Self-Service und Gebührenerhöhung in der Stadtbibliothek

Mehr Bücher für München

18 Euro kostet der Ausweis für die Stadtbüchereien künftig. Dafür gibt’s über drei Millionen Bücher in 27 Filialen. Foto: Katharina Lindenthal

18 Euro kostet der Ausweis für die Stadtbüchereien künftig. Dafür gibt’s über drei Millionen Bücher in 27 Filialen. Foto: Katharina Lindenthal

Ein Aufschrei ging um in München, als vor zwei Jahren die Sparpläne des Kulturreferates bekannt wurden. Acht bis zehn Stadtteilbibliotheken sollten sofort und ersatzlos geschlossen werden. Nicht nur für Münchner Literaturfreunde ein herber Schlag ins Gesicht!

Rasch formierte sich der Protest und eine Gruppe engagierter Bürger initiierte das so genannte Bücherbegehren, das sich gegen jegliche Schließung von Stadtteilbibliotheken aussprach. Die städtischen Kulturpolitiker reagierten und entschärften die Sparvorschläge. Plötzlich sollten im so genannten „Bibliotheks-Kompromiss“ nur noch zwei Bibliotheken geschlossen werden, sechs weitere zu drei so genannten Mittelpunktsbibliotheken zusammengefasst werden.

Am Wahlabend machte sich dann bei beiden Seiten Ernüchterung breit: Das Bücherbegehren scheiterte, allerdings nur knapp, weil etwas weniger als die geforderten zehn Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen waren. Diejenigen, die den Gang ins Wahllokal aufgenommen hatten, unterstützen mit großer Mehrheit das Bücherbegehren. Heute hat sich das scharfe Klima zwischen Bücherbegehren-Aktivisten und Stadträten entspannt. Seit April existiert sogar der Verein „Bücher&Mehr“, in dem die einstigen Gegner sogar gemeinsam im Vorstand sitzen.

Der Verein versteht sich als Förderverein für die Münchner Stadtbibliotheken und führt im regelmäßigen Abstand eigene Lesungen und Veranstaltungen durch. Die mittlerweile rund 100 Mitglieder zahlen einen Jahresbeitrag von 40 Euro und sind dafür von der Gebühr der Stadtbibliothek befreit. Mit den Einnahmen „wollen wir die Münchner Stadtbibliothek darin unterstützen, so liebenswert und leistungsfähig bleiben zu können, wie sie sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat“, so der Vereinsvorsitzende Ulrich Chaussy. Konkret heißt das: Mit den Mitgliedsbeiträgen und Spenden werden neue Bücher angeschafft, die dann der Stadtbibliothek überreicht werden. Neben den Kulturjournalisten und einstigen Bücherbegehren-Aktivisten Chaussy sind unter anderem die Stadträte Nikolaus Gradl (SPD) und Nadjy Hirsch (FDP) Mitglieder im Vorstand des Fördervereins. Der Verein scheint nötiger denn je, schließlich verzeichneten die Münchner Bibliotheken im vergangenen Jahr mit zwölf Millionen Besuchen einen neuen Rekord.

Damit das so bleibt, müssen aber die Bestände auch aktualisiert werden. Aber es tut sich noch weit mehr in Sachen Münchner Stadtbibliothek: Stadtrat Gradl, vor zwei Jahren schon maßgeblicher Antreiber des Kompromisses hat zusammen mit seinen Stadtrats-Kollegen von SPD und Grünen in den vergangenen Monaten Zahlenberge hin und hergeschaufelt, bis nun endlich ein schlüssiges Finanzierungskonzept vorgelegt werden konnte. Das Ziel war es nämlich, keine weiteren Bibliotheken mehr zu schließen und dennoch vor allem die Personalkosten zu senken.

Vergangene Woche stellten die beiden Fraktionen nun den neuen Acht-Jahresplan für die Münchner Stadtbibliothek vor. Inhalt: Personal wird zwar abgebaut, aber ohne betriebsbedingte Kündigungen, Kinder und Jugendliche kommen weiterhin kostenlos in den Genuss eines Bibliotheksausweises, die Zentralbibliothek am Gasteig wird von 2007 an auch samstags geöffnet sein und die Stadtteilbibliothek Laim an der Fürstenrieder Straße wird um 200 Quadratmeter vergrößert. Soweit die positiven Entwicklungen, denn negative gibt es auch: Die Bibliotheksgebühren werden um 20 Prozent erhöht. Statt eines Jahresbeitrags von heute 15 Euro, sind ab 2006 deren 18 fällig (ermäßigt: neun statt 7,50 Euro). Auch Mahn- und Vormerkgebühren werden teurer. „Damit haben wir aber immer noch die günstigste Stadtbibliothek einer deutschen Großstadt“, verteidigt Gradl die Erhöhungen. Zum Vergleich: In Hamburg kostet der Jahresbeitrag satte 38 Euro, in Köln immerhin noch 21 Euro. Und das, obwohl beide Städte wesentlich kleinere Medienbestände im Angebot haben (Hamburg 1,8 Millionen, Köln eine Million; München drei Millionen).

Die Stadträte versprechen sich durch die Maßnahmen jährliche Mehreinnahmen von rund 540.000 Euro. Weitere 1,5 Millionen Euro jährlich möchten sie durch die Automatisierung der Ausleihe und Rückgabe einsparen. Bis 2011 sollen alle Stadtteilbibliotheken zu Selbstbedienungsanstalten umgebaut werden, das Pilotprojekt startet im kommenden Jahr im Gasteig, Pasing und Waldtrudering. Dabei registriert ein elektronisches Lesegerät die Bücher, die der Kunde ausleiht und zurückbringt. Später soll es auch möglich sein, Bücher an einem Automaten auch außerhalb der Öffnungszeiten zurückgeben zu können. Allerdings soll auch immer mindestens eine Person an den Schaltern bleiben – für Kunden, die mit der elektronischen Ausleihe nicht zurecht kommen. Von Filippo Cataldo

Artikel vom 29.09.2005
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