SamstagsBlatt-Leser berichten von ihren Erfahrungen mit dem „Gelben Riesen“

Da geht die Post ab

Warten auf vollständige Privatisierung, warten auf besseren Service, warten auf passende Briefmarken... Die Post lässt auf sich warten... Foto: Archiv

Warten auf vollständige Privatisierung, warten auf besseren Service, warten auf passende Briefmarken... Die Post lässt auf sich warten... Foto: Archiv

„Auslandsporto 44 Prozent teurer: Gelber Riese schröpft den kleinen Mann“: Nach der Veröffentlichung dieses Artikels im SamstagsBlatt vom 7. Januar flatterten uns massenweise Leserbriefe ins Haus: Manche machen in ihren Schreiben ihrem Ärger über mangelnden Service bei der Deutschen Post Luft, sie stöhnen über hohe Portokosten und Riesenschlangen am Schalter. Andere zeigen Verständnis dafür, dass der ehemalige Monopolist nach seiner Privatisierung eher gewinn- als serviceorientiert arbeiten müsse.

Für den „Gelben Riesen“ selbst scheint Kritik ein rotes Tuch zu sein: Post-Pressesprecher Gert Hilger beschimpfte Elena Schott, die Verfasserin des Artikels, in einer E-Mail: sie hätte die „journalistische Sorgfaltspflicht“ außer acht gelassen, weil sie die Portosenkungen in anderen Versandbereichen nicht in ihrem Text erwähnt habe. Man könne ja auch nicht bei „BMW oder Siemens“ anrufen, und nachfragen, warum „der Kippschalter den oder den Preis“ habe. Er unterstellte „vordergründige Stimmungsmache“. Bloß: Wenn Journalisten beschließen, einen Kippschalter zu thematisieren – oder eben eine saftige Portoerhöhung für berichtenswert halten – dann ist eine diesbezügliche Veröffentlichung ihr gutes Recht. Dieses Recht heißt Pressefreiheit. Überhaupt lautet der erste Satz des entsprechenden Artikels: „Das Porto für Briefe ist bei der Deutschen Post zum Jahreswechsel um durchschnittlich 0,2 Prozent gesenkt worden.“ Wenn das keine gute Nachricht ist? Lange Rede, kurzer Sinn: Pressesprecher Hilger untersagte uns letztlich, seine Reaktion auf unseren Text zu veröffentlichen. Er gab uns lediglich eine entschärfte Stellungnahme frei:

In dem Artikel „Auslandsporto 44 Prozent teurer!“ wird den Lesern ein Bild suggeriert, das der Realität nicht standhält. Mit der Schlagzeile „Der Gelbe Riese schröpft den kleinen Mann“ wird ein völlig verzerrtes Bild von den zum 1. Januar 2006 neuen Briefporti vermittelt. Es ist keine Rede davon, dass der Postkunde im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um rund 30 Millionen Euro entlastet wird. Die Preise für den Standardbrief (55 Cent) und die Postkarte (45 Cent) im Inland sind unverändert geblieben. Bei einigen Sendungsarten profitieren die Kunden zum Teil von erheblichen Preisreduzierungen. Im Exportbereich hat die Deutsche Post, wie bereits viele ausländische Postunternehmen auch, eine Anpassung an die gestiegenen Kosten vorgenommen. Von Schröpfung kann keine Rede sein! Die Laufzeiten von Briefsendungen, sowohl im Inland als auch ins Ausland, nehmen im europäischen Vergleich eine Spitzenposition ein.

Gert Hilger, Deutsche Post AG, Pressestelle München

Hier ein kleiner Auszug aus unserer Leserpost:

Gut, dass Sie diesen Artikel über den „Gelben Riesen“ verfasst haben – ich muss mich auch regelmäßig ärgern. Beispielsweise, wenn ich in der Schlange in einer beliebigen Postfiliale stehe. Das ist noch nicht ungewöhnlich, aber dann komme ich an die Reihe, will zwei Briefmarken kaufen – woraufhin der Postangestellte entgeistert antwortet: „Einzelne Briefmarken verkaufen wir nur an Schalter XY. Hier können sie nur Zehnerpacks kaufen.“ Unglaublich, aber wahr – weshalb ich inzwischen die hässlichen Klebemarken aus den Automaten bevorzuge, trotz des lästigen Kleingeldzählens, weil diese Automaten ja nicht wechseln, sondern das Wechselgeld in Form von Briefmarken mit lächerlichen 1 Cent-Beträgen ausspucken. Soll ich denn einen Briefumschlag mit einzelnen Cent-Marken zukleistern? Wo bleibt da das Schöne am Briefeschreiben? Da werden sich wohl in Zukunft einige Briefkästen mit dem neuen Werbeblatt der Post statt mit persönlichen Briefen zufrieden geben müssen! Denn für Werbung ist ja bei dem Gelben Riesen immer genug Geld da, wie es scheint. Karin Mussmann;

Bei aller Kritik am Vorgehen der Deutschen Post AG finde ich doch, dass das Verhalten der Politiker pure Heuchelei ist: Die Post ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, es hat keinerlei Verpflichtung, flächendeckend Filialen zu betreiben, die nicht wirtschaftlich sind! Wer hat denn die Post privatisiert? Als Staatsunternehmen jedenfalls hatte die Post die Aufgabe, dem Gemeinwohl zu dienen. Nun hat die Politik die Post allerdings privatisiert, um Haushaltslöcher zu stopfen – und kann von dieser privaten Post nicht mehr verlangen, etwas zu machen, was sich nicht lohnt. Die Privatisierung hat doch bisher vor allem Nachteile gebracht: Nehmen wir doch die Briefträger, die von ihrem Gehalt kaum noch leben können. Oder die Auslagerung von Zustellungen an Billiglöhner. Noch nie jedenfalls sind so viele Briefe und Pakete verloren gegangen wie jetzt! Man kann also zusammengefasst nicht über etwas schimpfen, das man selbst verursacht hat. Der Bürger hat das Recht dazu, aber nicht die Politik. Stefan Leißl;

Liebe Redaktion, auch schon einmal in der Post gestanden mit einem Päckchen und festgestellt, dass es nicht gescheit hält? Früher gab es in so einem Fall einen Tesa-Abroller – über die Theke gereicht vom Schalterbeamten. Zwei kurze Klebstreifen und schon konnte das Paket sicher auf die Reise gehen. Wer heutzutage in der Post steht und einfach mal ein Stück Tesa braucht, dem wird gesagt von den Postlern: „Haben wir nicht, tut uns leid?“ – Auf Nachfrage kommt dann meist ein beschämtes: „Es sind Dienstanweisungen, dass wir das nicht rausgeben dürfen. Hat wohl was mit unserem Shop zu tun.“ Und in der Tat sind die meisten Postschalter heutzutage ja auch mit Schreibwarenartikeln bestückt, die das Management unter die Leute bringen will. Doch für diejenigen, denen es zu blöd ist, wegen einem Stückchen Tesafilm gleich ganze Rollen kaufen zu müssen: Das „Päckchen“-Etikett im Formularständer ist selbstklebend und kostet (noch) nichts...! Katarina Huss;

Zunächst vielen Dank für den Artikel von Elena Schott: Dieser führt endlich einmal vor Augen, wie unverfroren hier Preiserhöhungen durchgeführt werden, die in anderen Branchen schlichtweg verboten wären. Das neue Kostenbewusstsein der Deutschen Post bezüglich Auslandssendungen steht allerdings in absolutem Gegensatz zu dem, was meiner Familie vor zwei Jahren widerfahren ist: Meine Frau sollte zu Weihnachten ein lange zusammengespartes Paket von ihrer Familie aus Brasilien erhalten. Das Paket wurde ordnungsgemäß frankiert und mit korrekten Angaben unserer Adresse, Telefonnummer, Handynummer und E-Mail-Adresse abgeschickt – bereits Anfang Dezember, um Komplikationen in der Weihnachtszeit zu vermeiden. Man stellt sich ja auf den „großen Dienstleister“ ein. Das Paket kam nie an – Ende Januar bekam es der Absender in Brasilien mit der Anmerkung „Empfänger benachrichtigt und Paket nicht abgeholt" zurück. Dies ist aber gelogen, da wir bis heute keine Benachrichtigung erhalten haben! Jedenfalls stellte sich heraus, dass das Paket neun Tage vor Weihnachten an unserer Türe war, und da gerade niemand zuhause war, ohne Benachrichtigung zur Filiale zurück ging. Der Wahnsinn an der Sache ist, dass es der Deutschen Post anscheinend lieber war, das Paket einmal um die halbe Welt zurückzusenden anstatt ein Ortsgespräch zu führen oder eine Benachrichtigungskarte nachzuliefern, „wenn diese in der Vorweihnachtszeit schon ausgehen“ (Zitat einer Filial-Mitarbeiterin). Statt eine Entschuldigung zu bekommen erfuhren wir nur, dass es sich um einen „indirekten Fehler" (?) handelte. Außerdem sollten wir das nächste Mal bei der Filiale nachfragen, wenn wir schon ein Paket erwarten. Bloß: Man weiß halt nicht immer, ob man eine Überraschung zugeschickt bekommt – und kann dem „großen Dienstleister“ daher nicht immer hinterherlaufen! Und dann wird behauptet, dass es „gestiegene Kosten im Exportbereich" gebe! Wenn aus eigener Unfähigkeit heraus so verschwenderisch mit den Ressourcen des Unternehmens und letztlich der Kunden umgegangen wird, ist das nun wirklich kein Wunder. Dirk Dullenkopf;

Die Designerlampen über den Schaltern erhellen die Amtsstuben-Mentalität des Gelben Riesen keineswegs: Pakete werden häufig nicht mehr bis nach Hause geliefert. Dafür liegen immer öfter Abhol-Karten im Briefkasten – angeblich wird man stets nicht angetroffen. Natürlich ist es beschwerlich für den Paketboten, mit dem Lift in den 5. Stock zu fahren: bezahlt ist aber bezahlt – daher will ich auch eine Leistung bekommen. Diesbezügliche Beschwerden werden von der Post aber erst gar nicht beantwortet! Darüber hinaus steht man am Schalter in langen Schlangen, denn hier werden neben gewöhnlichen Postgeschäften auch Bankleistungen, Los-Beratungen und -verkäufe getätigt. Dafür aber sind Marken für Briefe in die USA oft gar nicht erhältlich: das Porto muss meist aus mehreren Marken gestückelt werden. Das sieht richtig souverän aus! Und dass die Briefmarken selten schön und sympathisch aussehen, dafür meist die trübe Seele Deutschlands spiegeln, was ein ausländischer Briefempfänger bemerkte: das ist vielleicht bezeichnend, aber bedauernswert. Jedenfalls: Die goldenen Zeiten des Gelben Riesen scheinen längst passé zu sein! Pauline Kirby;

Lesermeinung: Bröckelige Bauten oder prächtige Blumen: Wie gefallen Ihnen, liebe Leser, die Motive auf deutschen Briefmarken?

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Artikel vom 26.01.2006
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