1860 in der Winterpause – der Verein stellt sich vor

Kaffee trinken statt Training

Seit 26 Jahren arbeitet Anna Pribbernow für den TSV 1860 München. Foto: 1860

Seit 26 Jahren arbeitet Anna Pribbernow für den TSV 1860 München. Foto: 1860

Wäsche waschen für einen Durchschnittshaushalt ist eine Sache. Für 30 Profis, ein Amateur- und ein Jugendteam eine andere ... – Im Waschraum herrschen tropische Temperaturen. Man kommt sich vor wie im Regenwald: hohe Luftfeuchtigkeit, geschätzte 40 Grad. Bereits beim Betreten des Raumes perlt der Schweiß von der Stirn.

Das sind die Arbeitsbedingungen von Anna Pribbernow und Arslan Otgonbayar (36), den beiden Wäscherinnen der Löwen. Ihr Job ist es dafür zu sorgen, dass die Spieler immer saubere Arbeitskleidung haben. Seit 1979 arbeitet Anna Pribbernow beim TSV 1860 München. Sie ist damit neben Regine Grübel, die in der Mitgliederverwaltung tätig ist, die dienstälteste Angestellte der Löwen. Die Entwicklung des Vereins ging auch an ihr nicht spurlos vorüber: Vor 26 Jahren gab es für die Spielerwäsche nur eine Waschmaschine und eine Schleuder.

Im Winter gibt es doppelte Arbeit

Heute sind es deren drei mit einem Gesamtvolumen von 40 kg. Dazu kommen zwei Trockner, deren Fassungsvermögen die von haushaltsüblichen Geräten um ein Mehrfaches übersteigen. »Das ist aber immer noch zu wenig«, beklagt sich Anna Pribbernow. »Teilweise haben wir zeitgleich die Wäsche von drei Teams zu reinigen.« Neben den Profis gibt es noch die Zweite Mannschaft; dazu kommt ab und an auch die Wäsche der Jugend.

Zwar sind die Temperaturen im Waschraum im Winter angenehmer als im Sommer, dafür fällt für die beiden Wäscherinnen die doppelte Arbeit an: Trainingsanzüge, Regenkleidung, Handschuhe, Mützen – in den kalten Monaten wird einfach mehr getragen und ist zudem stärker verschmutzt. »Das kann dann ganz viel Arbeit werden für zwei Personen.« Geschafft haben es Anna und ihre Kollegin immer, dass die Wäsche rechtzeitig zum Training oder Spiel bereit lag. Nur einmal stand die Mannschaft ohne saubere Wäsche da: In den achtziger Jahren vergaß Fahrudin Jusufi, der damalige Trainer der Löwen, ihr nach der Rückkehr aus dem Trainingslager mitzuteilen, dass am nächsten Morgen Training sei. Anna hatte zuerst die Spielkleidung gewaschen. Das Trainingszeug ließ sie liegen. Als die Spieler kamen, fanden sie keine frische Wäsche vor. »Die sind dann zum Kaffee trinken gegangen«, erzählt die 63-Jährige mit einem verschmitzten Lächeln.

Das ist jedoch in all den Jahren als Wäscherin bei den Sechzigern nur ein Mal vorgekommen. Kommunikationsprobleme mit den jetzigen Trainern gibt es nicht. Egal ob Reiner Maurer oder Bernhard Trares – Anna hat sie schon als Spieler gekannt. Über den Chefcoach lässt sie ohnehin nichts kommen. »Mit ihm haben die Burschen den richtigen Trainer. Er ist zu allen Mitarbeitern sehr offen und freundlich. Bei ihm wäre so etwas nie passiert.«

Anna Pribbernow ist immer da, wenn sie gebraucht wird. Rund um die Uhr. Werner Lorant rief sie mal mitten in der Nacht an, ließ sie ab halb zwei Uhr in der Früh nach einem Hallenturnier in Stuttgart die Wäsche waschen, weil es am nächsten Tag zu einem anderen Turnier weiter ging. Die Spieler wissen das zu schätzen. Neuankömmlinge dürfen ihr sogar ihre private Wäsche bringen, solange sie noch im Hotel wohnen. »Die Anna macht für uns alles«, so der Tenor aus der Mannschaft. Manche nennen sie sogar liebevoll »Anna-Mama«. Das ist eine Rolle, die Anna gefällt. »Irgendwie sind die Spieler schließlich fast schon meine Kinder«, sagt die Wäscherin.

Neben dem Reinigen der Wäsche fallen auch andere Arbeiten an. Ist mal ein Knie bei einer Trainingshose durchgescheuert, greift Anna persönlich zu Nadel und Zwirn. Von ausgemusterten Sachen werden Flicken zurecht geschnitten und – per Hand – darauf genäht. »Das mögen die Spieler zwar nicht, aber ich glaube nicht, dass das blöd ausschaut«, sagt sie. Manchmal wird die Wäscherin den »Stars« gegenüber auch rabiat. »Dem einen oder anderen muss ich immer wieder nachlaufen, weil was fehlt.« Da ist Anna penibel. Gerade bei Auswärtsspielen geht einiges verloren oder die Schmutzwäsche wird in der Trainingstasche vergessen. Aber Anna spürt fast alles wieder auf. »Du merkst aber auch alles«, sagen dann die Spieler. Ein weiteres, für sie wichtiges Thema, ist das Drehen der Wäsche nach dem Ausziehen. »Von Zeit zu Zeit muss ich die Spieler dazu immer wieder auffordern.«

Urlaub gibt es nur im Sommer

Als »Mädchen für alles« war Anna schon früher tätig. In ihren ersten Jahren bei den Löwen hat sie schon mal den Hof gekehrt oder die Räumlichkeiten in der Grünwalder Straße nass aufgewischt. Mittlerweile muss sie diese Arbeiten nicht mehr selbst erledigen, deshalb bleibt ihr mehr Zeit für ihr Hobby: »Ich koche gerne für meine Kollegin und mich. Das ist eine angenehme Abwechslung nach getaner Arbeit.« Urlaub gibt es jedes Jahr in der Sommerpause, eben dann, wenn die Spieler nicht trainieren. »Das ist zwar jedes Mal der gleiche Zeitpunkt, aber dafür wenigstens immer, wenn es warm ist.«

Von der Rückkehr der Löwen in die Bundesliga ist die 63-Jährige überzeugt. Ein wenig träumt sie auch von internationalen Spielen, auch wenn das für sie zusätzliche Arbeit bedeuten würde. Doch dafür nimmt Anna Pribbernow selbst die tropische Hitze in ihrem Waschraum gerne in Kauf.

Artikel vom 20.12.2005
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