Private Aufbahrungsräume möglich

Privater Abschied

Wenn ein geliebter Mensch gestorben ist, muss oft alles sehr schnell gehen. Vieles ist zu erledigen und in die Wege zu leiten.

So kommt nicht selten das zu kurz, was für die Verarbeitung des Verlustes ganz besonders wichtig sein kann: ein Abschiednehmen in Würde und einer intimen Atmosphäre mit genügend Zeit.

Während es in anderen Bundesländern längst möglich ist, Verstorbene bis kurz vor der Beerdigung privat (zu Hause oder bei einem Bestatter) aufzubahren, war dies in Bayern bislang untersagt. Aus Gründen der Hygiene und Pietät, so der Gesetzgeber, mussten Verstorbene innerhalb einer kurzen Frist – in der Regel 24 bis 36 Stunden – in das städtische bzw. gemeindliche Leichenhaus verbracht werden. Eine öffentliche Aufbarung in privaten Räumen war – und ist noch – nicht gestattet.

Diese rechtliche Situation dürfte sich nun auch in Bayern demnächst ändern. Am 19. April, gab der Verfassungsgerichtshof der Popularklage eines Nürnberger privaten Bestatters, der eine private Trauerhalle errichten möchte, in vollem Umfang statt und erklärte die entsprechenden Passagen der Verordnung über das Leichenwesen der Stadt Nürnberg für nichtig. Begründung: die Bestimmungen verstießen gegen den Rechtsstaatsgrundsatz und beeinträchtigen das Grundrecht der Berufsfreiheit der privaten Bestatter.

Der Schutz der Gesundheit und die Einhaltung der Pietät könnten durch entsprechende behördliche Überwachung gewährleistet werden. Wenngleich dieses Urteil zunächst nur die angegriffene Verordnung der Stadt Nürnberg betrifft, rechnet man im Bayerischen Bestatterverband laut Toni Hanrieder, einem der stellvertretenden Vorsitzenden, fest damit, dass damit letztlich der Weg frei werden wird für die Einrichtung privater Aufbahrungs- und Abschiedsräume.

Nachdem bereits vor sechs Jahren der Bayerische Verfassungsgerichtshof private Krematorien für zulässig erklärte und daraufhin in Traunstein die derzeit modernste und umweltfreundlichste Anlage ganz Europas gebaut wurde, stellt das jüngste Urteil Rechtsanwältin Angela Haslinger zufolge einen weiteren Erfolg in dem Bemühen dar, kommunale Monopole auf dem Bestattungssektor abzubauen – und dies nicht zuletzt im Interesse der Allgemeinheit.

Für Hinterbliebene in einem Trauerfall bedeutet dies auf alle Fälle die Möglichkeit der mündigen Entscheidung, wo und auf welche Weise ihr verstorbener Angehöriger bis zur Beisetzung aufgebahrt sein soll und wie sie sich von ihm verabschieden möchten.

Der Würde des Verstorbenen und seiner Angehörigen dürfte dies in vollem Maße zugute kommen.

Artikel vom 24.07.2002
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