Beeindruckt mit Frauensingstimme: Moosacher Counter-Tenor Osthelder

Unbeschreiblich weiblich

Alexander Osthelder (re.) und Organist Markus Höring proben für den Gottesdienst in der Heilig-Geist-Kirche am Sonntag. Abends singt er dann in der Markuskirche in der Maxvorstadt.	Foto: cr

Alexander Osthelder (re.) und Organist Markus Höring proben für den Gottesdienst in der Heilig-Geist-Kirche am Sonntag. Abends singt er dann in der Markuskirche in der Maxvorstadt. Foto: cr

Moosach · Dieser Mann singt wie eine Frau – und er genießt das: Alexander Osthelder.

Der Wahl-Moosacher freut sich auf seinen Auftritt in der Heilig-Geist-Kirche an diesem Sonntag, 8. Dezember, im Gottesdienst. »Ich bin schon gespannt auf die Gesichter der Moosacher«, feixt der Counter-Tenor und reibt sich die Hände.

Dass es in ihrem bunten Stadtteil praktisch nichts gibt, was es nicht gibt, haben die Moosacher längst gewusst. Aber ein Mann, der so singen kann wie eine Frau – und damit sein Geld verdient – das ist neu.

Alexander Osthelder hat sich vor kurzem in Moosach niedergelassen. Seine Unterkunft: ein Provisorium. Der 33-Jährige wohnt im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinden Moosachs in der Riesstraße. »Ich hab’ mich bei der Kirchengemeinde nach einer Übungsmöglichkeit erkundigt«, erzählt der Berufssänger. »Die Gemeindesekretärin hat mich dann gefragt, ob ich schon eine Unterkunft in München hätte« und ihm falls nicht auch gleich das Zimmer angeboten. Bei der Wohnungssituation in München hat der Counter-Tenor natürlich sofort zugegriffen.

Jetzt wohnt er übergangsweise in dem 15 Quadratmeter-Zimmer im »Backstein«. Im nächsten Jahr steht die Heirat mit seiner Moosacher Lebensgefährtin an. Die »Stadt in der Stadt« soll sein neuer Lebensmittelpunkt werden. Nach langer »Wanderschaft« plant der gebürtige Aschaffenburger nicht mehr das Fortkommen von Ort zu Ort, sondern das Berufliche. Er will sich in die Oberliga der deutschen und internationalen Counter-Tenöre singen. Diese männliche Singstimme ist erst seit den letzten Jahren in Deutschland im Kommen.

Zurück zu den Wurzeln, sozusagen. Die Kirchenmusiker des 17. Jahrhunderts haben nämlich Werke mit Frauenstimmlagen komponiert, obwohl es damals Frauen untersagt war, in der Kirche zu singen, so Osthelder. Also mussten Männer diesen Part übernehmen.

Die Voraussetzungen dafür wurden zumeist künstlich geschaffen – durch Kastration. Aber auch durch von Natur aus verkürzte Stimmbänder und normales Training kann »Mann« diese Stimmlage singen. Eine Methode, die Osthelder vorgezogen hat. Der Sänger, der in Leeds (England) Trompete, Klavier, Dirigieren und in Düsseldorf Gesang studiert hat, bereichert nun das Moosacher Kulturleben.

Und das mit Freude. »Ich empfinde die Menschen hier als sehr liebenswürdig«, sagt er. »Moosach hat so etwas Eigenes. Man lebt nicht in München, man lebt in Moosach.«

Die Erfahrungen eines Neu-Münchners mit seinen Mitmenschen – die er nun mit seiner Kunst überraschen will. cr

Artikel vom 04.12.2002
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