Eine Hommage an den unsterblichen Ray Charles

München - Gospel plus Sex ist Soul

Er mischte Kirchenlieder mit sexy Texten und R’n’B-Grooves –  und erfand so den Soul: Ray Charles.

Er mischte Kirchenlieder mit sexy Texten und R’n’B-Grooves – und erfand so den Soul: Ray Charles.

Seine Karriere begann mit einem ungeheuren Tabubruch, den man kaum mehr nachvollziehen kann, wenn man ihn heutzutage auf Oldie-Radiosendern in Dauerschleife hört: Ray Charles schrieb mit „I Got a Woman“ Musikgeschichte. Bereits bei der Aufnahmesession zum Song hatte es seinerzeit allerdings den ersten Eklat gegeben: Eine gläubige Backgroundsängerin hatte sich geweigert, ihren Part einzusingen – und erbost das Studio verlassen. Was war geschehen?

Ray Charles hatte einige Tage zuvor einen Gospelsong im Radio gehört – und ihm einen neuen Text verpasst: Dort, wo er hätte „Jesus“ singen sollen, rief er wild stöhnend nach seinem „Baby“. Das ganze Lied verwandelte er schließlich in den recht lasziven Song „I Got a Woman“. Ein Skandal – im Jahr 1954. Heute aber gilt der Song als Geburtsnummer des Soul.

Charles hatte in der Folge diverse Gospelsongs umarrangiert – und leidenschaftliche Glaubensschwüre durch jede Menge Sex ersetzt. Aus dem Kirchenlied „This Little Light of Mine” machte er „This Little Girl of Mine” – und so weiter, und so fort.

Seine Fans faszinierte Charles überdies durch seine Aura: Er war blind, schwarz, viele Jahre heroinabhängig, ganz unten, ganz oben, ganz unten. Geboren wurde er im Jahre 1930 in Albany, Georgia – 2004 starb er in Kalifornien.

In den fünfziger Jahren hatte er diverse Musiker um sich gescharrt, um alte Kirchenlieder der Schwarzen, auf die es kein Copyright gibt, umzumodeln, sie mit hartem R'n'B-Groove zu unterlegen. Sensationell war, dass er für seine Aufnahmen überdies einen weiblichen Background-Chor engagierte: das war neu, zuvor waren alle Sänger männlich – doch der ungewohnte Kontrast zwischen männlichem Lead-Gesang und den weiblichen Stimmen schlug ein wie eine Bombe.

Zu Charles’ größten Hits zählten in der Folge „What'd I Say“, „I Can't Stop Loving You“, „You Have Got The Right One, Baby“, „Hit The Road, Jack”, „Unchain My Heart” – und so weiter. Bis zu seinem Tod wurde er gefeiert und geehrt. Als „eine echte Legende – ein amerikanisches Kleinod“ bezeichnete ihn beispielsweise Michael Jackson.

Die Show „One Night of Ray Charles“ ist eine Hommage an den Erfinder der Soul-Musik, an den Mann, der es als erster schwarzer Musiker schaffte, zwölf Grammys zu gewinnen. Ron Williams in der Rolle von „Ray“ und weitere New Yorker und Londoner Künstler spielen das Leben und die Lieder Ray Charles’ nach – am Dienstag, den 10. Januar, ab 20.30 Uhr in der Philharmonie des Gasteigs. Von Nadine Nöhmaier

Artikel vom 05.01.2006
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