Albrecht Ackerland über die Grippe

München · „Da schau her“

Eines weiß ich: Ich ziehe nie mehr im Winter um! Bei einem Umzug - ich hab’ gerade einen hinter mir – braucht man tatkräftige Helfer und mindestens ein gescheites Fahrzeug, das seiner Verpflichtung nachkommt, dem Fahren. Noch eines weiß ich: Ich plane nie mehr zwei Großaktionen zum selben Termin – also Entrümpeln und Umziehen gleichzeitig.

Das alles kam so: Ich war tagelang mit Planungen beschäftigt, wie ich meinen Umzug besonders wirtschaftlich erledigen könnte. Zeit und Geld und schleppende Freunde sind schließlich rar. Schließlich hatte ich eine Art Masterplan entwickelt: Bei einem Autovermieter gab es einen Kastenwagen zu mieten, 24 Stunden für 59 Euro. Perfekt, dachte ich mir.

Ich würde den Wagen in der Früh holen und nach Rosenheim fahren. Dort dann meine wunderbare Ledercouch aus den Sechzigern samt einer großen, schweren Tischplatte holen, die ich dort untergestellt hatte.

Währenddessen sollten drei, vier Freunde die Unmengen an Wohnaltlasten in meiner alten Giesinger Wohnung zerlegen und die drei Stockwerke runtertragen. Ich würde rechtzeitig vor Zwölf wieder in München sein – zum Weißwurstessen mit allen Helfern. Danach Couch und Tisch raus und zwischenlagern und Wohnaltlasten rein in den Transporter. Anschließend zum Wertstoffhof – eine Sache von nicht mal einer Stunde. Dann zurück nach Giesing, Kartons, Möbel, Couch und Tisch einladen und rüber in die Maxvorstadt. Geplantes Ende der Aktion: Acht. Pünktlich zur Tagesschau würde ich mit allen Spezln in der neuen Wohnung einen Kasten Tegernseer Hell leeren.

Doch alles kam anders: Auf dem Weg nach Rosenheim und zurück fraß ich mich geschätzte zehn Mal im Schnee fest – sehr vorteilhaft, wenn ein Transporter Heckantrieb hat. Meiner hatte einen. Die Weißwürste gab es schließlich um halb Drei – das allein schon ein Frevel für sich. Vier der sechs Leute, die mir helfen wollten, hatte die Grippe erwischt. Und zwar die echte – sie waren sogar zu schwach zum Zuschauen.

Schließlich beluden wir zu Dritt den Transporter randvoll mit all dem Sperrmüll, und ich fuhr zum Wertstoffhof. Dort ließen sie mich gar nicht erst einfahren – zwei Kubikmeter pro Haushalt und Tag hieß es, mehr auf keinen Fall. Auf gar keinen Fall. Ich solle alles nach Fröttmaning auf die Deponie bringen – und zahlen! Die hatte aber bereits geschlossen, es war kurz nach vier.

Den Kasten Tegernseer haben wir dann trotzdem getrunken – weit vor Acht, zu Dritt und in der alten Wohnung. Unten stand der mit Schrott vollgepackte Transporter. Oben standen die Umzugskisten, auf denen wir saßen und nach der dritten Halbe feststellten: Ein Umzug kostet Geld und Zeit. Vor allem, wenn Schnee liegt und die Grippe unter den hilfsbereiten Menschen grassiert.

Artikel vom 24.02.2005
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