Stadtrat Schmid: „Geiz ist geil – vor allem mit Blick auf die Zukunft“

München - Spartipps fürs Rathaus

Ist Geiz geil? Die Stadt sollte zumindest den Gürtel enger schnallen, will sie auch in einigen Jahren noch handlungsfähig sein.	 Foto: Archiv

Ist Geiz geil? Die Stadt sollte zumindest den Gürtel enger schnallen, will sie auch in einigen Jahren noch handlungsfähig sein. Foto: Archiv

„2010 geht nichts mehr in München!“ Das zumindest fürchtet CSU-Stadtrat Josef Schmid. „Wenn die Stadt weiterhin im großen Stile Neuschulden ansammelt, ist sie bald handlungsunfähig.“ Daher hat der 36-jährige Anwalt in sechs Anträgen Spartipps für den Stadtrat formuliert, die helfen sollen, die Verschuldung zu stoppen. Denn: „Was wird sonst aus München? Noch ist Zeit, gegenzusteuern!“, ist er überzeugt.

Mit seinen sechs Vorschlägen setzt Schmid einen Leitantrag um, den die CSU München am 20. April diesen Jahres auf ihrem Parteitag ausgeklüngelt hatte.

Das Ziel: Der politische Handlungs- und Investitionsspielraum der Stadt soll weiterhin gesichert sein, den nachfolgenden Generationen soll kein Finanzchaos hinterlassen werden. Schmid: „Die Verschuldung der Stadt hat seit 1993 in atemberaubender Weise zugenommen. Schlugen damals rund 1,5 Milliarden Euro zu Buche, so wird dieser Berg bis 2008 auf mindestens 4,4 Milliarden Euro angestiegen sein.“

Stadtkämmerer Ernst Wolowicz widerspricht: „Schmid streut gezielt Falschinformationen, obwohl er es besser wissen müsste!“, schimpft er. „Er entwirft ein Worst Case-Szenario auf der Basis längst veralteter Zahlen. Berechnungsgrundlage für ihn ist der Stand vom September 2004. Damals hatten wir extrem wenig Gewerbesteuereinnahmen. Hätte Schmid die aktuellen Zahlen – die vom September 2005 – genommen, würde die Stadt weitaus besser wegkommen.“

Schmid lässt sich von dem Vorwurf nicht bremsen: „Rechnet man die Einnahmen über die Gewerbesteuer ein, die wohl besser sein werden als 2004 prognostiziert war, wird die Stadt vielleicht nicht 2010 handlungsunfähig, sondern erst 2011 oder 2012", sagt er. „Ich will aber, dass auch in 20 Jahren noch Geld da ist, um Kindergärten zu eröffnen und kaputte Straßen zu reparieren.“

Und daher fordert der CSU-Stadtrat in seinen Anträgen, Bürokratie abzubauen, Aufgaben städtischer Mitarbeiter zu reduzieren, Vorschriften zu straffen, Planstellen zu streichen – ohne Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen, mit Ausnahme der Bereiche Schule, Kindergarten, Krippen und Horte. Ferner solle sich die Stadt laut Schmid überlegen, das Facility Management, zuständig für die Wartung und Instandhaltung der städtischen Einrichtungsgegenstände, zusammenzufassen – und eventuell an ein oder mehrere private Anbieter zu übertragen.

Außerdem sollen Transferleistungen wie die Sozialhilfe verstärkt kontrolliert werden, um Missbrauch zu verhindern; in diesem Zuge soll auch das Sozialreferat durch ein privates Beratungsunternehmen strukturell untersucht werden. Und so weiter, und so fort. Außerdem gibt es ein Thema, bei dem Schmid sehr konkret wird: Die Stadt, so steht es in einem seiner Anträge, soll das EineWeltHaus nicht länger bezuschussen. „Das hat uns in der Vergangenheit einige Skandale beschert, darauf können wir künftig getrost verzichten.“

„Dieser Vorschlag ist ein Beispiel, an dem man gut erkennen kann, wie falsch die CSU vorgeht“, wettert Beatrix Zurek, SPD-Stadträtin. „Sie fordert blind, eine Institution dicht zu machen – ohne vorher einen differenzierten Plan auszuarbeiten, der feststellt, welche Einsparmaßnahme welchen Nutzen hat.“ Mit der bloßen Wegnahme des Zuschusses für das EineWeltHaus jedenfalls sei der Haushalt der Stadt „wohl nicht bis in alle Ewigkeit im grünen Bereich – leider.“ Und weiter kritisiert sie: „Vorschriften zu straffen, Planstellen zu reduzieren – das sind doch alles Allgemeinplätze! Sparen müssen wir – da sind wir uns einig. Aber man muss das differenzieren, und genau nachsehen, wo man am besten streicht.“ Generell an der Verwaltung zu sparen, das funktioniere so nicht. „In vielen Bereichen sind die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter erreicht. Da kann man nicht einfach einen wegnehmen.“

Zurek vermutet, Schmid habe in den Sommerferien viel Zeit gehabt, um Anträge zu formulieren. „Aber wohl nicht genug, um sie überlegt auszuarbeiten“, stichelt die Stadträtin. Dass die Stadt die für 2005 geplante Nettoneuverschuldung von 363 Millionen um 200 Millionen unterschreitet, wertet Schmid allerdings als positives Signal für die Zukunft. Und deshalb fragt er sich, warum der Stadtkämmerer der Stadt eine mögliche Nettokreditaufnahme von 412 Millionen Euro im Jahr 2006 ermöglichen will. „Das ist zu hoch angesetzt: Mit einer solchen Summe vor Augen wird man verführt, Luxusausgaben zu machen", sagt Schmid. „Hier gibt man Verein XY dies, hier Verein Z das – das können wir uns aber momentan nicht beliebig leisten." Die Stadt habe bei steigenden Einnahmen durch die Gewerbesteuer endlich die Chance, die Neuverschuldung zu stoppen. „Wofür wir heute keinen Kredit nehmen, müssen wir später keine Zinsen zahlen. Die Stadt würde gesunden."

Wolowicz allerdings verteidigt die großzügig angesetzte Summe: „Die Stadt München hat sich immer antizyklisch verhalten und Kredite auch in schlechteren Zeiten aufgenommen, um in die Zukunft zu investieren. Das kurbelt die Konjunktur an“, ist er überzeugt. „Wenn wir die 412 Millionen Euro nicht benötigen – um so besser. Das ist wohl vernünftiger, als sich ein tiefes Ziel zu setzen und dann voll und ganz darüber hinauszuschnellen.“

Den Kämmerer übrigens erstaunt es, dass die CSU jetzt eine Lanze fürs Sparen bricht: „In der Vergangenheit hat sie immer die Sparvorschläge ihrer Stadtratskollegen abgelehnt“, erzählt er.

Ob das so bleibt, wird sich Mitte Dezember zeigen: Dann wird im Stadtrat der Haushalt für 2006 verabschiedet. Die Anträge Josef Schmids werden vermutlich erst Anfang 2006 diskutiert werden. Von Filippo Cataldo

Artikel vom 10.11.2005
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