Luca Cherubino über Zettelwirtschaft

„Da schau her“

„Servus Luca, nimm bitte vier Auberginen, Olivenpaste und Serano-Schinken mit, wennst einkaufen gehst! Ach: Auf dem Herd sind noch die Überbleibsel vom Coq Au Vin, den die Heidi gestern gemacht hat. Guten Appetit! A.“ Seit der Albrecht Ackerland und ich zusammen in unserer Altherren-WG wohnen, werde ich jeden Tag von solchen und ähnlichen Zetteln überrascht.

Wie sie wissen, ist der Albrecht Lohnschreiber, ständig sitzt er am Computer, oder mit einem Stift in der Hand und schreibt. Dagegen ist ja nichts einzuwenden. Nur, dass er oft nur über Zettel kommuniziert, finde ich ein wenig übertrieben.

Aber damit Wohngemeinschaften funktionieren, muss man kompromissbereit sein. Und Sie können mir glauben: Ich bin das durchaus. Aber wie würden Sie reagieren, wenn Sie vor Ihrer Schlafzimmertür einen Brief finden, auf dem nur steht: „Mein Onkel Gustl hat angerufen. In Wien soll die Sonne scheinen!“ Oder neben dem Ölofen, der unsere Wohnung zuverlässig heizt: „Das Öl ist neuerdings rosa gefärbt. Gruß, A.“ Vor allem: er verteilt diese Zettel selbst dann in der ganzen Wohnung, wenn wir beide zu Hause sind, und er eigentlich auch mit mir reden könnte.

Man könnte fast meinen, dass der Albrecht einen manischen Mit-kleinen-Zetteln-Kommunikationsdrang hat. Vielleicht liegt das an seiner Kindheit, die zwar alles andere als schwierig war, aber Sie wissen ja: Ein psychischer Knacks liegt ja meistens an Erfahrungen in der Kindheit. Mich wundert aber, dass mir dieser Tick an ihm noch nie vorher aufgefallen ist.

Aber vielleicht ist das Ganze nur eine kurzfristige Laune. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, fand ich vor meiner Tür, natürlich, einen Zettel. Darauf: „Ist spät geworden gestern. Kannst du mich wecken, bevor du gehst? Muss mittags nach Wien. Ach, und kannst du die Kolumne übernehmen?“ Den Gefallen wollte ich ihm natürlich gerne tun. Also habe ich an seiner doppelflügeligen Tür geklopft. Einmal. Zweimal. Erst leise, dann lauter. Keine Reaktion. Weil ich in Eile war, habe ich ihm einen Zettel geschrieben und unter seine Tür gesteckt: „Acki, ich muss jetzt los! Hab dir nen Weckruf bestellt. Hoffentlich wachst du davon auf! Ciao, Luca!“ Drei Stunden später dann klingelte mein Handy. Es war Albrecht: „Wieso hast nicht einfach gerufen, dass ich aufwachen soll?“

Artikel vom 10.02.2005
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