Bundestagsabgeordneter Berg fordert langfristiges Handeln von der Industrie

Münchner Norden · Kein Typ, der Regeln mag

»Wir müssen mit den Mythen aufräumen«: Energie- und Wirtschaftspolitiker Dr. Axel Berg fordert mehr Qualitätsdenken in den Führungsköpfen.	 Foto: gf

»Wir müssen mit den Mythen aufräumen«: Energie- und Wirtschaftspolitiker Dr. Axel Berg fordert mehr Qualitätsdenken in den Führungsköpfen. Foto: gf

Münchner Norden · Wahltaktisch rechtzeitig angestoßen – am 22. Mai finden in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen statt – bringt SPD-Chef Franz Müntefering die jetzt bereits »Unwort-des-Jahres«-taugliche Kapitalismusdebatte ins Rollen. »Das ist eine sehr spannende Geschichte«, gibt sich auch der Bundestagsabgeordnete Dr. Axel Berg offensiv.

Dabei ist der smarte Wahlschwabinger, bereits seit sechs Jahren für seinen Wahlkreis Münchner Norden im Bundestag tätig, in seiner Argumentation und Rhetorik weit entfernt von »Heuschrecken«-oder 1. Mai-Demo-Jargon. Statt dessen verriet Berg gegenüber der Nord-Rundschau im Interview Philosophisches: »Über das Tagesgeschäft hinweg müssen sich Politiker, die in die Zukunft denken, mit zwei kollektiven Mythen befassen: erstens Vollbeschäftigung und zweitens Wachstum.«

Sei doch der Mensch in seinem Bestreben stehts bemüht, die Arbeit zu erleichtern und möglichst ganz zu vermeiden. »Statt dessen müssen unsere Ziele lauten: Selbstverwirklichung stärken und Absicherung schaffen!«

Beim Wachstum gibt Berg jedoch wieder den Schwarzen Peter an die Industrie ab: »Wir dürfen nicht quantitativ denken. Es geht um qualitatives Wachstum!« Und da lahmten die großen Deutschen Unternehmen. »Da gibt es viel zu viele Blockierer«, schwäbelt Berg mit ausschweifender Gestik als wollte er am liebsten eigenhändig eingreifen. Mit sechs Dax-notierten Unternehmen in seinem Wahlkreis und unzähligen Gesprächen aus hiesigen Unternehmensvisiten im Ohr sei in ihm die Erkenntnis gereift: »Zu viele Patente werden gar nicht erst in Deutschland vermarktet. Statt dessen machen sich’s viele Firmen zu einfach und entlassen Leute um das schnelle Geld zu machen.« Auf diese Weise, so Berg weiter, beraubten sie sich jedoch wertvoller Substanz. »Langfristige Sicherung muss anders laufen!«

Berg beschränkt sich jedoch nicht auf die Forderungen. Zwar sei er »kein Typ, der Regeln mag«, aber »dieses ständige Ausnutzen von der Industrie macht einen mürbe. Dann muss der Staat eben wieder Schiedsrichter spielen.« Damit spielt Berg auf das von der Bundesregierung eingebrachte Energiewirtschaftsgesetz an, erst am Freitag im Bundesrat gekippt. »Wir haben bei den Energiekonzernen gesehen: sobald sich der Staat rausnimmt, machen die, was sie wollen. Deshalb brauchen wir die Regulierung, um den Bürgern wieder mehr Kontrollmöglichkeiten über ihre Nebenkosten, die oft zitierte ›zweite Miete‹, zu geben.« Im selben Fahrwasser habe die EU bereits Vorarbeit geleistet.

Ab Januar 2006 müssen Vermieter und Immobilienbesitzer EU-weit einen Energiepass für ihr Gebäude aufweisen können – schon wieder eine Bürokratenfalle? »Ein Hilfsmittel. Dieser Pass hat das Zeug dazu, einen echten Boom auszulösen. In Deutschland sind 80 Prozent der Häuser nicht ausreichend energetisch isoliert. Dieser Zustand wird durch den Pass gnadenlos aufgedeckt.« Die Zielrichtung ist schnell ausgemacht: energiesparend Wohnen soll zur Marke gemacht werden. »Eine tolle Chance für die Baubranche, denn hier muss Qualität vor billigem ›Schnell-Schnell‹ gehen – sonst rentiert sich’s einfach nicht.« Ist das der Weg, den moderne Energie- und Wirtschaftspolitik weiter beschreiten muss? »Wir brauchen eine Evolution, keine Revolution. Wir müssen auf die Industrie aber auch einen gewissen Druck ausüben um richtige Entwicklungen voran zu treiben.« Fernab der Debatte versucht sich hier einer an Kapitalismusphilosophie – und wird dabei seinen schwäbischen Akzent einfach nicht los. gf

Artikel vom 03.05.2005
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