für das Wir-Gefühl

Was ist besser? Ein Schulbesuch im Einheitslook (links im Bild) - oder Kleidung in Farben, die sich jeder selbst aussuchen kann? Fotos: Pixelquelle

Was ist besser? Ein Schulbesuch im Einheitslook (links im Bild) - oder Kleidung in Farben, die sich jeder selbst aussuchen kann? Fotos: Pixelquelle

Eigentlich hätte man es voraussehen können. Eine bestimmte schulpolitische Diskussion kehrt immer dann wieder, wenn warme morgendliche Sonnenstrahlen allmählich zur Regel werden: Die Debatte über die Einführung von Schuluniformen wird seit vergangener Woche wieder hochgekocht.

Allerdings etwas heftiger als sonst und vor allem aus anderen Gründen als bisher: Forderten einige Politiker und Medien in der Vergangenheit Einheitskleidung in den Schulen, ging es ihnen entweder darum, soziale Ungleichheiten zu beseitigen – oder darum, zu verhindern, dass Schüler zu leicht bekleidet und damit zu unsittlich im Unterricht erscheinen. Dieses Mal war es genau umgekehrt: In Bonn kamen Ende April zwei Mädchen komplett in einer Burka verschleiert in die Schule.

Der Fall erregte bundesweit Aufsehen. Vor allem, weil die zwei jungen Frauen daraufhin von der Schule verwiesen wurden – was schließlich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf die Idee brachte, möglicherweise Schuluniformen einzuführen. In Bundesbildungsministerin Anette Schavan (CDU) fand Zypries eine prominente Unterstützerin – die Angelegenheit ist sogleich zum Politikum geworden.

Allerdings haben die zwei Bundespolitikerinnen streng genommen in der Debatte nicht viel zu melden, denn Bildung ist Ländersache. Und die einzelnen Bundesländer sehen die Schuluniformdebatte eher mit gemischten Gefühlen. Während sich beispielsweise Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt strikt gegen den Uniformierungszwang aussprechen, kommt aus Bayern ein klassisches: „Hm, ja, warum nicht? Allerdings...“

Landesvater Edmund Stoiber etwa erklärte: „Ich halte das für eine gute Idee.“ Jede Schule per Gesetz zur Uniformierung zu verpflichten – das will er aber nicht: „Die Schulen müssen selbst die Möglichkeit haben, über die Einführung von Schuluniformen zu entscheiden. Aber Themen wie die Burka in der Schule wären dadurch natürlich obsolet.“ Ähnlich wie sein Chef äußerte sich auch Bayerns Kultusminister Siegfried Schneider. Für Zypries wäre die Einführung der Schuluniformen sogar „eine sehr einfache Lösung zur Konfliktvermeidung.“

Allerdings ist etwa in Bayern noch kein Fall bekannt geworden, in dem Schülerinnen in Burkas den Unterricht besucht hätten. Und religiöser oder politischer Fanatismus wird sicherlich nicht dadurch gemindert, indem die äußeren Anzeichen dafür aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit genommen werden. Diese These stellte etwa die bayerische FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger auf. Sie erklärte, dass „die Einführung von Schuluniformen ein Placebo in der derzeitigen Integrationsdebatte“ sei. Es werde der Versuch unternommen, „fehlende Werteerziehung durch eine gleichmacherische Maßnahme zu bemänteln“.

Eine Schuluniform sei „ein Ausdruck von Hilflosigkeit der Bildungspolitik“, betonte die FDP-Politikerin. Außerdem würden einheitliche Sweat- oder T-Shirts der Vielfalt und Pluralität schaden und den Schwächeren nichts bringen. Auch die aus Bayern stammende Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sprach sich gegen Schuluniformen aus.

Für die Klamotte, für das Wir-Gefühl, stimmt dagegen Hans-Ulrich Pfaffmann, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion aus Bogenhausen. Pfaffmann sieht in den Uniformen zwar weniger eine Lösung für Integrationsfragen, aber eine Möglichkeit, den auf Schulhöfen oft vorherrschenden Zwang zu Markenkleidung einzudämmen: „Eltern stehen dann nicht mehr unter dem Druck, jeden Markentrend mitmachen zu müssen, und Kinder brauchen sich nicht hänseln zu lassen, weil sie nicht die angesagte Kleidung tragen", erklärte er auf Anfrage.

Dem widerspricht allerdings der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes, Max Schmidt: „Ich bezweifle, dass sich durch ein solches Herumdoktern an den Symptomen nachhaltige Erfolge erzielen lassen.“ Sein Kollege vom Deutschen Philologenverband, der Schulleiter des Deggendorfer Gymnasiums, Heinz-Peter Meidinger, meint, dass der Markenfetischismus sich nur verlagern werde, „etwa auf Handys oder teure Uhren“. Genau wie die Lehrer sind auch viele Elternverbände skeptisch.

Allerdings gibt es auch eine wissenschaftliche Studie, die in der Einführung von Schuluniformen jede Menge Vorteile sieht: Ein Sozialwissenschaftler-Team bewies in einer 2005 vorgelegten empirischen Untersuchung, dass in Schulklassen, in denen schon länger Uniformen getragen werden, ein besseres soziales Klima herrscht. Auch die wenigen öffentlichen Schulen in Bayern, in denen Schüler schon seit einigen Jahren Einheits-Kleidung tragen müssen, melden nur Positives. Dieter Landthaler, Rektor der Realschule Haag (Landkreis Miesbach), in der seit einem Jahr nach und nach alle Schulklassen mit Einheits-Schullook (hellblaues oder dunkelblaues Polohemd, T-Shirt oder Sweatshirt mit Schullogo) ausgestattet werden, wertet den Versuch jedenfalls selbstbewusst als Erfolg.

Ob das Haager Projekt auch Nachahmer in der Landeshauptstadt findet, ist derzeit noch offen. Bislang habe sich die Frage nicht gestellt, erklärte das Münchner Schulreferat auf Anfrage. Man wolle erst mal abwarten, wie sich die Diskussion weiter entwickle. Bisher gibt es in München jedenfalls noch keine öffentliche Schule, in der Uniformierungspflicht herrscht. Ob sich das ändern könnte, wird sich wohl in den kommenden Wochen zeigen. Doch erfahrungsgemäß ist die Schuluniformdebatte genauso schnell wieder eingeschlafen, wie sie zuvor hochgekocht wurde. Von Filippo Cataldo

Artikel vom 18.05.2006
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