Projekt »Interkulturelle Altenhilfe München Nord« erhält »Innovatio«-Preis

Am Hart · Ein ganz anderes Altern

Große Idee im kurzen Interview: Gabriele Kuhn und Süheyla Erenoglu (v.r.) stellen auch in Berlin ihre »Interkulturelle Altenhilfe« vor. 	Foto: Caritas

Große Idee im kurzen Interview: Gabriele Kuhn und Süheyla Erenoglu (v.r.) stellen auch in Berlin ihre »Interkulturelle Altenhilfe« vor. Foto: Caritas

Am Hart · Das Caritas-Zentrum München-Nord ist mit dem Sozialpreis »Innovatio« ausgezeichnet worden. Die Auszeichnung ist gestiftet von den Versicherern im Rahmen der Kirche und geht jährlich an soziale Einrichtungen mit kirchlichen Trägern für besonders innovative Projekte. Für ihr Projekt »Initiative Interkulturelle Altenhilfe München Nord« wurden Gabriele Kuhn vom Caritas-Zentrum München-Nord und Süheyla Erenoglu vom AWO-Seniorentreff in der Arcisstraße in Berlin geehrt.

Das Problem, mit dem sich die beiden beschäftigen, ist nicht unbekannt: Die Gastarbeiter, die in den 50er und 60er Jahren nach Deutschland eingewandert sind, kommen jetzt ins Rentenalter. Und Gabriele Kuhn, vom Caritas-Zentrum München Nord, stellt fest: »Die Migranten bleiben auch im Alter hier.«

Neu war allerdings die Idee, die Kuhn und Erenoglu zusammengeschweißt hat: Eine Informationsreihe für tükische Senioren unter dem Motto »Älter werden in Deutschland«. Bereits im April fand die Veranstaltung an sechs Abenden statt. »Wir haben dabei konsequent zwei Ziele verfolgt«, erklärt Kuhn. Zum einen wollten die beiden Initiatorinnen türkische Senioren über die unterschiedlichen Angebote für Alte im Münchner Norden informieren. »Aber wir wollten auch wissen, wo spezieller Bedarf herrscht.«

Denn in der Betreuung der ersten Migrantengeneration gibt es erhebliche Unterschiede zu deutschstämmigen Rentnern, weiß auch Erenoglu: »Das beginnt schon bei Behördengängen, wo sich viele aufgrund der umständlichen Amtssprache überfordert fühlen und geht bis hin zur Krankheitsdiagnose, bei der türkische Patienten ihre Symptome völlig anders beschreiben, als Deutsche das tun würden.«

So wurde aus der Idee zur Info-Reihe schnell ein interkulturelles Netzwerk der Seniorenarbeit im Münchner Norden. »Wir waren mit den Teilnehmern viel unterwegs«, erinnert sich Kuhn. Besuche bei der Tagespflege, in der Beratungsstelle Wohnen, im Alten Service-Zentrum Milbertshofen – für die Migranten alles Neuland.

Neuland betritt inzwischen auch Kuhn, die auf ihrer Besucherliste in der Region jetzt immer mehr ausländische Namen stehen hat. »Da bin ich dann eine Fremde und muss zunächst Vertrauen aufbauen.« Das Misstrauen gegenüber den Deutschen sei in manchen Haushalten ziemlich groß, »da geht man nicht einfach hin und sagt ›Hallo, so und so kann ich Ihnen helfen‹. Sonst machen die die Tür zu und man kommt an diese Leute nicht mehr ran«.

Deswegen ist auch Erenoglu häufig dabei, wenn es um die ersten Kontakte zwischen deutscher Service-Einrichtung und türkischen Senioren geht. Als Türkin wird sie schneller akzeptiert und wenn sie ihre Projektpartnerin Kuhn dann vorstellt, ist schnell das Eis gebrochen. Auf diese Weise entstand nicht nur das interkulturelle Netzwerk sondern auch eine bemerkenswerte Frauen-Freundschaft. So ließen es sich die beiden Preisträgerinnen auch nicht nehmen, gemeinsam nach Berlin zu reisen, um den Preis, 1.000 Euro, in Empfang zu nehmen. »Das Geld werden wir für Weiterbildungen nutzen«, sind sich Kuhn und Erenoglu einig. Zwar soll eine ähnliche Info-Reihe im Oktober folgen, inzwischen ist aber das Thema »Interkulturelles Konfliktmanagement« in den Vordergrund gerückt. Denn wenn Migranten schließlich bei Vorträgen und Veranstaltungen von Senioreneinrichtungen auftauchen, tun sich plötzlich wahre Gräben auf. »Und da müssen wir jetzt ansetzen.« gf

Artikel vom 17.01.2006
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