Der EHC fällt weiter auf - durch Unbeständigkeit

Einmal traurig, einmal froh

Der EHC schaut nicht wirklich nach Weihnachtsstimmung aus. Foto: Max Hägler

Der EHC schaut nicht wirklich nach Weihnachtsstimmung aus. Foto: Max Hägler

Gary Priors Hände sind ziemlich klein und gut gepflegt. Sie ähneln so gar nicht den prankenähnlichen und zerschundenen Gliedmaßen anderer ehemaliger Eishockey-Spieler. Es sind keine Hände, denen man schon von weitem jeden Faustkampf ansieht. Dennoch: Gary Prior hat Eishockey gespielt.

Erst in Kanada, dann in Deutschland und schließlich in Finnland. Danach hat er einige Jahre als Trainer in der DEL und der Bundesliga gearbeitet und ist jetzt Trainer des EHC München. „Er ist unser absoluter Wunschtrainer“, sagt EHC-Präsident Jürgen Bochanski gerne über ihn. Deswegen würde beim EHC München auch niemand über den Trainer diskutieren, „selbst dann nicht, wenn wir 20 Spiele in Folge verlieren würden“, so Bochanski.

Dieses Vertrauen hatte sich zunächst ausgezahlt: Der EHC fing plötzlich an, regelmäßig Punkte einzufahren. Irgendwann waren sogar die Play-Off-Plätze in Reichweite. Doch statt eine positive oder negative Serie zu starten, fiel die Mannschaft seitdem nur durch Unbeständigkeit auf. Wirklich guten Spielen wie Anfang November gegen den Spitzenreiter Straubing folgten grottenschlechte wie gegen Bremerhaven. Dem trotz Niederlage packenden Duell gegen den momentanen Zweiten Landshut folgte eine nie gefährdete Niederlage gegen Dresden. Mal gab es schöne Tore zu sehen, mal übten sich die EHC-Stürmer in der von ihnen selbst erschafften Disziplin Goalie-Abschießen. Bestes Synonym für den Zustand der gesamten Münchner Mannschaft ist der Verteidiger Mike Burman: Im Offensivspiel und in Überzahl meist eine Wucht – die drei Tore gegen Landshut verdeutlichen dies –, fällt er in der Manndeckung eher durch Konzentrationsfehler auf. Eleganten und technisch anspruchsvollen Schlenzern von der blauen Linie folgen viel zu oft fast schon stümperhafte Fehlpässe beim Spielaufbau.

Coach Prior und Manager Christian Winkler reagierten mit Einzelgesprächen während der Trainingswochen, stellten die Reihen um, gaben Burman etwas weniger Eiszeit, trainierten verstärkt Überzahlsituationen und verpflichteten die zwei DEL-Veteranen Christoph Sandner für den Sturm und Christian Curth für die Abwehr.

Während der Spiele schien es manchmal so, als ob Coach Prior am liebsten gerne selbst aufs Eis fahren würde. In Ermangelung dieser Möglichkeit schrie er seine Spieler an, gab ihnen mit seinen Händen aufmunternde Klapse auf den Helm, gestikulierte wild und diskutierte mit den Schiedsrichtern. Bis zum letzten Sonntag.

Zu Gast in der heimischen Eishalle war das Schlusslicht aus Essen. Nach einem schwachen Beginn lag der EHC schnell mit 0:1 hinten. Während des ersten Powerplays schaffte Mike Burman allerdings den Ausgleich, danach häuften sich die Chancen auf EHC-Seite. Während der ersten Drittelpause war die Atmosphäre im Stadion freundlich und optimistisch. Diesen Gegner sollte man schlagen können! Doch das zweite Drittel verpatzten die Münchner. Und zwar gewaltig. Essen gelang die Führung und die EHC-Spieler versuchten mit Angriffen der Kategorie Zufall den Puck in die gegnerische Hälfte zu tragen. Gary Prior sah sich das Geschehen auf dem Eis mit meist stoischer Ruhe an. Die sonst lebhaft gestikulierenden Hände in der Jackentasche verborgen. Hat er aufgegeben? Im Schlussdrittel gelang Essen sogar das 1:3. Der EHC reagierte darauf zwar mit wütenden Angriffen, schoss aber meist entweder direkt den gegnerischen Goalie an oder vertändelte den Puck kurz vor dem Tor. 50 Sekunden vor Schluss stand es immer noch 1:3, es gab einen Bully vor dem gegnerischen Tor. Jeder im Stadion wusste, dass dies die letzte Chance sein würde. Wenn jetzt ein schnelles Tor fallen würde, wäre vielleicht doch noch ein Unentschieden drin. Gary Prior holte eine Hand aus seiner Hosentasche und zeigte in Richtung seines Goalies Hartie Wild. Würde der EHC den Bully gewinnen, würde er den Goalie zu sich winken und einen sechsten Feldspieler aufs Eis schicken. Priors feingliedrige Hand stand offen da und deutete an: „Warte!“. Kurz darauf winkte sie ab und verschwand wieder in der Tasche. Das Spiel ging zu Ende. Mit einer Chance für Essen.

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Filippo Cataldo

Artikel vom 20.12.2005
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