Jetzt geht’s richtig los – München feiert Fasching

München · Alle sans narrisch

Die Marktfrauen.	Foto: Stadt München/Reiter

Die Marktfrauen. Foto: Stadt München/Reiter

Manche freuen sich das halbe Jahr auf ihn, manche wollten seinem bunten Treiben am liebsten entfliehen, manche sehen in ihm lediglich einen weiteren Grund zum geselligen Alkoholkonsum: Der Fasching ist auf seinem Höhepunkt! Ist es für die Kinder vor allem das lustige Verkleiden, weswegen sie den Fasching lieben, so ist es für die meisten Erwachsenen das zügellose Feiern, das einem keiner wirklich übel nimmt – schließlich sind wir ja mitten in der „fünften Jahreszeit.“

So wird es die nächsten Tage und vor allem am Dienstag wieder drunter und drüber gehen in der Stadt. Doch es wurde schon mal mehr gefeiert – und kreativer, weiß der Münchner Taxifahrer Klaus Erdner (62): „Der Fasching ist längst kein besonderes Geschäft mehr. Vor zwanzig Jahren war das noch wirklich was Besonderes, da haben sich die Menschen das ganze Jahr auf den Fasching gefreut und haben’s dann richtig krachen lassen und sich viel Mühe bei der Verkleidung gegeben. Schon Wochen vor Aschermittwoch.“

Heute aber hätten die Leute aber entweder kein Geld mehr, oder aber sie feierten sowieso das ganze Jahr hindurch. Seine Ursprünge hatte der Fasching tatsächlich nur in einer einzigen Nacht. Der Nacht vor dem Fasten. Eben der Fastnacht. In der Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern war es vor allem im Mittelalter noch strengstens verboten, Fleisch oder andere tierische Produkte wie Milch, Butter, Käse und Schmalz zu essen. Das eigens geschlachtete Fleisch und alles tierische Verderbliche musste vorher in großen Mengen verzehrt werden, häufig im Rahmen größerer Gelage.

Tanzveranstaltungen waren die logische Konsequenz. Daher auch der Begriff „Fasching“: Er entwickelte sich aus der mittelhochdeutschen Zusammensetzung „vast-schanc“, die den Ausschank vor der Fastenzeit bezeichnet und damit ebenfalls auf die bevorstehende vorösterliche Bußzeit verweist. Im Lauf der Zeit wurden aus der einen Nacht Wochen, inzwischen ist diese Entwicklung aber wieder rückläufig.

Dass Fasching ist, merkt man aber gerade in diesem Jahr schon seit längerer Zeit: An dem Spektakel des Schäfflertanzes, das nur alle sieben Jahre stattfindet und heuer wieder mit einem wahren Tanz im Akkord begangen wurde. Und wird: Die Tänzer in der Tradition der Schäffler – der Fassmacher –, die nach der Pestzeit den Menschen wieder Lebensmut machen wollten, treten bis 8. Februar noch sage und schreibe 24 Mal auf (siehe Kasten). Dann, am Faschingsdienstag, ist für sieben Jahre Schluss: Um 21 Uhr werden vor dem „Augustiner“ an der Neuhauser Straße die Tanzreifen zerbrochen.

Gesundheitlich angebrochen werden sich am Mittwoch dann doch etliche fühlen. Wenn auch beklagt wird, dass es keinen gescheiten Fasching mehr gibt, so wird das spätestens ab dem heutigen Samstag widerlegt: Auf unzähligen Veranstaltungen, Partys, Festen und Bällen lässt sich quasi durchfeiern bis zum Kehraus. Schon ab Neun Uhr wird heute (und auch morgen und am Dienstag) das Faschingstreiben die Innenstadt lahm legen.

Vor allem an der Neuhauser- und Kaufingerstraße bei den Showbühnen von Radio Gong und Charivari gibt’s Live-Musik, Tanz und Remmidemmi. Der wohl größte Studentenfasching – die „Olympialust“ – beginnt heute um 19 Uhr: Im Olympiadorf (in der Bierstube, der Alten Mensa und der Oly-Disco) geht es die ganze Nacht lang rund. Der „BR Funkball“ findet nicht nur heute, sondern auch morgen und am Rosenmontag traditionell im Funkhaus statt (jeweils ab 20 Uhr). Auf der Bühne stehen unter anderem Max Greger, das Orchester Hugo Strasser, Patrick Lindner und Frank Zander.

Die Karten dafür kosten zwischen 25 und 40 Euro. Zum „Caribbean Carnival” lädt heute Abend die Muffathalle: Dort sorgen „Sly“ (eine Socaband aus St. Maarten), die „Latin Culture Brass Band“ aus Curacao, DJ Carlos und das „Budadub Soundsystem“ für tropische Glücksgefühle – der Eintritt beträgt 15 Euro.

Die meisten Münchner freuen sich aber vor allem auf einen Ort: den Viktualienmarkt am Faschingsdienstag. Hier herrscht der Wahnsinn, hier wird schon in der Früh das Schnapseln begonnen, hier hat jeder ein Lachen im Gesicht. Das besondere Spektakel: um Viertel vor Elf trifft das Faschingsprinzenpaar Iris I. und Ali I. mit einer Kutsche ein, und um fünf nach Elf geht es richtig los: die Marktfrauen tanzen! Seit nunmehr 18 Jahren gibt es diesen Tanz der Damen vom Markt, die sich Monate lang darauf vorbereiten und alljährlich eine neue Choreografie präsentieren.

Tanzschritte, die oft eher Ausfallschritte sind, lassen sich dann den ganzen Tag über beobachten. Überall in der Gegend gibt es laute Musik – ob von den verschiedenen Radiosendern, von den Lokalen und Bars in der ganzen Innenstadt oder von einem Soundsystem in jamaikanischer Tradition, das den ganzen Nachmittag auf dem Sebastiansplatz die Beats des karibischen Fasching – Soca und Dancehall - aus den Boxentürmen wummern lässt.

Gegen frühen Abend dann das Finale: „Kehraus“ heißt es allerorten. Das Stadtcafè am Jakobsplatz darf eigentlich gar nicht mehr erwähnt werden, so übervoll ist es dort jedes Jahr – aber eben auch sehr lustig. Ebenso geht es ab 15 Uhr in der Muffathalle zu, wo DJ Tomahawk traditionell auskehrt.

In der Registratur lädt der TSV Bassrutsche zu einer wilden Sause: MC Rodney wird hierfür extra aus Köln eingeflogen, wo der Karneval schon am Donnerstag seinen Höhepunkt hatte. Allerdings wird er kein „Kölle alaaf“ präsentieren, sondern mit über zehn verschiedenen DJs zu Dancehall-, Soca-, Riofunk- und Housesounds die Feierwütigen am Toben halten. Ein wenig ruhiger geht es im Bayerischen Hof zu: Beim Faschingsfinale der Narrhalla wird dort ab 19 Uhr an Konstantin Wecker der „Sigi Sommer Taler“ verliehen und das Prinzenpaar Iris I. und Ali I verabschiedet.

Um Mitternacht dann ist Schluss und am Mittwoch hat man die Auswahl: seinen Kater pflegen, den Geldbeutel im Fischbrunnen waschen, Fisch essen, sich das Aschenkreuz geben lassen, Fasten, nach Passau fahren. Oder: sich auf den nächsten Fasching freuen. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 03.02.2005
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