Albrecht Ackerland über Digi-TV

„Da schau her“

Jetzt kommt das digitale Fernsehen. Nix mehr mit Schneesturm, wenn der Film gerade spannend wird oder Elfmeter gepfiffen wurde. Alles glasklar und in bester Bildqualität. Immer. Überall. Zimmerantenne reicht. So ist die Legende.

In Berlin zum Beispiel, das weiß ich von meinem Bruder Albert, konnte es nach der Einführung des Digi-TVs schon mal vorkommen, dass die Scheibe nicht nur matt war, sondern auch noch schwarz. Ganz schwarz. Schneesturm ist da wenigstens idyllischer. Zur Einführung in Bayern gibt’s aber noch ganz andere Probleme: Der Bayerische Rundfunk will mit großem Brimborium das neue Fernsehen starten – per Knopfdruck, ausgeführt vom Ministerpräsidentendaumen persönlich.

Die Ehrenloge im neuen Stadion wollte der BR mieten. Vermieter: der TSV 1860. Nun ist der Stoiber ein ausgewiesener Roter (was mit Schwarz gut kombinierbar ist). Außerdem stinkt den Sechzigern die erstklassige Technik, wo sie doch selbst zweitklassig bleiben müssen. Also hat der Löwen-Präsi Auer eine etwas höhere Miete für die VIP-Loge verlangt, schließlich ist der Vereinskassenstand zur Zeit eher drittklassig. Der BR aber will soviel nicht zahlen.

Das digitale Fernsehen startet trotzdem, irgendwo wird der Stoiber seinen Daumen schon noch draufdrücken dürfen. Und dann? Braucht jeder, der bis jetzt normal per Antenne empfangen hat, ein spezielles Kasterl. Sämtliche alleinstehende Seniorinnen freuen sich bestimmt jetzt schon darauf, dieses Kasterl richtig anzuschließen und zu bedienen, um auch weiter „Aus Schwaben und Altbayern“ schauen zu können. Ich jedenfalls freue mich, endlich wieder die formschöne orange-cremeweiße Zimmerantenne aus den siebziger Jahren in mein Wohnzimmer zurückholen zu können. Und wehe, ich sehe schwarz.

Mein Zimmerherr, der Luca, sieht jetzt schon schwarz. Naja, eigentlich sieht er gar nicht. Hat er doch gar keinen eigenen Fernseher. Doch eigentlich wollte er sich zum Digi-Glotz-Start ein Flimmerkasterl holen. Dacht der Luca doch, nun könne er endlich sein geliebtes italienisches Staatsfernsehen RAI per Antenne auch in München empfangen. Doch nix da. Pfiffkas. Kostet extra. Was bin ich da froh, dass sie mir mein ORF2 nicht verschlüsseln. Wäre ja noch schöner. Mein ganzer Sonntagnachmittag wäre versaut – kein „Mariandl“ mehr, kein „Wenn die Conny mit dem Peter“, kein „Graf Bobby“. Dann bliebe mir nur noch der großartige „Dittsche“ mit der besten Wochenschau der Welt. Der „Dittsche“ aber kommt erst spät abends im WDR. Bald auch über Antenne. Der Legende nach. Hoffentlich drückt der Stoiber nicht daneben.

Artikel vom 04.05.2005
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...