Löwenstammtisch im Bayerischen Landtag – Ein Kommentar von Alfons Seeler

Dichtung und Wahrheit

Gibt es auch im Landtag: Fans des TSV 1860 München. Foto: AS

Gibt es auch im Landtag: Fans des TSV 1860 München. Foto: AS

München/Giesing · Am Dienstag letzter Woche war der Präsident des TSV 1860 München Robert Reisinger im Bayerischen Landtag zu Gast. Auf Einladung von Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender der FDP, trafen sich Abgeordnete von SPD, Die Grünen, CSU und Freie Wähler – allesamt mit einem Faible für die Löwen – in der Landtagsgaststätte zu einem weiß-blauen Stammtisch.

Reisinger berichtete den etwa zwanzig Anwesenden eineinhalb Stunden lang eloquent und mit persönlicher Note. Sprach über seinen Werdegang zum Oberlöwen, seinen Vater, den Amateursport, die zweiundvierzig Sportarten und achtzehn Abteilungen des TSV 1860, die komplizierte Suche nach einem geeigneten Bauplatz für die geplante Sporthalle, das Nachwuchsleistungszentrum des Klubs und schlussendlich auch über den Profifußball, die Stadionfrage und das nicht immer einfache Verhältnis der Gesellschafter. Etliche Wortmeldungen zeugten vom regen Interesse der Zuhörer. Vieles davon hatte Reisinger so oder ähnlich bereits an anderer Stelle zum Besten gegeben. Den Abgeordneten gefiel der ungekünstelte Auftritt ihres Gastes und sie spendeten kräftig Applaus.

Alles das hätte am Stammtisch bleiben können. Aber die Veranstalter hatten auch Pressevertreter eingeladen. Die danach einsetzende Berichterstattung glich dem bekannten Kinderspiel »Flüsterpost«. Denn obwohl, abgesehen vom Autor dieser Zeilen und einem Kollegen vom Münchner Merkur sowie einem Kamerateam des BR, niemand anwesend war, wussten anschließend zahlreiche weitere Medien Schlagzeilen und Klicks heischend zu berichten, was in der Landtagsgaststätte angeblich zu hören gewesen sei. Wissen darüber aus erster Hand hatte kaum einer.

Vermutlich werden sich die Löwen-Freunde im Landtag für künftige Veranstaltungen überlegen, ob es zum gewünschten Charakter ihres Stammtisches passt, wenn Medien im Anschluss einzelne Sätze ihrer Gäste aus ihrem Kontext lösen, sie in Einzelteile zerlegen und gewichtet nach Erregungspotential häppchenweise publizieren. Einer Atmosphäre, in der Gäste sich wohlfühlen und gerne sprechen, dürfte dieses Medienspektakel wenig förderlich sein.

Artikel vom 28.01.2020
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