Free Solo und die komplizierte Kunst der Fuge

Moosach · Homogene Kontrapunkte

Moosach · Das vierte Konzert aus dem zwölfteiligen Konzertzyklus »Free Solo« des Gitarristen Stephan Stiens am letzten Dienstag in der Pfarrkirche St. Martin war von besonderer Art: zusammen mit der »Guitar Company« präsentierte er eine der weltweit ersten Interpretationen der Kunst der Fuge für Gitarrenensemble.

Da Bachs Meisterwerk keinerlei Instrumentation oder andere Vorgaben aufweist, ist der Interpret auf sich gestellt, was die Interpretation erschwert. Denn diese Kontrapunktlehre ist der Meinung einiger Bach-Wissenschaftler nach nur ein theoretisches Werk, und nicht zum Aufführen gedacht.

Auch für die acht Gitarristen war es nicht einfach: In variierenden Vierergruppen (jeweils mit Stephan Stiens an der ersten Gitarre) stellten sie die verschiedenen Kontrapunkte und Kanons, die alle auf dem gleichen Thema basieren, technisch einwandfrei vor. Der Klang war sehr weich und homogen, und auch das Zusammenspiel war präzise und die Themeneinsätze waren musikalisch hervorgehoben. Durch die vielen verschiedenen Tempi der Kontrapunkte kamen leider die kompositorisch vorgesehenen Tempoänderungen (Augmentation und Diminution) nicht mehr so gut zur Geltung, und besonders in den schnell genommenen Fugen entstand durch den Hall der Kirche oft ein Klangteppich, der die schnelleren Passagen sehr verschwimmen ließ.

Obwohl die Klangfarbe durch die ständig wechselnde Besetzung differenzierte, setzten die Musiker dynamisch leider wenig Unterschiede. Die theoretische Übertragung gelang ihnen insgesamt sehr gut: Das Verständnis der Fugen gelang leicht, da – anders als bei der Klavierfassung – alle Stimmen einfach zu unterscheiden waren, auch ohne die Hilfe der verschiedenen Instrumententypen, wie bei einem Streichquartett.

Die Wirkung des plötzlich abbrechenden letzten Kontrapunktes wurde durch die darauf folgende absolute Stille im Publikum noch eindrucksvoll verstärkt und trotz nicht enden wollendem Applaus ließ die »Guitar Company« diese beeindruckende Stimmung ohne weitere Zugabe im Raum stehen.

Wieder gelang es Stephan Stiens damit die Neugierde auf das nächste Konzert am 12. Mai im Pelkovenschlössl zu wecken, in welchem er Schuberts Winterreise zusammen mit dem Bariton Wolf Matthias Friedrich in einer wenig bekannten Fassung mit Gitarre aufführt. Amélie Hecht

Die Autorin Amélie Hecht (16) besucht seit September 2001 das musische Pestalozzi-Gymnasium in München. Zurzeit erstellt sie eine Facharbeit über das Thema »Musikrezensionen« im Leistungskurs Musik. Sie hat an verschiedenen Wettbewerben und Stipendien mit Flöte und Klavier teilgenommen (u.a. seit Oktober 2005 Stipendium für Meisterunterricht bei Prof. Robert Winn an der Musikhochschule Köln). Amélie Hecht hat seit September 1995 Klavierunterricht, seit Mai 1999 Querflötenunterricht.

Artikel vom 19.04.2006
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