Landeshauptstadt landet bei Familienfreundlichkeit auf Platz 439

Münchner Familien haben es schwer

Viel grau, wenig grün. Das Lachen ist den Münchner Kindern aber noch nicht vergangen. 	Foto: mh

Viel grau, wenig grün. Das Lachen ist den Münchner Kindern aber noch nicht vergangen. Foto: mh

Bereits vor der Geburt von Lukas hat Angela Kittsteiner (33) einen Platz in der Kindertagesstätte beantragt. Jetzt ist der Filius eineinhalb Jahre alt – aber immer noch rund um die Uhr bei der Mama, weil kein Platz in der Tagesstätte frei ist. Und Caroline Philipp reichen die üblichen Notenstufen gar nicht mehr aus, wenn sie über die vermeintliche Familienfreundlichkeit in München schimpft.

Die 32-jährige Mutter mit ihrem drei Monate alten Sohn Maxi würde der Landeshauptstadt gern eine „glatte Note 10“ geben. „Allein die Suche nach einem Krippenplatz ist ein Lotteriespiel.“

Das sehen die Wissenschaftler vom „Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung“ genauso. In ihrer Deutschland-Studie 2020 haben sie München in Sachen Familienfreundlichkeit die Note 6 erteilt. Das Ergebnis: Platz 439 von 440 möglichen.

Die Untersuchung beleuchtet zwar nur die beiden Kriterien „Singlehaushalte“ und „Kindertagesplätze“, aber für Stadtrat Marian Offman (CSU) ist das miserable Abschneiden trotzdem ein weiteres Warnsignal in Sachen Familienpolitik: „Wir haben in München und im ganzen Land verlernt, kinderfreundlich zu sein.“

In seinen Augen mangelt es in der Stadt vor allem an bezahlbaren Wohnungen, und an den jungen Menschen: „Nur 16,9 Prozent der Münchner sind unter Zwanzig – normal ist ein Schnitt von 30 Prozent.“ Und die ganz Kleinen müssen meist zusammen mit der Mama zu Hause bleiben, auch wenn die eigentlich arbeiten müsste – nur für knapp die Hälfte der Knirpse gibt es Kindertagesplätze.

Bei der Caritas-Kinderkrippe am Stachus etwa melden sich jedes Jahr 250 Eltern, Plätze gibt es jedoch nur 24. „Das ergibt einen Leitzordner voller Absagen“, so die Leiterin Daniela Seidenschwang.

Stadtrat Christian Müller (SPD) kennt diese schwierige Situation. Er ist selbst Familienvater und war ehemals Vorsitzender des Kreisjugendrings München Stadt. Die Bilanz des Berlin-Instituts genießt er trotzdem mit Vorsicht: „Oft werden Äpfel mit Bananen verglichen.“ München habe etwa im Vergleich zum restlichen Bayern eine sehr gute Versorgung mit Kita-Plätzen und auch Jugendzentren gebe es genügend. Aber auch Müller sieht Nachholbedarf bei der Münchner Kinderfreundlichkeit, gerade wenn er mit seinen drei Kindern unterwegs ist: „In Stoßzeiten kommen viel zu oft Unverschämtheiten von den Mitbürgern – etwa im vollen Bus. Von Hilfsbereitschaft ist da keine Spur.“

Mangelnde Familienfreundlichkeit ist vor allem ein gesellschaftliches Problem, das zeigt auch die Situation bei den Jobs: Kind bedeutet allzu oft Karriereende für die Mütter. Große Firmen, wie etwa BMW haben das erkannt und eigene Kindergärten eingerichtet. Doch die „BMW-Strolche“ sind noch in der Minderheit, gerade kleinere Firmen können solche Angebote nicht vorhalten – andere wollen es nicht. Dazu kommt, dass es weiterhin zu wenig Teilzeitarbeitsplätze gibt und gerade Mütter vor die Wahl gestellt werden: Ganz oder gar nicht.

Und München hat noch ein Großstadt-Problem: Viel grau, wenig grün. Viele Straßen, wenig Spielplätze. Aber gerade die sind wichtig für die Kleinen, denn Toben, Laufen und auch die ein oder andere Schramme gehört zum Kindsein dazu.

Wer am Wochenende nicht raus darf, weil der Spielplatz zu weit weg ist, der wird am Montag zappelig in der Schulbank oder im Kindergarten sitzen. Lehrer und Psychologen haben diese Großstadtbeobachtung auf „Montagssyndrom“ getauft. Solche Sorgen hat Eichsfeld nicht.

Der Landkreis im Nordwesten Thüringens landete bei der Studie auf dem ersten Platz. „Wir sind katholisch, traditionell sind bei uns Familien eben sehr wichtig“, heißt die schlichte Begründung aus dem Eichsfelder Landratsamt. Zum Vergleich: In München leben nur in jedem siebten Haushalt Kinder, der Anteil der Singlehaushalte beträgt dagegen 53 Prozent.

Von Janina Lichnofsky und Maximilian Hägler

Artikel vom 10.02.2005
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